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Brutus legte Tubruk die Hand auf die Schulter.

»Ich wusste nicht, dass dir das so wichtig ist«, sagte er.

»Es war mir schon immer wichtig, aber als ich noch jünger war, bin ich eben gutgläubiger gewesen. Ich dachte immer, Männer wie Sulla und, ja, auch Marius, könnten dieser Stadt nicht schaden. Aber sie können es doch. Und wie! Wusstest du, dass das kostenlos verteilte Getreide die Kleinbauern ruiniert? Sie werden ihre Ernte nicht mehr los. Also müssen sie ihren Grund und Boden verkaufen, der den ohnehin schon übermäßigen Besitztümern der Senatoren einverleibt wird. Zum Schluss enden diese Bauern dann auf den Straßen der Stadt und werden mit ebenjenem Getreide beschenkt, das sie in den Ruin getrieben hat.«

»Mit der Zeit werden auch wieder bessere Männer im Senat das Sagen haben. Männer, die einer neuen Generation angehören. Männer wie Julius.«

Tubruks Miene hellte sich ein wenig auf, aber Brutus war noch immer schockiert von der abgrundtiefen Bitterkeit und Trauer, die er in Tubruks Gesicht gesehen hatte. Der Verwalter war den beiden Jungen zeitlebens ein Vorbild an Selbstsicherheit und Bestimmtheit gewesen, und jetzt rang Brutus nach den richtigen Worten.

»Wir werden ein Rom aufbauen, auf das du stolz sein kannst«, sagte er heiser.

Tubruk streckte die Hand aus und ergriff den Arm, den Brutus ihm entgegenstreckte.

»Ach, wenn man noch einmal jung sein könnte«, sagte er lächelnd. »Aber jetzt komm erst mal nach Hause. Aurelia wird sich freuen, wenn sie sieht, wie groß und stark du geworden bist.«

»Tubruk, ich…«, begann Brutus zögernd. »Ich kann nicht sehr lange bleiben. Ich habe auch genug Geld, um eine Unterkunft in der Stadt zu mieten.«

Tubruk sah ihn an und nickte verständnisvoll. »Aber das hier ist dein Zuhause, und das wird es immer bleiben. Bleib, so lange du willst.«

Dann schwiegen sie beide wieder lange, während sie auf die Gebäude des Gutes zustrebten.

»Ich danke dir«, meldete sich Brutus wieder zu Wort. »Ich war mir nicht sicher, ob du vielleicht erwartest, dass ich mich jetzt selbst um mich kümmere. Was ich durchaus kann, glaub mir.«

»Ich weiß, Marcus«, sagte Tubruk und lächelte ihn an. Dann rief er laut, damit man ihnen das Tor öffnete.

Der junge Mann fühlte eine Last von sich fallen. »Man nennt mich jetzt Brutus.«

Tubruk streckte die Hand aus, und Brutus ergriff sie nach Art der Legionäre.

»Willkommen zu Hause, Brutus«, sagte er.

Während das Wasser für ein Bad heiß gemacht wurde, führte Tubruk Brutus in die Küche, wo er Brot und Fleisch für ihn aufschnitt. Nach der Arbeit mit der Axt hatte er selbst gewaltigen Hunger, und so saßen sie zusammen, aßen und unterhielten sich wie gute alte Freunde.

Julius betrachtete die sechs neuen Rekruten und hatte das Gefühl, in der Hitze bei lebendigem Leib gegart zu werden. Unter der afrikanischen Sonne konnte man die Rüstung kaum anfassen. Überall dort, wo das Metall die Haut berührte, stand er Todesqualen aus, bis er sich so drehen konnte, dass kein direkter Kontakt mehr bestand.

Aber nichts davon zeigte sich in seinem Gesicht, obwohl angesichts der Männer, die er gefunden hatte, bereits die ersten Zweifel an seiner Konzentration nagten. Sie waren zwar gesund und stark, aber keiner von ihnen war als Soldat ausgebildet worden. Um seinen Plan in die Tat umsetzen zu können, brauchte er mindestens fünfzig Mann. Und allmählich glaubte er daran, dass er sie auch finden würde. Das Problem lag vielmehr darin, dass sie seine Befehle mit der gleichen Disziplin hinnehmen mussten, wie sie für die Offiziere der Accipiter selbstverständlich war. Irgendwie musste er ihnen die simple Tatsache begreiflich machen, dass sie ohne diese Disziplin verloren waren.

Körperlich waren sie beeindruckend genug, doch nur zwei der sechs Männer hatten sich freiwillig gemeldet, und die stammten aus dem letzten Dorf. Je mehr sie sich in ihrem Auftreten einer richtigen halben römischen Zenturie näherten, nahm er an, desto leichter würde es werden, weitere Männer zu finden. Die ersten vier jedoch waren nur mitgekommen, weil er darauf bestanden hatte, und sie waren immer noch wütend. Im zweiten Dorf schien man froh gewesen zu sein, den Größten von ihnen endlich loszuwerden, weshalb Julius den Mann für einen Unruhestifter hielt. Seine Züge schienen in einem abfälligen Dauergrinsen erstarrt zu sein, was Julius jedes Mal irritierte.

Renius hätte sie für ihn schon in Form gebracht, dachte er. Doch es war zumindest ein Anfang. Er musste daran denken, was Renius tun würde. Gaditicus und die anderen Besatzungsmitglieder der Accipiter waren ihm bis hierher gefolgt. Sie hatten es gar nicht glauben können, wie einfach es nach der ersten Siedlung gewesen war. Julius fragte sich, wie viele Römer es in den Hunderten von Austragsgehöften wohl gab, deren Söhnen man das Kriegshandwerk beibringen konnte. Da draußen wartete eine ganze Armee, und es musste nur jemand kommen, der sie zusammensuchte und die Männer an die Stimme ihres Blutes erinnerte.

Er blieb neben dem Unruhestifter stehen. Die Augen des Mannes erwiderten Julius’ distanziert forschenden Blick ohne eine Spur von Angst oder Respekt. Er überragte die meisten anderen um Haupteslänge und hatte lange, muskulöse Glieder, die schweißnass in der Sonne glänzten. Die Stechmücken, die den Offizieren von der Accipiter so sehr zusetzten, schienen ihn nicht im Geringsten zu stören. Ruhig und unbewegt stand er wie eine lebende Statue in der Hitze. In gewisser Hinsicht erinnerte ihn dieser Mann an Marcus. Jeder Zoll seines Körpers verriet den Römer, doch das Latein, das er sprach, war von afrikanischem Dialekt durchsetzt. Julius wusste, dass sein Vater gestorben war und ihm einen Hof hinterlassen hatte, den er bis zum endgültigen Ruin sträflich vernachlässigt hatte. Wenn man diesen Mann hier zurückließ, kam er wahrscheinlich recht bald bei einer Schlägerei ums Leben, oder er schloss sich den Piraten an, sobald das Geld ausgegeben und der letzte Wein getrunken war.

Wie hieß er noch gleich? Julius war stolz darauf, dass er Namen genauso schnell im Gedächtnis behielt wie seinerzeit Marius. Marius hatte jeden einzelnen der Männer unter seinem Kommando beim Namen gekannt. Unter dem starren Blick des Mannes vor ihm fiel Julius sein Name zunächst nicht ein, dann jedoch erinnerte er sich. Er hatte gesagt, man solle ihn Ciro nennen und nicht anders. Er wusste wahrscheinlich nicht einmal, dass es ein Sklavenname war. Was würde Renius jetzt wohl tun?

»Ich brauche Männer, die kämpfen können«, sagte er und schaute in die braunen Augen, die seinem Blick so unbeirrt standhielten.

»Ich kann kämpfen«, erwiderte Ciro mit unverhohlenem Selbstbewusstsein.

»Ich brauche Männer, die sich zusammenreißen können, wenn’s brenzlig wird«, fuhr Julius fort.

»Ich kann…«, hob Ciro wieder an.

Julius schlug ihm hart mit der flachen Hand ins Gesicht. Einen kurzen Augenblick flackerte Wut in den dunklen Augen auf, doch Ciro blieb unbewegt stehen. Die Muskeln seiner entblößten Brust zuckten wie bei einer großen Raubkatze. Julius trat noch näher vor ihn hin.

»Würdest du jetzt gerne ein Schwert in die Hand nehmen und mich niederstechen?«, flüsterte er schneidend.

»Nein«, erwiderte Ciro. Er hatte sich wieder gefangen.

»Warum nicht?«, fragte Julius und überlegte, wie er ihn wohl aus der Reserve locken könnte.

»Mein Vater… hat gesagt, ein Legionär muss sich unter Kontrolle haben.«

Julius blieb direkt vor ihm stehen, doch seine Gedanken rasten. Das war der Hebel, an dem er ansetzen musste.

»In der Siedlung, in der wir dich aufgegabelt haben, hattest du dich aber ganz und gar nicht unter Kontrolle, oder?«, sagte er herausfordernd. Er hoffte, seine Vermutung hinsichtlich Ciros Beziehung zu den Dorfbewohnern war richtig. Lange blieb ihm der große Mann eine Antwort schuldig. Julius wartete geduldig, weil er wusste, dass er jetzt nicht drängen durfte.