Während sich die Reihen schlossen, ging Julius zu Crassus zurück. Auch Pompeius kam näher. Beide Feldherren betrachteten Julius mit zurückhaltendem Interesse.
»Du hast… sehr gut zu ihnen gesprochen, Julius«, sagte Pompeius. Er schüttelte kaum merklich den Kopf und sah zu, wie die Primigenia in den dezimierten Reihen aufgenommen wurde. Er hatte gedacht, Julius würde sich seinem Befehl widersetzen, um den Namen der Primigenia zu bewahren, und er hatte sich bereits innerlich darauf vorbereitet, seinen Entschluss mit Nachdruck durchzusetzen. Die Leichtigkeit, mit der der junge Kommandeur die Neuigkeit aufgenommen und zu seinem Vorteil umgesetzt hatte, war eine Überraschung. Zum ersten Mal bekam Crassus eine Vorstellung davon, weshalb der junge Mann in Griechenland gegen Mithridates und davor gegen die Piraten so erfolgreich gewesen war. Er schien stets die richtigen Worte zu finden und dabei zu wissen, dass sie tiefer drangen als jedes Schwert.
»Ich hätte gern etwas mehr Zeit im Lager, bevor wir weiterziehen, Herr. Das gibt mir die Gelegenheit, mit den Männern zu reden, außerdem können sie essen und ein wenig schlafen.«
Pompeius war versucht, ihm die Erlaubnis zu verweigern. Abgesehen von der dringenden Notwendigkeit, die Sklaven zu verfolgen, warnte ihn sein Instinkt davor, es diesem jungen Mann, der die Herzen der Soldaten so direkt ansprechen und sie im Handumdrehen aus ihrem Elend holen konnte, nicht zu leicht zu machen. Doch dann besann er sich eines Besseren. Cäsar dürfte jeden Vorteil brauchen, wenn es ihm gelingen sollte, die Würde der neuen Legion aus der Asche auferstehen zu lassen.
»Du kannst ihnen sagen, dass ich ihnen auf deine Bitte hin zwei zusätzliche Stunden gewähre, Julius. Wir marschieren bei Sonnenaufgang weiter. Haltet euch bereit.«
»Vielen Dank, Herr. Ich kümmere mich um neue Schilde und Rüstungen für die Männer, sobald wir diesem Aufstand ein Ende bereitet haben.«
Pompeius nickte geistesabwesend und gab Crassus ein Zeichen, zu ihrem Kommandozelt zurückzureiten. Julius sah ihnen mit undurchdringlicher Miene nach. Dann wandte er sich an Brutus und bemerkte, dass Cabera neben ihm stand, in dessen Gesicht ein wenig von der gewohnten Lebendigkeit und Aufmerksamkeit zurückgekehrt war. Julius lächelte verkniffen.
»Brutus, lass sie wegtreten und sag ihnen, sie sollen fertig essen. Dann will ich mit so vielen wie möglich sprechen, bevor sie sich schlafen legen. Marius hätte sich ihre Namen eingeprägt, und so will ich es auch halten.«
»Es schmerzt, dass es die Primigenia nicht mehr gibt«, murmelte Brutus.
Julius schüttelte den Kopf.
»Das stimmt nicht. Ihr Name bleibt auf den Heeresrollen erhalten. Dafür sorge ich. Pompeius und Crassus hatten Recht damit, einen neuen Anfang zu machen, auch wenn es wehtut. Jetzt kommt, meine Herren, mischen wir uns unter die Zehnte. Es ist Zeit, sich von der Vergangenheit zu lösen.«
Ariminum lag unter einer Rauchwolke. Die Sklavenarmee war wie ein Heuschreckenschwarm durch die Stadt gezogen und hatte alles Essbare mitgenommen; auch Schafe und Rinder hatten sie eingefangen und trieben die Schlachttiere vor sich her. Während sich die Bürger hinter ihren verbarrikadierten Türen verbargen, war Spartacus mit seiner Armee langsam durch die verlassenen Straßen marschiert, und die Sonne hatte schwache Schatten hinter sie geworfen. Sie hatten die Getreidespeicher und verlassenen Märkte in Brand gesetzt, denn sie wussten, dass ihre Verfolger sich vielleicht damit aufhalten würden, die Feuer zu löschen, bevor sie sich wieder an ihre Fersen hefteten. Da ihnen die Legionen so dicht im Nacken saßen, war jede Stunde kostbar.
Die Wachen vor der Schatzkammer der Stadt waren geflohen, und Spartacus hatte befohlen, das Gold für die Reise nach Süden auf Maultiere zu laden. Es war ein Vermögen, das durch den Handel, den die Stadt trieb, zusammengekommen war, und sobald die Gladiatoren die Kisten voller Gold gesehen hatten, war der Traum von einer Flotte, die sie alle in die Freiheit brachte, in greifbare Nähe gerückt.
Doch die Kais im Hafen waren leer, die Schiffe lagen weiter draußen auf dem Meer, von wo aus ihre Besatzungen zusehen konnten, wie die Sklavenhorden unter aufsteigenden Wolken aus Rauch und Asche die Stadt plünderten. Die Schiffe waren voller schweigender Menschen, die das Treiben beobachteten. Spartacus ging bis zum Rand des Kais und blickte zu ihnen hinüber.
»Sieh nur, wie viel sie aufnehmen können, Krix. Wir haben genug Gold, um für jeden von uns eine Koje zu bezahlen.«
»Diese edlen Kaufleute werden keinen Finger rühren, um uns zu retten«, erwiderte Krixos. »Wir müssen uns auf die Piraten verlassen. Die Götter wissen, dass sie genug Schiffe haben, und wenn sie dabei Rom eins auswischen können, freut es sie umso mehr.«
»Aber wie sollen wir sie verständigen? Wir müssen Reiter in jeden Hafen schicken. Es muss eine Möglichkeit geben, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen.« Spartacus blickte über das Wasser zu den bleichen Flecken der Gesichter hinüber, die sich dort auf den Decks drängten. Es war möglich, sofern es ihnen gelang, mit den Feinden Roms Verbindung aufzunehmen.
Antonidus trat neben ihn und blinzelte mit einem verächtlichen Schnauben über die Wellen.
»Die mutigen Bürger Roms! Verstecken sich vor uns wie kleine Kinder!«, sagte er.
Spartacus zuckte die Achseln. Er war Antonidus’ Gehässigkeit und Verachtung leid. »Mit sechzig oder siebzig Schiffen wie diesen dort draußen können wir den Einflussbereich Roms verlassen. Eine Flotte, gekauft mit ihrem eigenen Gold, scheint mir ein sehr gerechter Gedanke.« Antonidus betrachtete die beiden Gladiatoren mit größerem Interesse. Er war versucht gewesen, sich im Hafen davonzustehlen, seine Rüstung abzulegen und sich unter die Menschenmenge zu mischen, die sich bestimmt versammelte, sobald die Sklaven fort waren. Dann hatte er das Gold gesehen, das sie aus der Schatzkammer geholt hatten. Es war genug, dass er sich damit ein Landgut in Spanien kaufen konnte, oder einen riesigen Hof in Afrika. Es gab viele Orte, wo sich ein einzelner Mann verstecken konnte, jedoch keine Armee. Wenn er blieb, könnte ihm ihr Vertrauen zu der Möglichkeit verhelfen, die er brauchte. Würde Pompeius ihm verzeihen, wenn er ihm den Kopf des Spartacus brachte? Antonidus runzelte die Stirn. Nein, er hatte schon einmal vor einem römischen Gericht gestanden, das war genug. Es war besser, sich irgendwohin zurückzuziehen, wo er noch einmal von vorne anfangen konnte.
Spartacus drehte sich um, wandte dem Meer den Rücken zu.
»Wir schicken ortskundige Männer in jeden Hafen und geben ihnen ein paar Münzen mit, die ihre Versprechen belegen können. Sprich mit ihnen, Krixos. Jemand muss wissen, wie wir die Piraten erreichen können. Teile ihnen unseren Plan mit. Das wird ihre Stimmung auf dem Marsch nach Süden bessern.«
»Dann ziehen wir also nach Süden, gegen Rom?«, fragte Antonidus scharf.
Die Züge des Gladiators verzerrten sich in jähem, schrecklichem Zorn, und Antonidus wich einen Schritt zurück, als Spartacus antwortete.
»Wir hätten uns niemals von den Bergen abwenden sollen, aber jetzt müssen wir dafür sorgen, dass uns die Legionen nicht einholen. Wir lassen diese Hunde so lange hinter uns herlaufen, bis sie zusammenbrechen. Vergesst nicht, dass wir diejenigen sind, die ihre Felder bestellen und jede helle Stunde für ihren Wohlstand arbeiten. Das hat uns stark gemacht. Wollen wir doch mal sehen, in welcher Verfassung sie sind, wenn wir in Sichtweite ihrer geliebten Stadt kommen.«
Beim Sprechen blickte er nach Westen in die Sonne, und seine Augen nahmen einen goldenen Schimmer an, als er an die Legionen dachte, die sie verfolgten. Seine Miene war verbittert, und Antonidus musste den Blick abwenden.
40
Als der Mond aufging, stand Alexandria auf der Mauer über der großen Stadt Rom. Der Regen trommelte auf die Steine. In der ganzen Stadt waren Fackeln angezündet worden, die fauchten und zischten und den Verteidigern nur wenig Licht spendeten. Beim Ruf der Alarmhörner waren sie alle zusammengelaufen, hatten Werkzeuge und Messer gepackt, um die Mauern gegen die schweigenden Massen zu verteidigen, die in der Dunkelheit vorübermarschierten und den Campus Martius in einen schlammigen Acker verwandelten.