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Obwohl er sich dessen schämte, hatte er Octavian schon dreimal in die Stadt mitgenommen, um einen Vorwand zu haben, bei Tabbics Laden Halt zu machen. Beim dritten Mal war er dort Brutus begegnet, und nachdem die drei einige peinliche Minuten überstanden hatten, schwor sich Julius, nie wieder hinzugehen.

Auf dem Hügel angekommen, von dem aus man seinen ganzen Besitz überblicken konnte, blieb er keuchend stehen. Hier war er nicht mehr weit von dem neuen Grenzzaun entfernt, den Suetonius’ Vater hatte errichten lassen. Vielleicht war es an der Zeit, endlich etwas dagegen zu unternehmen. Mit der guten, frischen Luft in der Lunge und vom Dauerlauf ein wenig verschwitzt, spürte er, wie sich seine Stimmung beim Anblick des Landes, das ihm gehörte, ein wenig besserte. Rom war bereit für Veränderung. Er spürte es, so wie er den unmerklichen Wandel der Jahreszeiten spürte, der den Straßen und Feldern schon bald die Hitze des Sommers bescheren würde.

Kurz darauf wurde er von Hufgetrappel aus seinen Gedanken gerissen. Als das Geräusch lauter wurde, trat Julius zur Seite. Noch ehe er die kleine Gestalt auf dem Rücken des kraftvollsten Hengstes aus seinem Stall sah, wusste er, wer der Reiter sein musste. Als er sich eine finstere Miene abrang, die den Jungen auf den feuchten Blättern des Waldweges jäh anhalten ließ, fiel Julius auf, wie geschickt und sicher Octavian ritt.

Der Hengst schnaubte und tänzelte ein wenig; er zerrte an den Zügeln, weil er weiter wollte. Octavian glitt mit einer Hand in der Mähne vom ungesattelten Rücken des Tieres herab. Julius sagte nichts, als er auf ihn zuging.

»Es tut mir Leid«, sagte Octavian und wurde rot vor Scham. »Er musste bewegt werden, und die Stallknechte wollen nie mit ihm raus. Ich weiß, ich habe gesagt…«

»Komm mit«, schnitt ihm Julius das Wort ab.

Sie gingen schweigend den Hügel hinunter. Der unglückliche Octavian führte den Hengst hinter Julius her. Er wusste, dass ihm höchstwahrscheinlich eine Tracht Prügel bevorstand, oder er wurde, was noch viel schlimmer war, in die Stadt zurückgeschickt und würde nie wieder auf einem Pferd reiten. Seine Augen füllten sich mit Tränen, die er rasch wegwischte. Julius würde ihn verachten, wenn er sah, dass er heulte wie ein kleines Kind. Octavian nahm sich vor, seine Strafe ohne Tränen entgegenzunehmen, selbst wenn er vom Gut weggeschickt wurde.

Auf Julius’ Ruf hin wurde das Tor geöffnet, und er marschierte mit Octavian direkt zum Pferdestall. Einige Pferde waren verkauft worden, als Tubruk das Lösegeld hatte aufbringen müssen, doch die besten Zuchttiere hatte der Verwalter behalten, um den Bestand wieder aufzufüllen.

Als Julius in den angenehm warmen Atem des dunklen Stalls trat, ging gerade die Sonne auf. Er zögerte, als die Pferde die Köpfe drehten, um ihn zu begrüßen, und mit ihren weichen Nüstern die Luft einsogen. Ohne ein Wort der Erklärung ging er auf einen jungen Hengst zu, den Tubruk großgezogen und trainiert hatte, und strich ihm mit der Hand über die kräftige, braune Schulter.

Octavian sah verwundert zu, wie Julius ihm Zügel anlegte, von dem Gestell an der Stallwand einen Sattel auswählte und das leise wiehernde Pferd schweigend in die Morgensonne hinausführte.

»Warum reitest du nicht öfter mit deinem Pony aus?«, fragte er dann.

Octavian starrte ihn völlig verdutzt an.

»Es ist zu langsam«, antwortete er und tätschelte dabei dem großen Hengst gedankenverloren den Hals. Das riesige Tier ragte hoch über ihm auf, scheute aber nicht vor der Berührung zurück und legte auch nichts von den Launen an den Tag, die den Stallburschen des Gutes so viel Verdruss bereiteten.

»Du weißt doch, dass du mit mir verwandt bist, nicht wahr?«, fragte Julius.

»Ja. Meine Mutter hat es mir gesagt«, antwortete der Junge.

Julius überlegte einen Augenblick. Sein eigener Vater hätte wahrscheinlich den Stock hervorgeholt, wenn er seinen Sohn oder Brutus dabei erwischt hätte, wie sie mit seinem besten Hengst durch den Wald galoppierten, doch er wollte sich seine zuversichtliche Stimmung nicht verderben. Schließlich hatte er Alexandria ein Versprechen abgegeben.

»Dann komm, Vetter. Sehen wir doch mal, ob du so gut bist, wie du denkst.«

Octavians Miene hellte sich auf, als er sah, wie Julius beide Pferde vor das Tor führte. Auf dem Hof sah er zu, wie der Junge auf den Rücken seines Hengstes sprang, und stieg mit etwas bedächtigeren Bewegungen selbst in den Sattel, stieß dann jedoch ein lautes Kriegsgeheul aus und jagte sein Pferd im Galopp den Hügel hinauf.

Octavian sah ihm mit offenem Mund nach, dann stahl sich ein Lächeln über sein Gesicht, und er grub seinem Pferd die Fersen in die Flanken. Mit einem Antwortjauchzen sauste er mit im Wind flatternden Haaren hinterher.

Als Julius ins Haus zurückkam, sehnte sich Cornelia unbändig danach, ihn zu umarmen. Rot im Gesicht vom Reiten und das Haar voller Staub, sah er so jung und lebendig aus, dass es ihr fast das Herz brach. Sie wollte, dass er sie anlächelte, wollte seine kräftigen Arme spüren, wenn er sie festhielt, doch stattdessen merkte sie, dass sie ihn wütend anfuhr, wie die Verbitterung unkontrolliert aus ihr hervorbrach, obwohl sie eigentlich viel zärtlichere Worte hatte sagen wollen, Worte, die ihr einfach nicht einfallen wollten.

»Wie lange soll ich hier noch als Gefangene leben?«, fragte sie. »Du hast deine Freiheit, aber ich kann weder essen noch irgendwo hingehen, ohne dass mir ein Trupp von deiner elenden Primigenia im Nacken sitzt!«

»Sie sind hier, um dich zu beschützen!«, erwiderte Julius, schockiert von ihrer Heftigkeit.

Cornelia funkelte ihren Ehemann an. »Wie lange noch, Julius? Du weißt besser als jeder andere, dass es noch Jahre dauern kann, bis deine Feinde keine Gefahr mehr für uns darstellen. Willst du mich für den Rest meines Lebens gefangen halten? Was soll aus deiner Tochter werden? Willst du, dass sie ganz allein aufwächst? Diese Soldaten haben sogar Freunde meines Vaters durchsucht, wenn sie zu Besuch kamen. Die kommen ganz bestimmt nicht wieder.«

»Ich habe gearbeitet, Cornelia, das weißt du doch. Ich sorge dafür, dass ich mehr Zeit für sie habe, das verspreche ich. Vielleicht war die Primigenia übervorsichtig«, gab Julius zu, »aber ich habe sie angewiesen, euch vor allen Gefahren zu schützen, bis ich die Bedrohung durch die Attentäter aus dem Weg geräumt habe.«

Zu seiner Verwunderung entfuhr Cornelia ein Fluch.

»Und das alles nur wegen dem, was Pompeius’ Tochter passiert ist! Ist dir schon einmal der Gedanke gekommen, dass vielleicht überhaupt keine Gefahr besteht? Nach allem, was wir mit Sicherheit wissen, wurde Pompeius wegen etwas heimgesucht, das überhaupt nichts mit dem Senat zu tun hatte. Trotzdem ist es mir deshalb verboten, auch nur zu kurzen Besuchen in die Stadt zu gehen, um diese Monotonie zu unterbrechen. Das ist unerträglich, Julius. Ich halte es nicht mehr aus.«

Sie konnte ihre Worte nicht zurückhalten, obwohl sie sich vor Bestürzung wand. So hatte sie es nicht gewollt. Er musste ihre Liebe doch sehen… aber er entzog sich ihr.

Julius sah sie mit versteinernden Zügen an.

»Soll ich meine Familie einem Angriff schutzlos ausliefern? Das kann ich nicht. Nein, das werde ich auch nicht tun. Ich bin ja schon dabei, gegen meine Feinde vorzugehen. Ich habe Antonidus in Anwesenheit von Cato und seinen Anhängern gebrochen. Sie wissen jetzt, dass ich ihnen gefährlich werden kann, und das erhöht das Risiko für euch um ein Vielfaches. Selbst wenn es ihre Mörder nur auf mich abgesehen haben, könnten sie dabei auf euch stoßen.«