Pelitas bückte sich, ergriff eine Hand voll von dem feinen Sand und ließ ihn durch die Finger rieseln.
»Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich gehe jetzt schwimmen«, sagte er und riss sich in plötzlicher Hast die verdreckten Kleider vom Leib. Einen Moment später stand nur noch Suetonius an Land, dann wurde auch er von den lachenden und schreienden Offizieren mitsamt seinen Kleidern ins Wasser gezerrt.
Mit dem Dolch häutete Brutus die beiden Hasen ab, die sie einem Bauern abgekauft hatten, und scharrte ihre schleimigen Innereien auf einem Haufen zusammen. Renius hatte ein paar wilde Zwiebeln gefunden, und zusammen mit dem knusprigen Brot und dem halben Schlauch Wein würde das in ihrer letzten Nacht im Freien ein richtiges Festmahl abgeben. Rom war jetzt weniger als eine Tagesreise entfernt, und nachdem sie die Pferde verkauft hatten, hatten sie auch wieder Geld.
Renius ließ ein paar schwere, trockene Holzscheite neben die Feuerstelle fallen, dann legte er sich so nah wie möglich daneben und genoss die Wärme.
»Gib mir den Schlauch mit dem Wein, mein Junge«, sagte er mit weicher Stimme.
Brutus zog den Stöpsel heraus und reichte ihn ihm hinüber. Er sah zu, wie Renius den Weinstrahl auf seinen Mund richtete und schluckte.
»Wenn ich du wäre, würde ich es langsam angehen lassen«, sagte Brutus. »Du verträgst keinen Wein. Ich habe keine Lust, dass du nachher anfängst, mit mir zu streiten, oder zu heulen oder so etwas.«
Renius ignorierte ihn und holte erst wieder Luft, als er den Schlauch absetzte.
»Es tut gut, wieder zu Hause zu sein«, sagte er.
Brutus füllte den kleinen Kochtopf bis an den Rand und legte sich dann auf der anderen Seite des Feuers nieder.
»Allerdings. Bevor der Ausguck die Küste gesichtet hat, habe ich gar nicht gewusst, wie sehr ich es vermisst habe. Erst das hat mir alles wieder in Erinnerung gerufen.«
Bei dem Gedanken daran schüttelte er verwundert den Kopf und rührte mit dem Dolch das Fleisch im Topf um. Renius hob den Kopf und legte ihn in die stützende Hand.
»Du bist nicht mehr der Junge, den ich einmal ausgebildet habe. Du hast dich sehr verändert. Ich glaube, ich habe dir nie gesagt, wie stolz ich war, als du Zenturio in der Bronzefaust geworden bist.«
»Du hast es allen anderen gesagt, so dass es mir letztendlich doch zu Ohren gekommen ist«, erwiderte Brutus lächelnd.
»Und jetzt willst du einer von Julius’ Männern werden?«, fragte Renius und beäugte beiläufig den brodelnden Eintopf.
»Warum nicht? Schließlich gehen wir denselben Weg, oder hast du das vergessen? Cabera hat das gesagt.«
»Ja, das hat er mir auch gesagt«, murmelte Renius und tauchte einen Finger in die Fleischbrühe, um zu kosten. Der Eintopf brodelte wild, aber Renius schien die Hitze gar nicht zu spüren.
»Ich dachte, das sei der Grund, warum du mit mir zurückgekommen bist. Du hättest bei der Faust bleiben können, wenn du gewollt hättest.«
Renius zuckte die Schultern. »Ich wollte lieber wieder mitten im Geschehen sein.«
Brutus grinste den stämmigen Mann an. »Ich weiß. Jetzt, wo Sulla tot ist, ist unsere Stunde gekommen.«
9
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest«, sagte Fercus. Er zerrte an den Stricken, die ihn an den Stuhl fesselten, doch sie gaben nicht nach.
»Ich glaube, du weißt ganz genau, was ich meine«, antwortete Antonidus und beugte sich so nahe zu ihm herüber, dass ihre Stirnen sich beinahe berührten. »Ich besitze die Gabe, eine Lüge zu erkennen, wenn ich eine höre.« Plötzlich schnüffelte er zweimal vernehmlich, was Fercus daran erinnerte, dass man Antonidus auch Sullas Hund nannte.
»Und du stinkst nach Lügen«, sagte Antonidus verächtlich. »Ich weiß, dass du etwas damit zu tun hast. Also erzähl mir einfach alles, dann muss ich die Folterknechte nicht holen. Von hier gibt es kein Entrinnen, Sklavenhändler. Niemand hat gesehen, wie du verhaftet wurdest, und niemand wird jemals erfahren, dass wir uns unterhalten haben. Sag mir einfach, wer den Mord befohlen hat und wo sich der Mörder aufhält, dann kannst du unversehrt nach Hause gehen.«
»Bring mich vor ein ordentliches Gericht. Dann finde ich einen Verteidiger, der meine Unschuld beweist!«, sagte Fercus mit zitternder Stimme.
»Oh, das hättest du wohl gern, was? Tag um Tag mit nutzlosem Gerede vergeuden, mit dem der Senat zu beweisen versucht, dass das Gesetz für alle gilt. Hier unten gibt es kein Gesetz. Hier unten ehren wir immer noch Sullas Andenken.«
»Aber ich weiß doch nichts!«, schrie Fercus verzweifelt, und Antonidus wich zu seiner Erleichterung ein paar Zentimeter zurück.
Der Feldherr schüttelte bedauernd den Kopf.
»Wir wissen, dass sich der Mörder unter dem Namen Dalcius eingeschlichen hat. Wir wissen auch, dass er drei Wochen zuvor zur Küchenarbeit gekauft worden war. Die Kaufurkunde ist natürlich verschwunden, aber es gab Zeugen dafür. Glaubst du im Ernst, niemand hätte Sullas Einkäufer auf dem Markt erkannt? Dein Name wurde dabei immer wieder genannt, Fercus.«
Fercus erbleichte. Er wusste, dass man ihn nicht am Leben lassen und dass er seine Töchter nie mehr wiedersehen würde. Wenigstens waren sie nicht in der Stadt. Als die Soldaten gekommen waren und nach den Unterlagen vom Sklavenmarkt gefragt hatten, hatte er seine Frau weggeschickt. Da wusste er bereits, was passieren würde. Er konnte nicht mit seiner Familie fliehen, wenn er sie vor den Wölfen schützen wollte, die Sullas Freunde ihm auf die Fersen hetzen würden.
Er hatte in Kauf genommen, dass ein geringes Riskio bestehen blieb. Doch nachdem er die Verkaufsunterlagen verbrannt hatte, hatte er geglaubt, dass sie zwischen so vielen tausend anderen Menschen niemals eine Verbindung zu ihm herstellen konnten. Seine Augen füllten sich mit Tränen.
»Überwältigt dich dein schlechtes Gewissen? Oder ärgert es dich nur, dass man dir doch auf die Schliche gekommen ist?«, fragte Antonidus schneidend. Fercus blieb stumm und starrte vor sich auf den Boden. Er glaubte nicht, dass er die Folter durchstehen würde.
Die Männer, die auf Antonidus’ Befehl hereinkamen, waren altgediente Soldaten, die ruhig und gelassen alles ausführten, was man ihnen auftrug.
»Ich will Namen von ihm«, sagte Antonidus zu ihnen. Dann drehte er sich zu Fercus um, hob seinen Kopf an und zwang den anderen ihn anzusehen. »Wenn diese Männer einmal angefangen haben, bedarf es großer Mühe, sie wieder zum Aufhören zu bewegen. Diese Arbeit machen sie nämlich gerne. Hast du noch irgendetwas zu sagen, bevor sie beginnen?«
»Die Republik ist ein Menschenleben wert«, sagte Fercus. Seine Augen leuchteten.
Antonidus lächelte. »Die Republik ist tot, aber ich habe es gern mit Männern mit Prinzipien zu tun. Dann lasst uns sehen, wie lange du den deinen treu bleibst.«
Fercus zuckte zurück, als sich die ersten Metallsplitter in seine Haut pressten. Antonidus sah den beiden Männern eine Weile fasziniert bei der Arbeit zu, dann jedoch wurde er langsam blass und zuckte bei den unterdrückten Würgelauten zusammen, die Fercus von sich gab. Er gab den Männern mit einem Nicken zu verstehen, dass sie ihre Arbeit fortsetzen sollten, dann eilte der General hinaus in die kühle Nachtluft.
Es war schlimmer als alles, was Fercus je erlebt hatte, eine Höllenqual aus Erniedrigung und nackter Todesangst. Er drehte einem der Männer langsam den Kopf zu, und seine rissigen Lippen setzten zum Sprechen an, obwohl seine Augen nur noch verschwommene Umrisse aus Schmerz und Licht ausmachen konnten.
»Wenn ihr Rom liebt, dann lasst mich sterben. Lasst mich schnell sterben.«
Die beiden Männer hielten kurz inne, sahen sich an und fuhren dann mit ihrer Arbeit fort.