Er spürte einen Luftzug, als sich eine andere Tür hinter ihm öffnete, und sprang vor Überraschung auf, als eine wunderschöne Frau auf ihn zukam. Sie war bemalt wie eine Puppe und ungefähr in seinem Alter, schätzte er. Ihr Kleid bestand aus einem Stoff, den er noch nie gesehen hatte und durch den er die Konturen ihres Busens und der Brustwarzen erkennen konnte. Ihre Haut war von vollkommener Blässe, und als einzigen Schmuck trug sie eine schwere Goldkette um den Hals.
»Setz dich doch«, sagte sie. »Mach es dir bequem.« Während sie sprach, setzte sie sich auf die Liege, von der er aufgesprungen war, und schlug aufreizend die Beine übereinander, wobei das Kleid verrutschte und genug den Blicken freigab, um ihm die Röte in die Wangen zu treiben. Er setzte sich neben sie und versuchte einen Funken der Entschlossenheit wiederzuerlangen, die ihn eben noch erfüllt hatte.
»Gefalle ich dir?«, fragte sie sanft.
»Du bist wunderschön, aber ich suche… eine Frau, die ich früher einmal gekannt habe.«
Sie zog einen Schmollmund, und er verspürte das fast unwiderstehliche Verlangen, sie zu küssen, sie in die Arme zu nehmen und ihr den Atem zu rauben. Die Vorstellung ließ seine Sinne taumeln, und er bemerkte, dass ein Parfüm die Luft erfüllte und ihn schwindlig machte. Sie streckte die Hand aus und berührte ihn oberhalb der Beinschiene, wo einige wenige Zentimeter braune Haut zu sehen waren. Ein leiser Schauer lief ihm über den Rücken, doch dann kam er mit einem Ruck wieder zu sich und stand abrupt auf.
»Erwartest du etwa eine Bezahlung von mir?«
Das Mädchen sah verwirrt aus, jünger, als er zuerst angenommen hatte.
»Ich mache es nicht aus Liebe«, sagte sie, und viel von der Sanftheit war plötzlich aus ihrer Stimme verschwunden.
»Ist Servilia hier? Ich glaube, sie wird mich empfangen wollen.«
Das Mädchen sank auf der Liege zusammen, und sein kokettes Verhalten verschwand von einem Augenblick zum anderen.
»Sie empfängt keine Zenturios. Wenn du es mit ihr machen willst, musst du schon ein Konsul sein.«
Brutus starrte sie entsetzt an.
»Servilia!«, schrie er und ging mit großen Schritten am Becken vorbei auf die andere Seite des Raums. »Wo bist du?«
Er vernahm das Geräusch sich eilig nähernder Schritte hinter einer Tür, woraufhin er schnell eine andere öffnete und hindurchschlüpfte. Als er sie schloss, hörte er hinter sich das Gelächter des Mädchens auf der Liege. Er fand sich in einem langen Korridor wieder, wo ihn ein Sklave, der ein Tablett voller Getränke trug, mit offenem Mund anstarrte.
»Du darfst hier nicht durch!«, rief der Sklave, aber Brutus stieß ihn beiseite. Die Weinkelche flogen durch die Luft. Der Sklave machte sich aus dem Staub, und plötzlich war Brutus der Weg am Ende des Korridors von zwei Männern versperrt. Die beiden hatten Keulen in den Händen und füllten die ganze Breite des Durchgangs aus. Ihre Schultern berührten die Wände, als sie auf ihn zukamen.
»Du hast wohl ein bisschen zu viel getrunken, was?«, krächzte einer von ihnen, als sie näher kamen.
Brutus zog mit einer eleganten Bewegung seinen Gladius. Die Klinge, die mit dem gleichen wirbelnden Muster verziert war wie die Beinschiene, schimmerte im Licht. Die beiden Männer blieben, plötzlich unsicher geworden, stehen.
»Servilia!«, schrie Brutus so laut er konnte und hielt sein Schwert auf die Männer gerichtet. Sie zogen Dolche aus ihren Gürteln und kamen langsam näher.
»Du unverschämter kleiner Bursche!«, sagte einer und fuchtelte mit seiner Klinge herum. »Du glaubst wohl, du kannst hier reinmarschiert kommen und machen, was du willst? Ich hatte bisher noch nie die Gelegenheit, einen Offizier zu töten, aber es wird mir ein Vergnügen sein.«
Brutus erstarrte.
»Nehmt gefälligst Haltung an, ihr hirnlosen Schweine!«, fuhr er sie an. »Wenn ich auch nur sehe, dass ihr ein Messer auf mich richtet, lasse ich euch aufhängen!«
Die beiden Männer zögerten angesichts seines zornig funkelnden Blicks, und reagierten fast reflexartig auf seinen Tonfall. Brutus machte wütend einen Schritt auf sie zu.
»Jetzt erklärt mir mal, warum Männer in eurem Alter ihre Legion verlassen, um ein Bordell zu bewachen. Seid ihr Deserteure?«
»Nein… Herr. Wir haben in der Primigenia gedient.«
Brutus ließ sich seine Überraschung und seine Freude nicht anmerken.
»Unter Marius?«, verlangte er zu wissen.
Der Ältere der beiden nickte. Inzwischen standen sie vor ihm stramm, und Brutus musterte sie von oben bis unten wie beim Appell.
»Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich euch den Brief zeigen, den er mir zu meiner Legion nach Griechenland mitgegeben hat. Ich bin damals mit ihm zu den Stufen des Senatsgebäudes marschiert, als er seinen Triumphzug gefordert hat. Wagt es nicht, sein Andenken zu beschmutzen!«
Die beiden Männer blinzelten verlegen. Brutus dehnte das Schweigen, das auf seine Worte folgte, absichtlich aus.
»Und jetzt habe ich geschäftlich mit einer Frau namens Servilia zu tun. Ihr könnt sie zu mir oder mich zu ihr bringen, aber solange ich hier bin, benehmt ihr euch wie Soldaten, verstanden?«
Noch während die beiden nickten, wurde am anderen Ende des Korridors eine Tür aufgerissen, und eine Frauenstimme erklang.
»Weg von ihm, und lasst mir freie Schussbahn.«
Die beiden Wachen rührten sich nicht von der Stelle und ließen den jungen Zenturio nicht aus den Augen. Ihre Schultern verrieten ihre Anspannung, doch sie bewegten sich nicht.
»Ist sie das?«, fragte Brutus laut und deutlich.
Der ältere Mann schwitzte vor Anstrengung. »Sie ist die Herrin des Hauses«, bestätigte er.
»Dann tut, wie euch befohlen wurde, meine Herren.«
Ohne ein weiteres Wort zogen sich die beiden Wachen so gut es ging zurück und gaben den Blick auf eine Frau frei, die Brutus mit gespanntem Bogen und eingelegtem Pfeil anvisierte.
»Bist du Servilia?«, fragte er und bemerkte das leichte Zittern ihrer Arme, die langsam müde wurden.
»Der Name, den du wie ein kleiner, dreckiger Fischverkäufer herumgebrüllt hast? Mir gehört dieses Haus.«
»Ich will dir nicht schaden«, erwiderte Brutus. »Und ich würde die Sehne lockern, ehe du noch aus Versehen auf jemanden schießt.«
Servilia warf einen raschen Blick auf die Wachen. Ihre Anwesenheit schien sie zu beruhigen. Sie atmete aus und nahm den Bogen herunter. Es war vermutlich nicht das erste Mal, dass sie von Soldaten bedroht worden war.
Die Frau, die Brutus jetzt hier sah, hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem Mädchen aus dem Zimmer mit den Statuen. Sie war groß und schlank wie er, mit langem, dunklem Haar, das ihr offen auf die Schultern herabfiel. Ihre Haut strahlte vor Sonne und Gesundheit, und ihr Gesicht war nicht hübsch, ja, genau genommen war es fast hässlich, doch von dem breiten Mund und den dunklen Augen gingen eine wissende Sinnlichkeit aus, die wahrscheinlich viele Männer in ihren Bann schlug, dachte er. Bei jeder Bewegung ihrer breiten, kräftigen Hände, die den Bogen hielten, klimperten Goldreifen an den Handgelenken.
Er nahm jede Einzelheit in sich auf und verspürte einen Stich, als er in der Form ihres Halses etwas von sich selbst erkannte.
»Du kennst mich nicht«, sagte er leise.
»Was hast du gesagt?«, sagte sie und kam näher. »Du stürzt mein Haus in Aufruhr und bringst eine Waffe in meine Privatgemächer. Ich sollte dich auspeitschen lassen, und glaube bloß nicht, dein hübscher Rang könnte dich davor bewahren.«
Sie bewegte sich ausgezeichnet, dachte er. Eine ähnliche erotische Sicherheit hatte er erst einmal bei einer Frau erlebt, damals im Tempel der Vesta, wo die Bewegungen der Jungfrauen eine Frechheit an sich hatten, die aus dem Wissen um den sofortigen Tod jedes Mannes entstand, der sie berührte. Sie hatte etwas davon, und er spürte, dass es ihn erregte. Es widerte ihn an, aber er wusste nicht, wie sich ein Sohn fühlen sollte. Das Blut schoss ihm in den Kopf, und sie lächelte sinnlich, wobei sie scharfe, weiße Zähne entblößte.