»Ganz recht«, erwiderte Pompeius scharf. »Nimm diese Bedrohung nicht auf die leichte Schulter, Crassus. Wir brauchen die zusätzlichen Legionen, die ich holen werde. Lass dich auf keinen Kampf ein, bevor du meine Fahnen siehst. Mir wäre es lieber, dich zurückweichen zu sehen, als dass du aufgerieben wirst, ehe ich zurückkomme.«
»Na schön«, antwortete Crassus. Es traf ihn hart, dass seine Fähigkeiten so beiläufig abgetan wurden. Falls Spartacus während Pompeius’ Abwesenheit angriff, würde er die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und den Ruhm selbst ernten. »Ich weiß, dass du so rasch wie möglich zu uns stoßen wirst«, fügte er hinzu.
Pompeius sank ein wenig in sich zusammen und stützte die Fingerknöchel auf den Tisch.
»Da wäre noch etwas. Ich breche sofort in die Stadt auf, und ich weiß nicht, ob ich es für mich behalten soll, bis wir hier fertig sind, oder nicht.«
»Sag es mir«, sagte Crassus leise.
Die Männer schliefen unruhig in den von der Nässe schweren Lederzelten, auf die der Regen in unregelmäßigem Rhythmus herabrauschte. Es war ein anstrengender Tag gewesen, an dem die Legionen ihr Marschtempo so dicht vor der Stadt noch einmal erhöht hatten. Als der Befehl zum Aufstellen der Zelte gekommen war, hatten die meisten Legionäre nicht einmal mehr die Rüstungen ausgezogen, bevor sie eingeschlafen waren. Diejenigen, die die Gewaltmärsche überstanden hatten, waren härter, als sie es jemals gewesen waren; die Haut spannte sich straff über festen Muskeln. Sie hatten unterwegs Freunde sterben oder mit zuckenden Beinen einfach am Straßenrand zusammenbrechen sehen. Ein paar davon hatten überlebt und sich der Kolonne am Ende wieder angeschlossen, aber viele ihrer Verwundeten waren gestorben, hatten bei jedem Schritt Blut verloren, bis schließlich ihre Herzen versagt hatten und sie dort liegen blieben, wo sie zusammengebrochen waren.
Füße, die geblutet hatten und von einer braunen Kruste überzogen gewesen waren, waren jetzt mit Schwielen bedeckt, die sich weiß von ihren Sandalen abhoben. Gerissene Muskeln waren geheilt und die Legionen auf dem Marsch wieder erstarkt, die Köpfe waren wieder trotzig gereckt. In der dritten Woche hatte Pompeius auf der Via Flaminia ein rascheres Tempo verlangt, das sie, von neuerlichem Jagdfieber gepackt, klaglos eingehalten hatten.
Julius knurrte gereizt, als ihn jemand an der Schulter schüttelte.
»Nachricht von Pompeius, Julius. Wach auf, schnell.«
Julius schreckte auf und schüttelte den Kopf, um den Traum zu vertreiben. Er schaute aus dem Zelt und sah den Boten, der das bronzene Siegel des Pompeius trug. Dann zog er sich rasch an, ließ jedoch seine Rüstung zurück. Kaum war er vor das Zelt getreten, war er auch schon bis auf die Haut durchnässt.
Der Posten vor dem Kommandozelt trat zur Seite, nachdem Julius ihm die Losung des Tages genannt hatte. Sowohl Crassus als auch Pompeius waren anwesend. Er salutierte und war sofort hellwach. In ihren Gesichtern lag etwas Seltsames, etwas, das er noch nie zuvor darin gesehen hatte.
»Setz dich, Julius«, sagte Crassus.
Der Ältere sah ihn beim Reden nicht an, und Julius runzelte ein wenig die Stirn, als er sich auf einer Bank vor dem Tisch niederließ. Geduldig wartete er, und als die beiden Oberbefehlshaber nicht sogleich sprachen, bohrte sich ein Stich der Angst in sein Inneres. Er wischte sich mit einer nervösen Geste den Regen aus dem Gesicht. Pompeius füllte einen Becher mit Wein und schob ihn dem jungen Tribun hin.
»Wir… ich habe schlechte Nachrichten, Julius. Boten aus der Stadt sind eingetroffen«, setzte er mit düsterer Miene an und holte beklommen Luft.
»Es hat einen Anschlag auf dein Gut gegeben. Deine Frau ist getötet worden. Soweit ich weiß…«
Mit einer ungelenken Bewegung erhob sich Julius. »Nein«, sagte er. »Nein, das kann nicht sein.«
»Es tut mir Leid, Julius. Die Nachricht kam mit den letzten Anweisungen aus der Stadt«, sagte Pompeius. Das Entsetzen des jungen Mannes weckte die Erinnerung daran, wie er seine Tochter im Garten gefunden hatte. Er reichte Julius das Pergament und sah schweigend zu, wie dieser es durchlas und mit verschwimmenden Augen immer wieder von vorne anfing. Julius atmete stoßweise, und seine Hände zitterten so sehr, dass er die Worte kaum lesen konnte.
»Gütige Götter, nein«, flüsterte er. »Hier steht ja kaum etwas. Was ist mit Tubruk? Mit Octavian? Meine Tochter wird mit keinem Wort erwähnt. Es sind lediglich ein paar Worte. Cornelia…« Er konnte den Satz nicht beenden, senkte den Kopf in stummer Verzweiflung.
»Es ist eine offizielle Nachricht, Julius«, sagte Pompeius. »Es kann sein, dass sie noch am Leben sind. Bestimmt treffen bald weitere Briefe ein.« Er unterbrach sich einen Augenblick und überlegte. »Da wir so nah vor der Stadt stehen, hätte ich vollstes Verständnis dafür, wenn du kurz Urlaub nehmen und daheim nach dem Rechten sehen möchtest.«
Julius schien ihn nicht zu hören. Crassus ging zu dem jungen Mann hinüber, der in seinem Leben schon so viel Kummer erfahren hatte.
»Wenn du zu deinem Anwesen reiten möchtest, stelle ich dir die erforderlichen Papiere aus. Hörst du mich?«
Julius hob den Kopf, und beide Männer zogen es vor, zur Seite zu blicken, anstatt seinen Schmerz mit anzusehen.
»Ich bitte um die Erlaubnis, die Zehnte mitzunehmen«, sagte Julius zitternd.
»Das kann ich nicht erlauben, Julius«, antwortete Pompeius. »Selbst wenn wir sie erübrigen könnten, kann ich dir nicht eine Legion geben, um sie gegen deine privaten Feinde einzusetzen.«
»Dann nur fünfzig. Nur zehn«, brachte Julius mit brechender Stimme hervor.
Pompeius schüttelte den Kopf. »Ich reite selbst in die Stadt, Julius. Der Gerechtigkeit wird Genüge getan werden, das schwöre ich dir, aber es muss alles nach dem Gesetz zugehen, für den Frieden der Stadt. Für alles, was Marius immer angestrebt hat. Das ist deine und meine Pflicht.«
Julius wandte sich um, als wollte er das Zelt verlassen, hielt sich jedoch mit immenser Willenskraft zurück. Pompeius legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Wir dürfen die Republik nicht wegwerfen, wenn uns ihre Beschränkungen nicht mehr genehm sind, Julius. Als meine Tochter starb, habe ich mich zum Warten gezwungen. Marius selbst hat gesagt, die Republik sei ein Leben wert, erinnerst du dich?«
»Nicht ihr Leben«, gab Julius zurück. Sein Atem ging unterbrochen von schluchzenden Stößen, die er beim Reden zu beherrschen suchte. »Sie hatte doch nichts damit zu tun.«
Die beiden Feldherren wechselten über seinen Kopf hinweg einen Blick.
»Reite nach Hause, Julius«, sagte Crassus nachsichtig. »Ein Pferd steht für dich bereit. Solange du weg bist, übernimmt Brutus das Kommando über die Zehnte.«
Endlich erhob sich Julius und atmete mehrmals tief durch, um vor Crassus und Pompeius so etwas wie Haltung zu zeigen.
»Ich danke euch«, sagte er und versuchte zu salutieren. Erst jetzt bemerkte er, dass er noch immer die Nachricht in der Hand hielt, und legte sie auf den Tisch, bevor er das Zelt verließ und die Zügel des Pferdes ergriff, das für ihn gesattelt worden war. Am liebsten wäre er sofort aus dem Lager hinausgaloppiert, doch er wendete das Tier auf der Hinterhand und ritt zurück zur Zehnten, die schlafend in ihren Zelten lag. Dort zog er die Eingangsplane von Brutus’ Zelt zurück und weckte seinen Freund, der sofort hellwach war, als er Julius’ Gesicht sah.
»Ich reite nach Rom, Julius. Cornelia ist tot, ich weiß auch nichts Genaueres. Ich… ich verstehe das alles nicht.«
»Oh, Julius… nein«, sagte Brutus. Er zog den Freund an sich und umarmte ihn, und die Berührung ließ die Tränen in einem Schwall aus Julius herausquellen. So standen sie lange beieinander, vom Kummer zusammengeschweißt.
»Marschieren wir mit?«, flüsterte Brutus.
»Pompeius hat es verboten«, antwortete Julius und löste sich endlich von seinem Freund.
»Und wenn schon, Julius. Marschieren wir? Du brauchst es nur zu sagen.«