Schließlich nickte Julius, und die Spannung ließ nach.
»In Ordnung«, sagte er. »Aber wie auch immer, ich möchte das Schiff bis zum Einbruch der Nacht in der Hand haben.«
Plötzlich ertönte über ihnen eine fremde Stimme, und sie lehnten sich alle wieder zurück.
»Wer ist hier der befehlshabende Offizier?«, fragte die Stimme und wiederholte damit unbewusst die Frage, die sich die meisten von ihnen auch gerade gestellt hatten. Julius betrachtete seinen Weinbecher.
»Ich war der Kapitän der Accipiter«, antwortete Gaditicus und stand auf, um den Neuankömmling zu begrüßen. Mehr noch als die Legionäre, die den Hafen bewachten, wirkte der Mann wie eine leibhaftige Erinnerung an Rom. Er trug auf der nackten Haut eine in großen Falten fallende Toga, die von einer silbernen Brosche mit einem eingravierten Adler zusammengehalten wurde.
Seine Haare waren kurz geschoren, und die Hand, die er Gaditicus entgegenstreckte, trug einen schweren Goldring am Ringfinger.
»Ihr seht gesünder aus als die meisten anderen Entführten, die wir hier im Hafen zu sehen bekommen. Mein Name ist Pravitas, ich bin hier der Quästor. Wie ich sehe, sind eure Becher leer, und ich selbst habe auch eine trockene Kehle.«
Er winkte einem Sklaven, der sofort herbeikam und ihre Becher mit einem Wein auffüllte, der deutlich besser war als der erste. Der Quästor war in seiner Hafenstadt offensichtlich wohl bekannt. Er war, was Julius sofort auffiel, ohne Wachen gekommen, ein weiteres Zeichen dafür, dass hier die Gesetze Roms eingehalten wurden. Andererseits trug er einen langen Dolch im Gürtel, den er zur Seite schob, ehe er sich zu ihnen auf die Bank setzte.
Als der Wein eingegossen war, hob der Quästor seinen Becher zu einem Trinkspruch. »Auf Rom, meine Herren.«
Sie wiederholten die Worte und nippten vorsichtig an dem Wein, den sie nicht einfach zu verschwenden gedachten, indem sie ihn mit einem Schluck hinunterstürzten. Schließlich wussten sie nicht, ob der Mann noch eine weitere Runde bestellen würde.
»Wie lange seid ihr festgehalten worden?«, fragte er, als sie ihre Becher wieder abgestellt hatten.
»Ungefähr sechs Monate, obwohl es nicht leicht war, die Zeit zu schätzen. Welchen Monat haben wir jetzt?«, antwortete Gaditicus.
Pravitas hob die Augenbrauen.
»Das war eine lange Gefangenschaft. Die Kalenden des Oktober sind gerade vergangen.«
Gaditicus überschlug es schnell im Kopf. »Wir wurden sechs Monate lang gefangen gehalten, aber wir haben drei weitere gebraucht, um diesen Hafen zu erreichen.«
»Dann müsst ihr sehr weit weg abgesetzt worden sein«, meinte Pravitas interessiert.
Gaditicus wollte nicht näher darauf eingehen, wie lange sie gebraucht hatten, um den neuen Soldaten beizubringen, zu kämpfen und Befehle zu befolgen, deshalb zuckte er nur die Achseln.
»Einige von uns waren verwundet. Wir sind nur langsam vorangekommen.«
»Aber was ist mit den Rüstungen und den Schwertern? Ich bin überrascht, dass euch die Piraten die nicht abgenommen haben«, hakte Pravitas nach.
Gaditicus überlegte, ob er lügen sollte, doch der Quästor konnte die fünf Männer mit Leichtigkeit einsperren lassen, wenn er das Gefühl hatte, dass sie etwas vor ihm verbargen. Trotz seines freundlichen Tonfalls wirkte er plötzlich argwöhnisch, deshalb versuchte Gaditicus, nah bei der Wahrheit zu bleiben.
»Die haben wir aus einer alten Waffenkammer einer römischen Siedlung. Wir mussten dafür arbeiten, aber da wir sowieso wieder in Form kommen mussten, kam uns das ganz gelegen.«
»Sehr großzügig. Allein die Schwerter müssen eine ziemliche Summe wert sein. Kannst du mir sagen, welche Siedlung das war?«
»Schau, Herr. Der alte Soldat, der sie uns überlassen hat, hat Römern geholfen, die viel durchmachen mussten. Dabei solltest du es belassen.«
Pravitas lehnte sich zurück, das Gesicht immer noch voller Neugierde. Es war eine schwierige Situation, und die fünf Offiziere musterten ihn durchdringend. Obwohl theoretisch alle Römer in der Provinz seiner Befehlsgewalt unterstanden, verfügte er hinsichtlich Soldaten nur über eingeschränkte Macht. Wenn er sie ohne Beweise verhaften ließ, würde der örtliche Befehlshaber der Legion sehr wütend werden.
»Nun gut. Ich lasse euch euer Geheimnis. Vielleicht sollte ich euch euer Besitzrecht an Ausrüstung im Wert eines Jahressolds beweisen lassen, aber vermutlich bleibt ihr nicht lange genug hier, um mich zu gründlicheren Nachforschungen zu zwingen?«
»Wir haben vor, mit dem ersten Schiff in See zu stechen«, erwiderte Gaditicus.
»Dann tut das, meine Herren. Soll ich eine Überfahrt für euch arrangieren, oder hat euch dieser ›alte Soldat‹ auch Geld für die Reise gegeben?«
»Wir kümmern uns selbst darum, vielen Dank«, sagte Gaditicus, der seine Verärgerung kaum noch verbergen konnte, gereizt.
»Dann bitte ich euch um eure Namen, um sie nach Rom zu melden, und werde euch dann in Frieden lassen«, erwiderte Pravitas. Sie nannten sie ihm, und er wiederholte sie, um sie sich einzuprägen. Dann erhob er sich und nickte steif.
»Viel Glück für die Heimreise, meine Herren«, sagte er, ehe er sich seinen Weg durch die geschäftige Gaststube auf die Straße hinaus bahnte.
»Misstrauischer Kerl«, grummelte Pelitas, als er gegangen war. Die anderen pflichteten ihm murmelnd bei.
»Jetzt müssen wir schnell handeln«, sagte Julius. »Der Quästor lässt uns ohne Zweifel von jemandem beobachten, bis wir die Provinz verlassen haben. Deshalb dürfte es jetzt ein bisschen schwieriger werden, den Plan umzusetzen.«
»Es war ja auch zu einfach«, sagte Prax. »Wir brauchten noch eine weitere Herausforderung.«
Julius und die anderen grinsten. Was auch passierte, es hatte sich eine Freundschaft gebildet, die niemals entstanden wäre, wenn sie noch auf der Accipiter gewesen wären.
»Geh schnell zurück zu den Männern, Peli. Falls du verfolgt wirst, erwarte ich, dass du die Verfolger abhängst, ehe du in die Nähe unserer Leute kommst. Wenn du sie nicht loswerden kannst, sollen die Männer die Beobachter fangen und fesseln, bis die Nacht vorüber ist. Wenn sie morgen vermisst werden, kann uns das egal sein. Dann sind wir schon längst weg.«
Pelitas stand auf, leerte seinen Becher und rülpste leise. Ohne ein weiteres Wort stiefelte er hinaus, und Julius blickte die drei Männer an, die zurückgeblieben waren.
»Und jetzt, meine Herren«, äffte er den Tonfall des Quästors nach, »begeben wir uns an Bord eines Handelsschiffes.«
Kapitän Durus von der Ventulus war ein höchst zufriedener Mann. Sein Frachtraum war zum Bersten mit Fellen und exotischen Hölzern gefüllt, die ihm in Italien ein kleines Vermögen einbringen würden. Der Stolz der Ladung waren zehn Stoßzähne aus Elfenbein, jeder so lang wie ein Mann. Die Tiere, die dafür gestorben waren, hatte er nie zu Gesicht bekommen, sondern die Ware von einem Händler im Hafen erworben, der sie wiederum bei Jägern weiter im Landesinnern eingetauscht hatte. Er wusste, dass er das Dreifache des Preises dafür bekommen würde, und beglückwünschte sich zu seinem Verhandlungsgeschick. Es hatte fast zwei Stunden gedauert, und er war gezwungen gewesen, ein paar wertlose Ballen Stoff als Teil des Geschäftes zu akzeptieren. Aber sogar diese würden ein paar Bronzemünzen für Sklavenkleidung einbringen, dachte er, also konnte er sich nicht beklagen. Es war eine äußerst erfolgreiche Fahrt gewesen, und auch wenn er die Ausgaben für Hafengebühren und den Proviant für die Mannschaft und die Sklaven abziehen musste, blieb ihm immer noch genug übrig, um seiner Frau die Perlen zu kaufen, die sie haben wollte, und sich selbst vielleicht ein neues Pferd. Einen guten Hengst, der die Stute seiner Frau decken konnte, falls er einen zu einem vernünftigen Preis bekam.