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Natürlich waren keine Fragen gestellt worden. Selbst wenn die Sklaven nur ein paar Tage in Fercus’ Haus verbrachten, bis er sie weiterverkauft hatte, so waren sie in dieser Zeit dennoch sein Eigentum, genauso wie der Stuhl, auf dem er saß oder die Kleider, die er trug.

Man gab ihnen Holzschalen mit gekochten Gemüseresten und Brot. Tubruk tauchte gerade die Finger in die Schale, als sich die Tür wieder öffnete und Fercus mit drei Soldaten hereinkam. Tubruk hielt wie die anderen den Kopf gesenkt, weil er nicht riskieren wollte, ihre Blicke auf sich zu ziehen. Ein plötzliches Gemurmel war zu hören, doch Tubruk schwieg beharrlich. Er hatte seinen eigenen Verdacht, warum die Soldaten hier waren, und sein Magen krampfte sich vor innerer Anspannung zusammen. Mittlerweile mussten sie das ganze Küchenpersonal in Sullas Haus verhört haben, und dabei hatten sie sicherlich festgestellt, dass ein gewisser Dalcius fehlte. Fercus hatte zwar damit gerechnet, dass sie beim Verlassen der Stadt noch einmal kontrolliert würden, aber dass sie so gründlich vorgingen und sogar seine Sklavenzellen durchsuchten, noch bevor der Transport überhaupt aufgebrochen war, überraschte ihn doch.

Im grauen Licht des anbrechenden Tages fürchtete Tubruk, sofort entdeckt zu werden, doch die Soldaten gingen ohne Hast zwischen den kauenden Sklaven hindurch. Offensichtlich nahmen sie die ihnen übertragene Aufgabe sehr ernst und wollten sehr gewissenhaft vorgehen. Sollten sie doch, dachte Tubruk verärgert. Wenn sie ihn hier nicht ausfindig machten und man ihn später am Stadttor doch entlarvte, würden sie schwer bestraft werden. Er fragte sich, ob Sulla das Gift mit dem Eis gegessen hatte, doch falls der Senat beschlossen hatte, die Nachricht zurückzuhalten, würde es Tage, wenn nicht sogar Wochen dauern, bevor er es mit Sicherheit wusste. Die Bevölkerung Roms bekam den Diktator ohnehin nur selten zu Gesicht, und wenn, dann nur aus weiter Entfernung über die Köpfe einer Menschenmenge hinweg. Sie würden ihr Leben ahnungslos weiterleben und vielleicht nie von dem Attentat erfahren – sofern Sulla überlebt hatte.

Eine grobe Hand fuhr unter sein langsam mahlendes Kinn und zog seinen Kopf nach oben. Tubruk erblickte einen jungen Legionär mit unbarmherzigen Augen. Er schluckte seinen Bissen hinunter und versuchte eine gleichgültige Miene aufzusetzen.

Der Soldat pfiff leise durch die Zähne. »Der hier hat aber eine ordentliche Abreibung gekriegt«, sagte er leise.

Tubruk blinzelte nervös durch seine geschwollenen Augen.

»Er hat meine Frau beleidigt«, knurrte Fercus. »Ich habe die Bestrafung gleich selbst vorgenommen.«

»Tatsächlich?«, fuhr der Legionär fort.

Tubruk schlug das Herz bis zum Hals. Zu spät fiel ihm ein, dass er dem Mann besser nicht in die Augen sehen sollte.

»Wenn es meine Frau gewesen wäre, hätte ich ihm den Bauch aufgeschlitzt«, sagte der Legionär abfällig und ließ Tubruks Kinn los.

»Aber dann wäre mir mein Gewinn entgangen«, gab Fercus eilig zu bedenken.

Der Offizier schnaubte verächtlich und sagte nur ein einziges Wort. »Händler!«

Er und Fercus gingen weiter zum nächsten Mann und Tubruk aß seine Schüssel leer, die er fest umklammerte, um das erleichterte Zittern seiner Hände zu verbergen. Ein paar Minuten später waren die Soldaten wieder weg, und die Wachen betraten den Raum, um sie mit Fußtritten zum Aufstehen zu bewegen. Dann kettete man sie in den Karren fest, die sie aus Rom heraus zu ihrem neuen Leben und zu ihrem neuen Zuhause bringen würden.

Unter dem Deck der Trireme drückte Julius den Kopf gegen die Gitterstäbe der kleinen Zelle und schloss sein linkes Auge, um genauer zu erkennen, was draußen vor sich ging. Wenn er es offen hielt, sah er immer so verschwommen, dass er bald Kopfschmerzen bekam, und das wollte er jeden Tag aufs Neue so lange wie möglich hinauszögern. Er sog die Luft tief in die Lunge und drehte sich wieder zu den anderen um.

»Das ist ganz sicher ein Hafen. Die Luft ist ganz warm, und ich rieche Früchte oder Gewürze. Ich würde sagen, das ist Afrika.«

Nach einem Monat in dem stickigen, beengten Halbdunkel verursachten diese Worte einige Aufregung unter den Römern, die gegen die hölzernen Wände ihres Kerkers gelehnt dalagen oder -saßen. Er sah sie der Reihe nach an und seufzte, bevor er wieder zu seinem Platz zurückschlurfte. Langsam und vorsichtig ließ er sich nieder, um seinen geschienten Arm nicht unnötig zu belasten.

Es war für sie alle ein sehr harter Monat gewesen. Man hatte ihnen Wasser zum Waschen und Rasiermesser verweigert, so dass sich die normalerweise peinlich sauberen Soldaten mittlerweile in einen zerlumpten, dreckigen und bärtigen Haufen verwandelt hatten. Der Eimer, den man ihnen als Latrine gegeben hatte, war übervoll und von Fliegen umschwirrt. Er stand hinten in einer Ecke, doch der Boden um den Eimer herum war glitschig vor Exkrementen, und sie hatten auch keine Lumpen, um sich abzuwischen. In der Tageshitze roch die Luft nach Krankheit, und zwei der Männer hatten bereits Fieber bekommen, das Cabera kaum in Schach halten konnte.

Der alte Heiler tat für sie, was er konnte. Aber jedes Mal, wenn er ihnen Essen brachte oder ihre Kranken versorgte, wurde er durchsucht. Die Piraten brauchten ihn immer noch für ihre eigenen Kranken und Verletzten. Cabera meinte, es sei offensichtlich, dass sie seit Jahren keinen Heilkundigen mehr an Bord gehabt hatten.

Julius spürte, wie die Kopfschmerzen einsetzten, und unterdrückte ein Stöhnen. Seit er das Bewusstsein wiedererlangt hatte, waren die Schmerzen allgegenwärtig. Sie untergruben seinen Willen und zehrten an seiner Kraft, und sie ließen ihn die anderen unwirsch anfahren. Sie waren alle gereizt, und die Disziplin, die sie einmal gehabt hatten, hatte sich im eintönigen Dunkel Tag um Tag mehr aufgelöst. Gaditicus hatte mehr als einmal dazwischengehen müssen, um eine Schlägerei zu verhindern, weil die Gemüter überhitzt waren.

Wenn er die Augen geschlossen hielt, hielten sich auch die Kopfschmerzen in Grenzen. Doch Cabera hatte gesagt, er müsse das getrübte Auge benutzen und jeden Tag für ein paar Stunden damit abwechselnd in die Nähe und in die Ferne schauen, sonst würde es später, wenn sie erst wieder draußen in der Sonne wären, unbrauchbar bleiben. Er musste einfach fest daran glauben, dass das hier eines Tages zu Ende ging. Dann würde er nach Rom und zu Cornelia zurückkehren und von dem Elend hier nur noch böse Erinnerungen zurückbehalten. Es half schon, sich vorzustellen, wie er in der Sonne an der Hofmauer saß, den Arm um Cornelias schlanke Taille gelegt, dazu die kühle Luft von den Bergen, die an ihrem Haar zauste. Sie würde ihn sicher fragen, wie es ihm in dem Dreck und dem Gestank dieser Zelle hier ergangen sei, und er würde alles herunterspielen. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als sich ihr Gesicht deutlicher in Erinnerung rufen zu können.

Julius hob die Hand und blinzelte sie an, dann sah er ebenso lange auf die verriegelte Tür, und dann wieder umgekehrt, bis die Kopfschmerzen erneut in seiner linken Schläfe pochten. Erschöpft ließ er die schmal gewordene Hand sinken und schloss die Augen. In dem Monat hier unten waren die Rationen gerade groß genug gewesen, um sie am Leben zu erhalten, mehr auch nicht. Was gäbe er jetzt für eine Auster, die ihm die Kehle hinunterglitt! Er wusste, dass es Unsinn war, sich so zu quälen. Aber sein Verstand brachte die leuchtenden Bilder von den Austernschalen so klar und deutlich hervor, als schwebten sie direkt vor ihm – und als seien seine Augen noch so gut wie vor dem Kampf auf der Accipiter.

Er konnte sich an die Geschehnisse dieses Tages überhaupt nicht mehr erinnern. Von einer Sekunde auf die andere war er nicht mehr gesund und stark, sondern krank und gebrechlich, mehr wusste er nicht. In den ersten Tagen, nachdem er das Bewusstsein wiedererlangt hatte, war er von wildem Zorn darüber erfüllt gewesen, was man ihm genommen hatte. Er war so lange auf dem linken Auge blind gewesen, dass er schon nicht mehr daran geglaubt hatte, jemals wieder richtig sehen und ein Schwert gebrauchen zu können.