Das Land war früher einmal wild und unzivilisiert gewesen, doch jetzt zogen sich die breiten Steinplatten der Via Flaminia durch die Berge, und alle zwanzig Meilen fanden sich bemannte Wachstationen. Oft waren rings um diese Stationen Dörfer entstanden, in denen sich die Menschen im schützenden Schatten Roms angesiedelt hatten. Viele von ihnen fanden Arbeit bei der Instandhaltung der Straße, und Julius hatte ab und zu unterwegs kleine Gruppen von Arbeitern gesehen, die mit stumpfer Gleichgültigkeit gegenüber allem außer der Unterbrechung ihrer Arbeit am Straßenrand warteten.
Dann wieder kam das Heer an Kaufleuten vorüber, die zum Verlassen der Straße gezwungen waren und die Soldaten mit einer Mischung aus Wut und Ehrfurcht musterten. Sie konnten nicht nach Rom weiterziehen, solange die Marschkolonne ihnen den Weg versperrte, und diejenigen, die verderbliche Ware transportierten, setzten finstere Mienen auf und berechneten im Stillen bereits den Verlust, der ihnen entstehen würde. Die Legionäre ignorierten sie. Sie hatten die Handelsadern mit ihrer Hände und Rücken Arbeit gebaut und hatten Vorrang darauf.
Julius wünschte sich, Tubruk wäre bei ihm. Vor langer Zeit war er auf dem gleichen Weg durch die Berge gekommen, hatte zuvor die ausgedehnten Ebenen durchquert, auf denen Crassus die Sklavenarmee bald zum Kampf zu stellen hoffte. Der Gutsverwalter hatte nicht an einem weiteren Feldzug teilnehmen wollen, selbst wenn Julius ihn von der Aufgabe, sich um Cornelias Sicherheit zu kümmern, hätte entbinden können.
Seine Lippen pressten sich unbewusst aufeinander, als er an den Abschied dachte. Er war bitter gewesen, und obwohl er nur ungern losgezogen war, während der Zorn noch frisch zwischen ihm und Cornelia stand, konnte er es nicht hinauszögern, sich der Primigenia anzuschließen, die inmitten der Heerscharen auf dem Campus Martius zum Marsch nach Norden bereitstand.
Immer noch waren die Erinnerungen daran, wie er die Stadt das letzte Mal verlassen hatte, schmerzhaft lebendig in ihm. Am Horizont hinter ihm hatte Rom in Flammen gestanden, und Sullas Männer hatten die Überreste der Primigenia zur Strecke gebracht. Julius verzog im Marschieren das Gesicht. Die Legion lebte weiter, während Sullas vergifteter Leib längst zu Asche zerfallen war.
Die Verhandlung hatte dazu beigetragen, Marius’ Namen in der Stadt reinzuwaschen, aber Julius wusste, dass er, solange Sullas Freunde am Leben waren und ihre gehässigen Spielchen im Senat spielten, nicht das Rom erschaffen konnte, das Marius sich gewünscht hatte. Cato hockte sicher in der Stadt, während seine größten Gegenspieler im Krieg waren, aber sobald sie zurückkehrten, würde sich Julius mit Pompeius verbünden, um dieser fetten Made endgültig den Garaus zu machen. Der Feldherr verstand diese Notwendigkeit besser als die meisten anderen. Einen Augenblick dachte Julius an das Schicksal von Catos Sohn. Es wäre ein Leichtes, ihn so lange bei jedem Angriff in die vordersten Reihen zu stellen, bis er gefallen war, doch das wäre ein feiger und hinterhältiger Sieg über Cato. Er schwor sich, dass Germinius, sollte er fallen, den Tod finden würde wie jeder andere Soldat, so wie das Schicksal es ihm bestimmt hatte. Die Tochter des Pompeius hatte man mit einer Tonmünze in der erschlafften Hand gefunden, auf der Sullas Name stand, aber Julius wollte nicht so tief sinken und Unschuldige ermorden, auch wenn er hoffte, dass Cato vor Angst um seinen Sohn verging. Sollte er nur schlecht schlafen, während sie für Rom kämpften.
Jetzt jedoch lagen die langen, entbehrungsreichen Monate des Feldzuges vor ihnen. Julius wusste, dass er von Glück sagen durfte, wenn er die Mauern der Stadt vor Jahresfrist wiedersah. Er würde sich gedulden. Nur eine Armee konnte sein Anwesen einnehmen, außerdem war Cornelias Vater Cinna in Rom geblieben und konnte dort Cato im Senat die Stirn bieten. Sie hatten eine sehr private Allianz geschmiedet, und Julius wusste, dass es mit der Stärke des Pompeius und dem Reichtum des Crassus kaum etwas gab, das sie nicht erreichen konnten.
Als Julius durch den Pass hindurch und hinaus ins verblassende Tageslicht marschierte, bliesen die Hörner zum Halten. Er sah, wie sich die Via Flaminia bis in ein tiefes Tal hinunterwand, bevor sie sich in der Ferne wieder zu einem dunklen Berggipfel emporschlängelte, der angeblich der letzte Anstieg vor Ariminum war. Er wünschte, Brutus wäre an seiner Seite und könnte das sehen, oder Cabera, der noch weiter hinten in den Reihen der Hilfstruppen marschierte. Julius’ eigener Rang als Tribun hatte ihm erlaubt, beinahe ganz vorne Aufstellung zu nehmen, doch ein Marsch in Schlachtordnung war nicht der geeignete Ort, um sich mit seinen Freunden angenehm die Zeit zu vertreiben.
Im Licht der untergehenden Sonne machten sich die ersten Wachen bereit, wobei sie, wie es die Tradition forderte, ihre Schilde bei den Einheiten zurückließen. Zehntausend Soldaten aßen in aller Eile und legten sich in der Miniaturstadt, die sie geschaffen hatten, zum Schlaf. In der Nacht wurden sie reihum geweckt, um Wache zu stehen, und die abgelösten Posten nahmen nach der kalten Bergluft dankbar die noch warmen Schlafstellen ein.
Julius stand in der Dunkelheit auf seinem Posten und blickte über den aufgeworfenen Erdwall auf das raue Land dahinter. Er übernahm ein quadratisches Stück Holz aus der Hand eines Zenturios und prägte sich die dort eingeritzte Parole ein. Dann wurde er, das stille Lager im Rücken, in der Finsternis allein gelassen. Mit einem sarkastischen Grinsen quittierte er die Erkenntnis, weshalb die Wachen keine Schilde tragen durften: Es war zu verlockend, die Arme auf den oberen Rand zu stützen, den Kopf auf die Arme zu legen und wegzudösen. Er blieb wach und aufmerksam und fragte sich, wie lange es wohl her war, dass man einen Wachtposten schlafend angetroffen hatte. Die Strafe dafür war, von seinen eigenen Zeltgenossen totgeprügelt zu werden, was auch den müdesten Soldaten davon abhielt, die Augen zu schließen.
Die Wache verlief ohne besondere Zwischenfälle, bis Julius sie an einen Zeltgefährten übergab und sich den Schlaf möglichst rasch herbeiwünschte. Die Probleme mit Cornelia und Cato kamen ihm weit entfernt vor, als er mit geschlossenen Augen dalag und dem Schnarchen der Männer rings um ihn lauschte. Man konnte sich nur allzu leicht vorstellen, dass es auf der ganzen Welt keine Streitmacht gab, die der geballten Kampfkraft, die Crassus nach Norden geführt hatte, ernsthafte Probleme bereiten konnte. Kurz bevor er einschlief, dachte Julius an die Hoffnung, dass er und Brutus in dem bevorstehenden Blutvergießen die Möglichkeit haben würden, den Namen der Primigenia zu einem leuchtenden Vorbild werden zu lassen.
Octavian gellte dem Schwarm seiner Gegner einen schrillen Angriffsschrei entgegen. Sie hatten noch nicht bemerkt, dass er ein geborener Kämpfer war, und mit jedem Hieb streckte er einen von ihnen sterbend und nach seiner Mutter wimmernd zu Boden. Mit einem Satz war er bei ihrem Anführer, der in seiner fiebrigen Phantasie eine starke Ähnlichkeit mit dem Lehrling des Metzgers hatte, um ihn mit dem Speer zu durchbohren. Der feindliche Soldat brach röchelnd zusammen und winkte Octavian zu seinem blutverschmierten Mund heran, damit er seine letzten Worte vernahm.