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»Weiß dein Vater Cinna, dass du hier bist?«, fragte er mit bohrendem Blick und abgehackter Stimme.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht; Sulla hat mich vom Anwesen meines Mannes außerhalb der Stadt herholen lassen. Seit Tagen sitze ich jetzt schon mit meinem Kind hier in diesen Räumen. Außer den Sklaven habe ich niemanden zu Gesicht bekommen.«

Der General runzelte die Stirn, als klinge etwas in ihrer Erklärung nicht glaubwürdig, aber er hielt starr den Blick auf sie gerichtet.

»Warum hat dich Sulla herbefohlen?«

Sie schluckte nervös und wusste sofort, dass er das bemerkt hatte. Was sollte sie ihm sagen? Dass Sulla sie vergewaltigt hatte, während ihre weinende Tochter daneben lag? Vielleicht würde er sie auslachen, oder schlimmer noch, glauben, sie versuche das Ansehen des großen Mannes nach seinem Tod zu beschmutzen. Dann würde er sie wahrscheinlich auf der Stelle töten lassen.

Antonidus sah, dass sie sich vor Sorge und Angst wand, und hätte sie am liebsten geohrfeigt. Sie war schön, so dass es offensichtlich war, weshalb Sulla sie hatte rufen lassen. Dennoch fragte er sich, wie Sulla von einem durch eine Niederkunft immer noch schlaffen Körper hatte erregt werden können.

Er fragte sich, ob ihr Vater vielleicht hinter dem Mord steckte, und fluchte beinahe laut, als ihm klar wurde, dass er noch einen weiteren Namen auf die Liste der Feinde setzen musste. Seine Informanten hatten ihm zwar gesagt, Cinna sei geschäftlich im Norden Italiens unterwegs, aber auch von dort konnte man gedungene Mörder aussenden. Abrupt erhob er sich. Antonidus bildete sich etwas darauf ein, einen Lügner sofort zu erkennen. Aber diese Frau hier war entweder völlig geistlos, oder sie wusste wirklich nichts.

»Unternimm keine lange Reise. Wo finde ich dich, für den Fall, dass ich dich hierher zurückbringen muss?«

Cornelia überlegte einen Moment und versuchte, ihre Erleichterung zu unterdrücken. Er würde sie gehen lassen! Sollte sie ins Stadthaus gehen, oder zurück zu Julius’ Anwesen auf dem Lande?

Wahrscheinlich hielt sich Clodia immer noch dort auf, dachte sie.

»Ich wohne außerhalb der Stadt auf dem Gut, von wo ich hierher geholt worden bin.«

Antonidus nickte geistesabwesend. Seine Gedanken konzentrierten sich bereits auf die vor ihm liegenden Aufgaben.

»Ich bedauere diese Tragödie sehr«, zwang sie sich zu sagen.

»Wer auch immer dafür verantwortlich ist, er wird es teuer bezahlen«, sagte er mit gepresster Stimme. Wieder spürte sie sein Misstrauen. Es war, als strafe er mit seinen forschenden Blicken ihren eigenen Gesichtsausdruck Lügen.

Er blieb noch eine Weile vor ihr stehen, doch dann drehte er sich um und ging wortlos über den marmornen Boden davon. Das Baby wachte auf und fing sofort hungrig an zu quengeln. Allein und ohne eine Amme entblößte Cornelia ihre Brust, um ihre Tochter selbst zu stillen, und sie gab sich alle Mühe, dabei ihre Tränen zurückzuhalten.

7

Verkrampft und steif vor Kälte erwachte Tubruk in der Dunkelheit des Sklavenhauses. Er hörte, dass sich um ihn herum noch andere Körper bewegten, doch in dem Kerker, in dem sie schliefen und für die Reise bereitgehalten wurden, war vom Morgengrauen noch nichts zu sehen.

Von Anfang an, als er und Fercus die Einzelheiten seines Planes ausgearbeitet hatten, hatte er es sich selbst nie zugestanden, auch über sein eigenes Schicksal nachzudenken. Die drohende Folter oder gar der Tod, falls der Anschlag auf Sulla fehlschlug oder er auf der Flucht gefangen genommen würde, schienen ihm eine vergleichsweise geringe Sorge zu sein. Es gab für ihn so viele Möglichkeiten zu scheitern, dass er den Gedanken an die eine Nacht und den einen Tag, die er eventuell als Sklave zubringen musste, verdrängt, ja sogar beinahe vergessen hatte.

Er sah sich um und machte in der Dunkelheit einzelne Augenpaare aus. Das Gewicht der eisernen Handschellen wurde ihm bewusst. Sie fesselten seine Hände an eine feingliedrige Kette, die bei der kleinsten Bewegung rasselte. Er versuchte, nicht daran zu denken, wie es gewesen war, das erste Mal als Sklave in Ketten zu liegen. Doch die Erinnerungen an die Nächte, Tage und Jahre drängten sich in seine Gedanken und wurden so übermächtig, dass er beinahe laut aufgeschrieen hätte. Einige der angeketteten Männer weinten leise. Noch nie in seinem Leben hatte Tubruk traurigere Klagelaute gehört.

Vielleicht hatte man sie aus fremden Ländern hierher verschleppt, oder sie wurden für eine Straftat, oder weil sie sich verschuldet hatten, mit der Sklaverei bestraft. Es gab viele Möglichkeiten, so zu enden, die schlimmste von allen jedoch war, in die Sklaverei geboren zu werden. Als Kind rannte man noch in aller Unschuld umher und spielte, bis man alt genug wurde, um zu begreifen, dass es keine Zukunft gab, außer der, verkauft zu werden.

Tubruk atmete den Stallgeruch ein. Öl und Stroh, Schweiß und Leder. Saubere menschliche Tiere, die nichts besaßen und jemand anderem gehörten. Trotz des Gewichts der Ketten richtete er sich auf. Die anderen Sklaven hielten ihn für einen der ihren, für jemanden, der schwere Schuld auf sich geladen hatte, weil er derart von Schlägen gezeichnet war. Aus dem gleichen Grund hielt ihn auch die Wache für einen Unruhestifter. Nur Fercus allein wusste, dass er in Wirklichkeit ein freier Mann war.

Der Gedanke daran war nicht sehr beruhigend. Es genügte nicht, sich in Erinnerung zu rufen, dass er nur eine kurze Reise vom Gut und von der Freiheit entfernt war. Wenn man von jedermann für einen Sklaven gehalten wurde und in der Dunkelheit so angekettet war, dass selbst das Aufstehen unmöglich war, wo ist da die kostbare Freiheit? Wenn ein freier Mann mit Sklaven zusammen an einer Kette hing, dann war auch er ein Sklave. Tubruk fühlte die alte namenlose Angst in sich aufsteigen, die er vor Jahrzehnten in demselben Raum schon einmal gespürt hatte. Essen, schlafen, aufstehen und sterben – und das alles nach Lust und Laune eines anderen. Er war dahin zurückgekehrt, und all die Jahre, in denen er stolz darauf gewesen war, seinen Weg zurück in die Freiheit gefunden zu haben, schienen mit einem Wimpernschlag nurmehr Schall und Rauch.

»Sie ist ein so zerbrechliches Gut«, sagte er leise, nur um seine eigene Stimme zu hören. Der Mann neben ihm erwachte stöhnend und riss Tubruk fast um, als er versuchte sich aufzusetzen. Tubruk wandte den Blick ab. Er war dankbar für die Dunkelheit und wollte nicht, dass das Licht durch die weit oben liegenden Fenster hereindrang und ihre Gesichter enthüllte. Die Männer um ihn herum waren für ein kurzes, schweres Leben auf den Feldern bestimmt, wo sie so lange arbeiten würden, bis sie umfielen und nicht mehr aufstehen konnten. Und sie glichen ihm selbst. Vielleicht würden ein oder zwei in diesem Raum wegen ihrer Körperkraft und Schnelligkeit ausgewählt und für den Zirkus ausgebildet werden. So würden sie ihr Leben im Sand der Arena ausbluten, statt als verkrüppelte Wasserträger zu enden oder langsam von einer Krankheit dahingerafft zu werden. Ein paar von ihnen würden vielleicht auch Kinder haben, die man ihnen wegnahm, um sie zu verkaufen, sobald sie alt genug waren.

Trotz Tubruks Wunsch drang langsam das Morgenlicht in ihre Zelle, in der die angeketteten Sklaven still und teilnahmslos verharrten. Nur das leise Klirren der Ketten wies darauf hin, dass die meisten von ihnen inzwischen erwacht waren. Mit dem Licht kam auch das Essen, also warteten sie geduldig weiter.

Tubruk betastete sein Gesicht und zuckte zusammen, als seine Finger über die Schwellungen glitten, die von Fercus’ Schlägen herrührten. Die Wache hatte sehr überrascht ausgesehen, als man Tubruk hereingebracht hatte. Fercus war noch nie grausam gewesen, und der Wachmann wusste, dass Tubruk ihn schon sehr beleidigt haben musste, um ausgerechnet am Vortag seiner Auslieferung an seine neuen Besitzer eine so schwere Tracht Prügel zu beziehen.