»Da war ich auch noch kein… Legionär«, erwiderte Ciro schließlich.
Julius musterte ihn und suchte in dem Gesicht nach Spuren von Aufsässigkeit, die er eigentlich erwartet hatte. Es war jedoch nichts zu entdecken, und insgeheim verfluchte er den Senat, der Männer wie diesen hier einfach verschwendete. Männer, die davon träumten, Legionäre zu werden, während sie in fernen Ländern ihr Leben vergeudeten.
»Du bist kein Legionär«, sagte Julius langsam und sah, wie sich der Mund des anderen zu einer Antwort auf diese Zurückweisung verzog. »Aber ich kann einen aus dir machen. Mit mir und von mir wirst du Brüderlichkeit lernen, und du wirst mit hoch erhobenem Haupt durch die Straßen des fernen Rom marschieren. Und falls dich jemand anhält, wirst du ihm sagen, dass du ein Soldat Cäsars bist.«
»Das werde ich«, sagte Ciro.
»Herr.«
»Das werde ich, Herr«, verbesserte er sich und reckte den Rücken noch gerader.
Julius trat wieder einen Schritt zurück, um alle Rekruten zugleich anzusprechen, die zusammen mit den Offizieren der Accipiter wartend dastanden.
»Was gibt es, das wir mit Männern wie euch nicht erreichen können? Ihr seid Söhne Roms, und wir werden euch eure Geschichte zeigen und euren Stolz wiedergeben. Wir werden euch lehren, mit dem Schwert zu kämpfen und in Schlachtformation zu marschieren. Später werden noch mehr Männer zu uns stoßen, und ihr werdet sie ausbilden. Ihr werdet ihnen beibringen, was es bedeutet, Römer zu sein. Und jetzt marschieren wir. Das nächste Dorf wird Legionäre sehen, wenn es euch erblickt.«
Die Soldaten, die paarweise in einer Reihe gingen, marschierten noch zerlumpt und ohne Gleichschritt, aber Julius wusste, dass sich das bessern würde. Er fragte sich, ob Renius diesen unbändigen Tatendrang in den neuen Rekruten wohl erkannt hätte, schob aber den Gedanken daran schnell wieder beiseite. Nicht Renius stand hier, sondern er.
Gaditicus wartete mit ihm auf das Ende der Kolonne, wo sie zusammen in den Schritt einfielen.
»Sie folgen dir«, sagte er leise.
Julius drehte sich schnell zu ihm um. »Das müssen sie auch, wenn wir je die Mannschaft für ein Schiff zusammenbekommen wollen, um uns unsere Lösegelder zurückzuholen.«
Gaditicus schnaubte anerkennend und gab Julius einen Klaps auf die Rüstung.
Julius’ Schritte wurden plötzlich langsamer, dann blieb er stehen. »Oh, nein«, flüsterte er entsetzt. »Sag ihnen, wir schließen später zu ihnen auf. Schnell!«
Gaditicus gab den Befehl weiter und sah der Doppelreihe der Männer auf dem schmalen Weg nach. Bald waren sie hinter einer Kurve verschwunden, und Gaditicus drehte sich zu Julius um. Dieser war blass geworden und hatte die Augen geschlossen.
»Ist es wieder… deine Übelkeit?«, fragte Gaditicus.
Julius nickte schwach.
»Vor… dem letzten Anfall hatte ich einen metallischen Geschmack im Mund. Denselben Geschmack habe ich jetzt auch.« Er räusperte sich und spuckte aus. Sein Gesicht war zu einer bitteren Maske verzogen. »Sag es ihnen nicht. Sag…«
Gaditicus fing ihn im Fallen auf und hielt ihn nieder, als er zuckte und sich wand; die Sandalen scharrten Halbkreise ins Gras. Die Stechfliegen schienen Julius’ Schwäche zu spüren und umschwärmten die beiden Männer in Scharen. Gaditicus sah sich nach etwas um, das er Julius in den Mund stecken konnte, doch der Tuchfetzen, den sie auf dem Piratenschiff benutzt hatten, war schon längst verloren gegangen. Er riss ein dickes Blatt ab und schaffte es, Julius den faserigen Stiel quer in den Mund zu schieben, bevor der Kieferkrampf einsetzte. Er hielt stand, und Gaditicus drückte Julius weiter mit aller Kraft auf den Boden, bis der Anfall vorüber war.
Nach einer Weile war Julius wieder so weit, dass er sich aufsetzen konnte. Er spuckte den Stiel aus, den er fast durchgebissen hatte, und hatte das Gefühl, als habe man ihn bewusstlos geschlagen. Als er merkte, dass sich seine Blase entleert hatte, verzog er das Gesicht. Wütend schlug er mit den Fäusten auf den Boden und scheuchte dabei die Fliegen auf, die sich aber sofort wieder auf seine entblößte Haut stürzten.
»Ich dachte, das hätte ich hinter mir.«
»Vielleicht war das ja der letzte Anfall«, meinte Gaditicus. »Kopfwunden sind immer ziemlich kompliziert. Cabera hat doch gesagt, es könnte noch eine Weile so weitergehen.«
»Oder sogar für den Rest meines Lebens! Ich vermisse den alten Mann«, sagte Julius tonlos. »Meine Mutter hatte früher immer Schüttelkrämpfe. Ich habe nie verstanden, was das wirklich bedeutet. Es fühlt sich an wie sterben.«
»Kannst du aufstehen? Ich möchte den Anschluss an die Männer nicht ganz verlieren. Nach deiner Ansprache laufen sie wahrscheinlich den ganzen Vormittag.«
Gaditicus half dem jungen Offizier auf die Beine und sah, wie er ein paar Mal tief Luft holte, um sich wieder zu sammeln. Er hätte ihm gern ein paar tröstende Worte gesagt, aber die Worte waren schwer zu finden.
»Du wirst diese Krankheit besiegen«, sagte er schließlich. »Cabera hat gesagt, du bist stark, und nichts, was ich von dir gesehen habe, scheint mir das Gegenteil zu beweisen.«
»Vielleicht hast du Recht. Lass uns weitergehen. Ich würde gerne nah am Meer bleiben, so dass ich mich waschen kann.«
»Ich könnte ja sagen, ich hätte dir einen Witz erzählt und du hast dich vor Lachen bepisst«, schlug Gaditicus vor. Julius schmunzelte, und Gaditicus lächelte ihn an.
»Na, siehst du! Du bist stärker als du denkst. Man sagt, Alexander der Große habe diese Schüttelkrankheit auch gehabt.«
»Wirklich?«
»Aber ja. Und Hannibal auch. Das bedeutet nicht das Ende, es ist nur eine Bürde.«
Brutus versuchte sein Entsetzen zu verbergen, als er Aurelia am nächsten Morgen erblickte. Sie war kalkweiß und dünn, ein Gewebe aus Falten überzog ihr Gesicht, von dem damals, als er vor Jahren nach Griechenland gezogen war, noch nichts zu sehen gewesen war.
Tubruk hatte sein Unbehagen bemerkt und die Lücken in ihrem Gespräch gefüllt, indem er Fragen beantwortete, die Aurelia gar nicht gestellt hatte. Der alte Gladiator war sich nicht einmal sicher, ob sie Brutus überhaupt wiedererkannte.
Aurelias Schweigsamkeit wurde von Clodias und Cornelias Gelächter ausgeglichen, die Julius’ Tochter beim Frühstück versorgten. Brutus lächelte das Kind pflichtbewusst an und behauptete, das Mädchen sehe genauso aus wie sein Vater, doch in Wahrheit schien es nichts Menschenähnliches an sich zu haben. Er fühlte sich im Triclinium unwohl, weil ihm bewusst war, dass diese Menschen Verbindungen miteinander eingegangen waren, von denen er ausgeschlossen war. Zum ersten Mal kam er sich in diesem Haus wie ein Fremder vor, und das stimmte ihn traurig.
Tubruk ging mit Aurelia hinaus, nachdem sie sehr wenig gegessen hatte. Brutus versuchte an der Unterhaltung teilzunehmen und erzählte den Frauen von den Blauhäuten, einem Stamm wilder Krieger, gegen den er in seinen ersten Monaten bei der Bronzefaust in Griechenland gekämpft hatte. Clodia lachte, als er von dem Wilden erzählte, der den Römern seine entblößten Genitalien präsentiert hatte, weil er sich in Sicherheit wähnte. Cornelia bedeckte rasch Julias Ohren mit den Händen, und Brutus errötete beschämt.
»Es tut mir Leid. Ich bin eher den Umgang mit Soldaten gewohnt. Es ist schon eine Weile her, seit ich das letzte Mal in diesem Haus war.«
»Tubruk hat uns erzählt, dass du hier aufgewachsen bist«, unterbrach Clodia die plötzliche Stille, um Brutus beizustehen. Etwas sagte ihm, dass er diese Unterstützung jetzt dringend brauchte. »Er hat gesagt, du hättest immer davon geträumt, ein großer Schwertkämpfer zu werden. Hast du dir deinen Traum erfüllt?«