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Mithridates sah Lucius an und deutete mit dem Finger auf die Brust des jüngeren Mannes.

»Genau da, wo du jetzt stehst, habe ich gekniet, gefesselt und geschlagen, von einem Kreis Legionäre umgeben. Ich dachte, sie würden mich auf der Stelle töten, und ich habe mich darauf gefreut. Ich hatte meine Familie schreien gehört, verstehst du, und ich wollte mit ihnen gehen. Ich weiß noch, wie es zu regnen anfing. Der Boden war völlig durchweicht. Manche aus meinem Volk sagen, der Regen, das seien die Tränen der Götter, hast du das schon einmal gehört? Damals habe ich es verstanden.«

»Ich bitte dich…«, sagte Lucius, der nur noch davonreiten und nichts mehr hören wollte.

Mithridates ignorierte ihn, oder Lucius war nicht durch seine Erinnerungen bis zu ihm vorgedrungen. Manchmal hatte es den Anschein, als hätte er die Anwesenheit der Römer vollkommen vergessen.

»Ich sah Sulla heranreiten und vom Pferd steigen. Er trug die weißeste Toga, die ich jemals gesehen habe. Du musst bedenken, alles andere war voller Blut und Schlamm und Dreck. Er sah… von allem vollkommen unberührt aus, und das…« Er schüttelte sacht den Kopf. »Das war das Merkwürdigste, was ich je gesehen habe. Er erzählte mir, die Männer, die meine Frau und meine Kinder umgebracht hatten, seien hingerichtet worden, wusstest du das? Er hätte sie nicht hängen müssen, und ich habe nicht verstanden, was er damit bezweckte, bis er mich vor die Wahl gestellt hat: weiterleben und nie wieder die Waffen erheben, solange er lebte, oder in diesem Augenblick durch sein Schwert zu sterben. Ich glaube, wenn er mir das mit den Männern, die meine Mädchen umgebracht hatten, nicht erzählt hätte, hätte ich den Tod gewählt, aber ich habe die Chance angenommen, die er mir gewährte. Es war die richtige Entscheidung. So konnte ich wenigstens meine Söhne wiedersehen.«

Mithridates drehte sich zu den Männern um, die ihn begleitet hatten, und lächelte sie an. »Hoca hier ist der Älteste, aber Thassus kommt mehr nach seiner Mutter, finde ich.«

Lucius trat einen Schritt zurück, als ihm klar wurde, was Mithridates da sagte.

»Nein! Sulla hat nicht… das kannst du nicht tun!« Er verstummte, als plötzlich aus allen Richtungen Männer erschienen. Sie kamen über die Kämme der Hügel und aus den Wäldern, in denen sich laut Mithridates die römischen Bogenschützen versteckt hatten. Pferde kamen herangedonnert und hielten in der Nähe der Legionäre, die ausnahmslos ihre Schwerter gezogen hatten und grimmig und ohne Panik auf das Ende warteten. Dutzende von Pfeilen wurden auf sie gerichtet und warteten auf das Kommando.

Voller Angst ergriff Lucius den Arm des Mithridates.

»Das ist doch Vergangenheit!«, rief er ohne Hoffnung. »Ich bitte dich!«

Mithridates packte ihn bei den Schultern und hielt ihn fest. Sein Gesicht war vor Zorn verzerrt.

»Ich habe mein Wort gegeben, nicht die Waffen zu erheben, solange Cornelius Sulla lebt. Jetzt ruhen meine Frau und meine Töchter unter der Erde, und ich werde mir das Blut holen, das man mir schuldet!«

Mit einer Hand griff er hinter sich, zog einen versteckten Dolch hervor, hielt ihn Lucius an die Kehle und zog die Klinge mit einer raschen Bewegung quer darüber.

Die Legionäre starben innerhalb von Sekunden, von Pfeilen durchbohrt, ohne selbst auch nur einen Hieb landen zu können.

Sein jüngster Sohn berührte Lucius’ Leiche mit dem Fuß und machte ein nachdenkliches Gesicht.

»Das war ein gefährliches Spiel, mein König«, sagte Thassus zu seinem Vater.

Mithridates zuckte die Achseln und wischte sich Blut aus dem Gesicht.

»An diesem Ort gibt es Geister, die wir lieben. Ich habe es für sie getan. Und jetzt gebt mir ein Pferd und ein Schwert. Unser Volk hat viel zu lange geschlafen.«

13

Julius saß in der Dunkelheit der Schenke und legte die Finger um den ersten Becher Wein, den er seit fast einem Jahr zu Gesicht bekam. Von draußen drang der Straßenlärm des römischen Hafens herein, und das Gemurmel der Gespräche um ihn herum weckte heimatliche Gefühle, vor allem, wenn er die Augen schloss.

Pelitas goss sich den Wein ohne viele Umstände in die Kehle. Er hielt den Becher so lange hoch, bis er sicher war, dass auch der letzte Tropfen verschwunden war, ehe er ihn wieder auf den Tisch stellte und zufrieden seufzte.

»Ich glaube, wenn ich alleine hier wäre, würde ich meine Rüstung verkaufen und mich sinnlos betrinken«, sagte er. »Das ist lange überfällig.«

Die anderen nickten und tranken langsam oder schnell aus ihren eigenen Bechern, die sie mit ihren letzten gemeinsamen Münzen bezahlt hatten.

Der Rest der Männer, neu und alt, lagerte einige Meilen weit entfernt an der Küste, wohl verborgen vor den Blicken gelegentlicher Patrouillen. Nur die fünf waren in den Hafen gekommen, um zu entscheiden, wie es von hier aus weitergehen sollte. Es war seltsam, in der Nähe der ersten Lagerhäuser Legionären zu begegnen und von ihnen angerufen zu werden, doch die meisten der fünf Offiziere spürten in erster Linie Erleichterung. Mit der ersten, in klarem Latein ausgesprochenen Aufforderung, sich zu erkennen zu geben, waren die Monate an der Küste zu einem fernen Abenteuer geworden. Wenigstens hatte die Geschichte ihrer Gefangenschaft in Piratenhand die Soldaten nicht allzu sehr verwundert, als sie die sauberen Rüstungen und stabilen Waffen betrachteten, die sie trugen. Alleine dafür waren die Offiziere dankbar. Es wäre unerfreulich gewesen, als Bettler hier anzukommen.

»Wie lange dauert es noch, bis der Quästor kommt?«, fragte Prax und blickte Gaditicus an. Als Zenturio hatte er mit dem befehlshabenden römischen Offizier der Hafenstadt gesprochen. Dieser hatte sich bereit erklärt, sich später in dem Gasthaus in der Nähe des Hafens mit ihnen zu treffen. In dieser Hinsicht verspürten sie alle eine gewisse Spannung. Die anderen Offiziere hatten sich so sehr daran gewöhnt, sich in allen Fragen an Julius zu halten, dass ihnen die Erinnerung an ihre Ränge unangenehm war. Suetonius konnte sich kaum das Grinsen verkneifen.

Gaditicus nippte an seinem Wein und verzog leicht das Gesicht, als der Rebensaft auf einer wunden Stelle an seinem Zahnfleisch brannte.

»Er sagte, in der vierten Stunde, also haben wir noch ein bisschen Zeit. Er muss einen Bericht nach Rom schicken, dass wir noch am Leben und wohlauf sind. Zweifellos wird er uns Plätze auf einem Handelsschiff anbieten, das Kurs auf Rom nimmt.«

Wie die anderen auch machte er einen gedankenverlorenen Eindruck, als sei er kaum in der Lage, die Rückkehr in die Zivilisation zu begreifen. Als sich ein Mann hinter seinem Rücken vorbeidrängte und ihn dabei anstieß, fuhr Gaditicus zusammen. Sie hatten sich lange nicht mehr in dem Gedränge von Städten und Häfen aufgehalten.

»Ihr könnt ein Schiff nach Hause nehmen, wenn ihr wollt«, sagte Julius leise und sah die Männer am Tisch an. »Ich mache weiter.«

Eine Zeit lang antwortete niemand, dann sprach Prax.

»Uns eingerechnet sind wir achtunddreißig. Wie viele davon haben die nötige Disziplin und das Geschick, um zu kämpfen, Julius?«

»Mit den Offizieren der Accipiter würde ich sagen, nicht mehr als zwanzig. Der Rest ist das, was wir finden konnten, Bauern mit Schwertern.«

»Dann ist es unmöglich«, brummte Pelitas düster. »Selbst wenn wir Celsus finden, und die Götter wissen, das wird nicht einfach sein, haben wir nicht genug Männer, um ihn mit Sicherheit besiegen zu können.«

Julius schnaubte verärgert. »Glaubst du etwa, ich lasse unseren Plan so einfach fallen, nach allem, was wir erreicht haben? Dort draußen im Wald warten unsere Männer auf die Nachricht, uns nachzukommen. Meinst du, wir sollten sie einfach zurücklassen und nach Rom segeln? Das wäre nicht sehr ehrenvoll, Peli, überhaupt nicht! Ihr könnt nach Hause fahren, wenn ihr wollt, ich zwinge keinen von euch zum Bleiben, aber wenn ihr geht, verteile ich eure Lösegelder unter ihnen, sobald wir Celsus gefunden und geschlagen haben!«