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Julius saß mit den anderen im Sand. Sie zitterten vor Kälte, bis die Sonne endlich aufging und sie wärmte. Ihre Kleidung hatten sie im Meerwasser so gut es ging von den schlimmsten Spuren der monatelangen schmutzigen Dunkelheit gereinigt, mussten sie nun aber am Körper trocknen lassen.

Die Sonne stieg rasch über den Horizont, und wortlos wurden sie Zeugen des ersten glorreichen Sonnenaufgangs, den sie erlebten, seit sie zum letzten Mal auf dem Deck der Accipiter gestanden hatten. Das Morgenlicht zeigte ihnen, dass der Strand nur ein schmaler Sandstreifen war, der sich an einer ihnen unbekannten Küste dahinzog. So weit das Auge reichte, wucherte direkt dahinter dichtes Gestrüpp, das nur von einem einzigen breiten Pfad durchbrochen war. Prax hatte ihn gefunden, als sie getrennt voneinander die Gegend erkundeten. Sie hatten keine Ahnung, wo der Kapitän sie hatte absetzen lassen, aber allem Anschein nach lag ihr jetziger Aufenthaltsort nahe bei einem Dorf. Damit die Lösegelder eine regelmäßige und zuverlässige Einnahmequelle für die Piraten blieben, mussten die Geiseln den Weg zurück in die Zivilisation finden. Deshalb wussten die Legionäre, dass die Küste nicht unbewohnt sein konnte. Prax war sicher, dass es sich um die Nordküste von Afrika handelte. Er behauptete, einige der Bäume wiederzuerkennen, und ganz sicher waren die Vögel, die über ihren Köpfen dahinsegelten, keine, die sie von zu Hause kannten.

»Vielleicht sind wir ja in der Nähe einer römischen Siedlung«, hatte Gaditicus gesagt. »Entlang der Küste gibt es Hunderte davon, und wir sind sicher nicht die ersten Gefangenen, die hier ausgesetzt werden. Es sollte also möglich sein, auf einem der Handelsschiffe einen Platz zu bekommen und noch vor Ende des Sommers wieder in Rom zu sein.«

»Ich gehe nicht nach Rom zurück«, hatte Julius leise aber bestimmt gesagt. »Nicht so, ohne Geld und in Lumpen gehüllt. Was ich zu dem Kapitän gesagt habe, war mein voller Ernst.«

»Was bleibt uns denn anderes übrig?«, hatte Gaditicus zweifelnd erwidert. »Selbst wenn du ein Schiff und eine Mannschaft hättest, bräuchtest du Monate, um diesen einen Piraten unter vielen anderen zu suchen.«

»Ich habe gehört, wie ihn einer der Wächter Celsus genannt hat. Selbst wenn das nicht sein richtiger Name ist, so ist es immerhin ein Anfang. Wir kennen sein Schiff, und wir finden bestimmt jemanden, der ihn kennt.«

Gaditicus hob skeptisch die Augenbrauen. »Nun hör mal gut zu, Julius. Ich würde diesen Sauhund genauso gerne wiederfinden wie du, aber es ist einfach unmöglich. Ich hatte nichts dagegen, dass du diesem Dummkopf an Bord die Meinung gesagt hast, aber Tatsache bleibt, dass wir nicht einmal ein einziges Schwert haben, von Geld ganz zu schweigen.«

Julius stand auf und sah dem Zenturio fest in die Augen. »Dann fangen wir eben damit an, dass wir uns Schwerter und Geld beschaffen. Danach besorgen wir uns Männer für eine Mannschaft und zuletzt das Schiff, um ihn zu jagen. Eins nach dem anderen.«

Gaditicus hielt Julius’ Blick stand. Er spürte den Ernst, der dahinter lag.

»Wir?«, fragte er leise.

»Wenn es sein muss, mache ich es auch alleine, dann dauert es eben länger. Wenn wir aber zusammenbleiben, habe ich ein paar gute Ideen, wie wir unser Geld wieder zurückbekommen, so dass wir stolz und erhobenen Hauptes nach Rom zurückkehren können. Ich werde nicht geschlagen nach Hause zurückkriechen.«

»Das ist auch für mich kein angenehmer Gedanke«, erwiderte Gaditicus. »Das Gold, das meine Familie geschickt hat, dürfte sie alle in Armut gestürzt haben. Sie sind bestimmt froh, mich gesund und wohlbehalten wiederzusehen, aber dafür müsste ich tagtäglich mit ansehen, wie sehr sich ihr Leben verändert hat. Wenn du nicht bloß träumst, höre ich mir deine Ideen gerne an. Es kann auf jeden Fall nicht schaden, wenn man darüber redet.«

Julius legte dem älteren Mann die Hand auf die Schulter, bevor er sich zu den anderen umdrehte.

»Und wie sieht es mit euch aus? Wollt ihr wie geprügelte Hunde nach Hause kriechen oder noch ein paar Monate drangeben und das zurückholen, was wir verloren haben?«

»Sie haben bestimmt noch mehr an Bord als nur unser Gold«, sagte Pelitas bedächtig. »Sie können es ja nirgendwo in Sicherheit bringen, also ist wahrscheinlich auch das Legionssilber noch im Laderaum.«

»Das der Legion gehört!«, sagte Gaditicus scharf, mit einem Funken seiner alten Autorität in der Stimme. »Nein, Männer. Ich werde nicht zum Dieb werden. Das Legionssilber ist mit dem Stempel Roms geprägt. Alles, was wir davon noch finden sollten, geht an die Soldaten, weil sie ihren Sold redlich verdient haben.«

Die anderen nickten zustimmend, denn sie wussten, dass dies nur gerecht war.

Nur Suetonius meldete sich ungläubig zu Wort.

»Ihr redet, als läge das Gold hier vor euch und nicht in einem weit entfernten Schiff, das wir nie wiedersehen werden, weil wir vorher Gott weiß wo verhungern!«

»Du hast Recht!«, sagte Julius. »Wir sollten lieber sofort diesem Pfad folgen. Für einen Wildwechsel ist er zu breit, also dürfte ein Dorf in der Nähe sein. Über den Rest reden wir, wenn wir uns endlich wieder als Römer fühlen können, wenn wir eine anständige Mahlzeit im Bauch haben und endlich diese widerlichen Bärte abrasiert sind.«

Die Männer erhoben sich und gingen mit Julius auf die Lücke im Gestrüpp hinter ihnen zu. Nur Suetonius stand mit offenem Mund reglos da. Nach einer Weile klappte er den Mund wieder zu und trottete den anderen hinterher.

Die beiden Folterknechte standen reglos da, während Antonidus das blutige Bündel betrachtete, das einmal Fercus gewesen war. Beim Anblick des verstümmelten Leichnams zuckte der General zwar kurz zusammen; er war froh, dass er hatte ruhig und fest schlafen können, während dies alles hier unten vor sich gegangen war.

»Hat er gar nichts gesagt?«, fragte Antonidus und schüttelte verwundert den Kopf. »Beim Kopf des Jupiter – seht euch nur an, was ihr aus ihm gemacht habt. Wie kann ein Mann so etwas aushalten?«

»Vielleicht hat er ja wirklich nichts gewusst«, bemerkte einer der grimmigen Männer.

Antonidus dachte eine Weile schweigend darüber nach.

»Vielleicht. Ich wünschte nur, wir hätten seine Töchter herbringen können, um wirklich sicherzugehen.«

Er schien fasziniert von den zahllosen Wunden und sah sich die Leiche genauer an, nahm jede Brandwunde und jeden Schnitt sorgfältig in Augenschein und pfiff dann leise durch die Zähne.

»Erstaunlich. Ich hätte nicht gedacht, dass so viel Mut in ihm steckt. Hat er nicht einmal versucht, falsche Namen zu nennen?«

»Nein. Er hat kein einziges Wort gesagt.«

Hinter dem Rücken des Feldherrn, der sich über die noch immer gefesselte Leiche beugte, wechselten die Männer erneut einen Blick. Nur den Bruchteil einer Sekunde blitzte ein stilles Einverständnis in ihren Augen auf, dann wurden ihre Gesichter wieder ausdruckslos.

Varro Aemilianus hieß die zerlumpten Offiziere mit einem strahlenden Lächeln in seinem Haus willkommen. Obwohl er bereits vor fünfzehn Jahren aus der Legion ausgeschieden war, war es für ihn jedes Mal ein Vergnügen, die jungen Männer zu empfangen, die die Piraten an seinem schmalen Küstenstreifen aussetzten. Es erinnerte ihn an die Welt außerhalb seines Dorfes, die weit genug entfernt war, um sein friedliches Leben hier nicht zu stören.

»Setzt euch, meine Herren«, sagte er und deutete auf mehrere Liegen, die dünn gepolstert waren. Sie waren einmal sehr schön gewesen, aber die Zeit hatte dem Bezug allen Glanz genommen, wie er bedauernd feststellte. Diesen Soldaten war das ohnehin völlig gleichgültig, dachte er, während sie sich auf den ihnen angewiesenen Plätzen niederließen. Nur zwei von ihnen, in denen er sogleich die Anführer der Gruppe erkannte, blieben stehen. Solche Kleinigkeiten amüsierten ihn immer sehr.

»Eurem Aussehen nach zu urteilen, würde ich annehmen, ihr seid von den Piraten, die diese Küste unsicher machen, als Geiseln festgehalten worden«, sagte er mit vor Mitleid triefender Stimme. Er fragte sich im Stillen, was sie wohl sagen würden, wenn sie wüssten, dass der Pirat Celsus oft hier ins Dorf kam, um mit seinem alten Freund zu plaudern und ihm Neuigkeiten und Tratsch aus den Städten zuzutragen.