Er hielt einen Augenblick inne, doch die versammelten Feldherren sahen ihn nur schweigend an. Einer oder zwei von ihnen blickten zu Crassus hinüber und fragten sich zweifellos, wer nun vom Senat beauftragt worden war, das Kommando zu führen, doch Pompeius’ Kollege saß entspannt auf seinem Stuhl und nickte nur zustimmend, während Pompeius einen Punkt nach dem anderen herunterrasselte.
»Eure Befehle lauten folgendermaßen: Ihr marschiert auf der Straße durch die Ebene in Richtung Westen, bis ich das Signal gebe, nach Norden zu schwenken. Das ist insgesamt ein längerer Weg, aber auf der Straße kommen wir rascher voran als querfeldein. Ich will dreißig Meilen am Tag, dann zwanzig, dann wieder dreißig.«
»Wie lange?«, unterbrach ihn Lepidus.
Pompeius erstarrte und verlieh seinem Verdruss durch Schweigen Ausdruck.
»Nach unseren besten Schätzungen fünfhundert Meilen nach Westen und dann weiter nach Norden, wie weit, lässt sich von hier aus ohne genauere Angaben zum Aufenthaltsort des Feindes nicht bestimmen. Es hängt selbstverständlich davon ab, wie nahe sie an die Berge herankommen. Ich erwarte…«
»Das ist nicht zu schaffen«, verkündete Lepidus kategorisch.
Pompeius hielt abermals inne. Dann erhob er sich und blickte auf den Unterfeldherrn herab.
»Ich sage dir, was geschehen wird, Lepidus. Wenn deine Legion unter meinem Kommando nicht so schnell marschiert wie die anderen, dann degradiere ich dich von deinem Rang und gebe ihn jemandem, der sie zum Marschieren bringen kann.«
Lepidus stotterte empört. Julius fragte sich, ob man ihm wohl erzählt hatte, wie dicht er davor gestanden hatte, den Befehl über sämtliche Legionen zu erhalten. Nur wenige Stimmen im Senat hatten gefehlt, dann wären die Positionen zwischen ihm und Pompeius jetzt vertauscht gewesen. Er musterte Lepidus genauer und vermutete, dass dieser sehr wohl über die Abstimmung informiert war. Zweifellos hatte Cato es ihm mitgeteilt, als die Truppen sich auf dem Campus Martius aufgestellt hatten, in der Hoffnung, damit den Grundstein für zukünftige Streitigkeiten zu legen.
»Meine Männer haben schon jetzt dreihundert Meilen in enormem Tempo zurückgelegt, Pompeius. Das können sie auch wieder tun, aber zunächst müssten sie sich zwei Wochen ausruhen, und auch dann sind nicht mehr als zwanzig, höchstens fünfundzwanzig Meilen am Tag möglich. Jede Meile mehr kostet uns Soldaten.«
»Dann kostet es eben Soldaten!«, blaffte Pompeius zurück. »Jeden Tag, den wir länger in Ariminum warten, bringt diesen Spartacus den Bergen und der Freiheit in Gallien näher. Ich bleibe keinen Tag länger hier, als es unbedingt notwendig ist, um Proviant aufzuladen. Wenn wir am Ende ein paar Dutzend Hinkebeine und verstauchte Knöchel haben, dann ist es den Preis wert. Selbst ein paar Hundert sind gerechtfertigt, wenn es den Ausschlag gibt, ob wir sie noch erwischen oder sie mit dem Blut abgeschlachteter römischer Bürger an den Händen entkommen sehen. Neuntausend Tote in Mutina!« Die Stimme des Pompeius war immer lauter geworden, bis er Lepidus schließlich mit vorgebeugtem Oberkörper anschrie. Dieser sah ihn mit aufreizender Ruhe an.
»Wer hat hier eigentlich das Kommando?«, erkundigte sich Lepidus und vollführte eine Handbewegung in Richtung Crassus. »Man hat mir zu verstehen gegeben, Crassus habe im Senat über mich obsiegt. Ich erkenne dieses ›Stellvertreter‹-Getue nicht an. Ist das überhaupt legal?«
Den anderen Legaten entging die Tatsache keineswegs, dass Lepidus der Anführer hätte sein können, ebenso wenig wie Julius. Wie Katzen beobachteten sie die Sprecher und warteten mit sorgsam verborgenen Krallen auf den Ausgang der Debatte. Jetzt erhob sich Crassus, um neben Pompeius zu treten.
»Pompeius spricht mit meiner Stimme, Lepidus, und das ist die Stimme des Senats. Was du auch gehört haben magst, du solltest dir darüber im Klaren sein, dass es dir nicht zusteht, deinen Befehlshaber anzuzweifeln.«
Pompeius’ Gesicht war verkrampft vor Zorn.
»Ich sage dir, Lepidus, beim geringsten Fehler deinerseits wirst du deines Ranges enthoben. Stellst du noch einmal einen meiner Befehle in Frage, lasse ich dich töten und an den Straßenrand werfen. Verstanden?«
»Absolut«, erwiderte Lepidus, allem Anschein nach zufrieden gestellt.
Julius überlegte, was er sich wohl von diesem Schlagabtausch versprochen hatte. Hoffte der Legat, Crassus zu untergraben? Julius wusste, dass er unter einem solchen Mann nicht dienen konnte, gleichgültig, auf welche Weise er versuchte, sich Autorität zu verschaffen. Die Drohung, die Pompeius ausgestoßen hatte, war gefährlich. Wenn die Soldaten von Lepidus’ Legion ihrem Feldherrn ebenso loyal ergeben waren, wie Julius es bei der Primigenia und Marius gesehen hatte, dann war Pompeius ein Risiko eingegangen. An Pompeius’ Stelle hätte Julius es für besser gehalten, Lepidus auf der Stelle töten zu lassen und seine Legion in Schande nach Rom zurückzuschicken. Der Verlust der Männer war leichter zu verschmerzen, als mit Soldaten zu marschieren, die ihnen eventuell in den Rücken fielen.
»Wir brechen in zwei Tagen auf, im Morgengrauen«, sagte Pompeius. »Ich habe bereits meine Spione ausschwärmen lassen. Sie haben Befehl, sich der Hauptstreitmacht anzuschließen, sobald wir nahe genug herangekommen sind. Die Kampftaktik wird entschieden, sobald uns genauere Informationen vorliegen. Ihr seid entlassen. Tribun Cäsar, ich möchte mit dir reden, wenn du noch einen Moment bleiben könntest.«
Lepidus erhob sich mit den anderen Legaten und fing mit zwei von ihnen eine Unterhaltung an, als sie langsam aus dem Raum schritten. Bevor ihre Stimmen verklangen, hörte Julius ihn über eine geistreiche Bemerkung lachen, und er sah, wie Pompeius gereizt mitten in der Bewegung erstarrte.
»Dieser Bursche ist Catos verlängerter Arm«, sagte Pompeius zu Crassus. »Wir können uns darauf verlassen, dass er sich zu allem, was wir tun, Notizen macht, damit er ihm Bericht erstatten kann, sobald wir wieder in Rom sind.«
Crassus zuckte die Achseln. »Dann schick ihn zurück. Ich versehe die Entscheidung mit meinem Siegel, und wir schlagen die Aufständischen mit sieben Legionen ebenso leicht wie mit acht.«
Pompeius schüttelte den Kopf. »Vielleicht. Aber es gibt noch andere Berichte, die ich nicht erwähnt habe. Julius, das hier muss unter uns bleiben, verstanden? Es besteht keine Veranlassung, die Gerüchte vor morgen im Lager umgehen zu lassen, und genau das wäre geschehen, wenn ich es den anderen mitgeteilt hätte, besonders Lepidus. Die Sklavenarmee ist erschreckend angewachsen. Mir liegen Meldungen vor, die von fünfzigtausend Mann sprechen. Hunderte von Höfen und Gütern sind geplündert worden. Sie können jetzt nicht mehr zurück, und das macht sie zu entschlossenen Kämpfern. Sie kennen die Strafe für entflohene Sklaven, und dieser Aufstand lässt sich nur mit einer gewaltigen Machtdemonstration beenden. Ich glaube, wir werden jede Legion brauchen, die wir haben.«
Julius stieß einen leisen Pfiff aus. »Wir können uns also nicht darauf verlassen, dass wir sie vernichtend schlagen«, sagte er.
Pompeius verzog das Gesicht. »Nein, es sieht nicht so aus. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass sie bei unserem ersten Angriff Hals über Kopf davonlaufen, aber man muss bedenken, dass sie Frauen und Kinder bei sich haben, und dass sie nirgendwo hinkönnen, wenn sie verlieren. Diese Gladiatoren haben inzwischen mehr als einen Sieg für sich verbuchen können, das heißt, es handelt sich um mehr als nur einen bunt zusammengewürfelten Haufen.« Er schnaubte leise. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich mich fragen, ob Cato vielleicht sogar darauf hofft, dass wir verlieren… aber nein, das wäre sogar für ihn zu vermessen. Sie könnten sich immer noch nach Süden wenden, und ab Ariminum liegt das Land offen da. Sie müssen vernichtet werden, und um das zu bewerkstelligen, brauche ich gute Anführer, Julius.«