Seine Gedanken wurden von vier Soldaten unterbrochen, die den Kai entlangkamen, an dem die Ventulus festgemacht hatte. Vermutlich schickte sie dieser Quästor, der seine Nase überall hineinsteckte und den Hafen kontrollierte. Er seufzte leise, setzte aber gleichzeitig ein Lächeln auf, als sie auf ihn zutraten.
»Bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen«, sagte einer von ihnen.
»Natürlich«, erwiderte Durus, der sich fragte, ob sie noch eine weitere Steuer oder Bestechungsgeld von ihm erpressen wollten. Langsam war es wirklich genug.
»Was kann ich für euch tun?«, fragte er, als sie an Deck standen. Stirnrunzelnd bemerkte er, dass zwei von ihnen ihn überhaupt nicht beachteten und stattdessen sämtliche Einzelheiten des kleinen Handelsschiffs begutachteten. Der größte Teil seiner Besatzung hatte natürlich Landurlaub, deshalb lag es bis auf zwei Männer, die nicht weit entfernt an Deck standen, praktisch verlassen da.
»Wir müssen dir ein paar Fragen stellen, unter vier Augen«, sagte einer der Soldaten.
Durus bemühte sich ruhig zu bleiben. Hielten sie ihn für einen Schmuggler? Für einen Piraten? Er versuchte unschuldig auszusehen, doch man konnte immer etwas finden. Heutzutage gab es so viele Vorschriften, dass man unmöglich an alle denken konnte.
»In meiner Kajüte habe ich einen ausgezeichneten Wein. Dort können wir uns unterhalten«, sagte er und rang sich abermals ein Lächeln ab.
Sie folgten ihm, ohne ein Wort zu sagen.
14
»Warte! Irgendetwas stimmt hier nicht«, zischte Suetonius und hielt Prax zurück, der gerade aus der Dunkelheit der Hafengebäude treten wollte.
Der Optio schüttelte verärgert die Hand ab, die ihn festhalten wollte.
»Ich höre nichts. Wir müssen zu Julius. Komm schon.«
Suetonius schüttelte den Kopf und ließ den Blick über den leeren Hafen gleiten. Wo blieb nur der Quästor? Der Mann würde doch wohl nicht etwa die Warnung ignorieren, die er ihm hatte zukommen lassen? Es war so einfach gewesen, einem Legionär die Botschaft ins Ohr zu flüstern, als dieser auf dem dunklen Abort des Gasthauses seine Blase entleerte. Ehe der Soldat fertig war und sich umdrehen konnte, war Suetonius schon wieder mit vor Aufregung hämmerndem Herzen in den Lichtern und dem Gedränge der Menge im Schankraum untergetaucht. War der Mann zu betrunken gewesen, um die Botschaft weiterzugeben? Wenn sich Suetonius richtig erinnerte, hatte er leicht geschwankt, während er den Wein des Abends in die steinerne Rinne entleert hatte.
Der junge Römer ballte enttäuscht die Fäuste. Der Quästor würde einen Mann belohnen, der Piraterie im Herzen eines römischen Hafens zu vereiteln wusste. Julius würde dafür büßen, und Suetonius konnte in allen Ehren nach Rom zurückkehren und dabei sämtliche Erniedrigungen, die er hatte erleiden müssen, endlich hinter sich lassen. Falls der betrunkene Legionär die Nachricht nicht vergessen hatte, die er ihm zugeflüstert hatte, oder auf dem Weg zurück in die Kaserne eingeschlafen war. Er hätte sichergehen müssen, aber ihm waren nur wenige Augenblicke geblieben, um sich für einen Mann zu entscheiden.
»Was ist denn?«, sagte Prax. »Da ist das Schiff. Ich laufe jetzt hinüber.«
»Das ist eine Falle«, sagte Suetonius schnell und versuchte verzweifelt Zeit zu gewinnen. Seine Sinne suchten angestrengt nach irgendwelchen Anzeichen von Hafensoldaten, aber er konnte nichts hören.
Prax sah den jungen Mann im Dunkeln argwöhnisch an.
»Also, ich spüre nichts. Wenn du dich doch nicht traust, dann bleib hier, aber ich gehe.«
Der stämmige Optio rannte auf die dunkle Masse des Handelsschiffs zu und machte dabei einen Bogen um die beleuchteten Flecken auf dem Pflaster. Suetonius sah ihm stirnrunzelnd nach. Es war besser, alleine zu sein, aber wenn der Quästor nicht kam, musste er folgen. Er konnte nicht allein zurückbleiben und um eine Überfahrt betteln.
Julius umklammerte angespannt und nervös die Reling und ließ den Blick von Bord der Ventulus über den Hafen wandern. Wo blieben Prax und Tonius? Seine Augen suchten die freie Fläche zwischen den Schiffen und den Lagerhäusern nach ihnen ab. Er flehte innerlich, sie mögen kommen. Der schmale Mond war stetig emporgestiegen, und bis zum Morgengrauen konnten es nur noch wenige Stunden sein.
Hinter sich vernahm er einen dumpfen Aufprall und riskierte einen Blick auf einen weiteren Schwimmer, der das Dunkel des Decks erreicht hatte und auf dem Rücken liegend erschöpft nach Luft schnappte. Ohne Lichter, die sie leiten konnten, waren sie in dem tiefen Wasser um die felsige Landzunge herumgeschwommen, die den natürlichen Hafen bildete. Wegen der rasiermesserscharfen Felsen und der stacheligen Seeigel, an denen sie sich schon bei der kleinsten Berührung die Haut aufschürften, hatten sie sich nirgendwo festhalten können. Viele von ihnen waren mit blutigen Beinen und der Angst vor den Haien in den Augen angekommen. Es war schwer für sie gewesen, aber Julius machte sich größere Sorgen um die, die nicht schwimmen konnten, unter ihnen der Riese Ciro. Sie mussten den Hafen im Dunkeln erreichen, ohne von den Wachen des Quästors bemerkt zu werden. Sie waren spät dran.
Der von Wolken verhangene Mond gab nur einen schwachen Schein ab, aber überall im Hafen brannten Fackeln, flackernde gelbe Flecken, die im ablandigen Wind zuckten und tanzten. Der Wind hatte vor einer Stunde gedreht, und Julius wollte nur noch die Anker lichten, die Taue kappen, mit denen sie festgemacht waren, und davonsegeln. Der Kapitän lag gefesselt in seiner Kabine, und die Mannschaft hatte die Anwesenheit von ein paar zusätzlichen Soldaten ohne Kommentar oder Beunruhigung hingenommen. Es war fast besser gelaufen, als Julius gehofft hatte, doch während er zusah, wie die Fackeln knisterten und flackerten, überkam ihn die plötzliche Furcht, der Quästor könnte seine Männer gefasst und damit alles zunichte gemacht haben.
Hätte er doch nur Prax und Suetonius nicht in das Gasthaus geschickt. Vielleicht hatte es eine Schlägerei gegeben, oder sie hatten mit einer ungeschickt erzählten Geschichte von unermesslichen Schätzen an Bord Verdacht erregt. Sie waren ein zu großes Risiko eingegangen, gestand er sich ein, und seine Finger klammerten sich noch fester an die Reling der Ventulus.
Dort! Er sah die Gestalt des alten Optio auf das Schiff zueilen. Als er Suetonius nirgendwo erblickte, erstarrte er vor Schreck. Was war schief gelaufen?
Prax kletterte schnaufend an Bord.
»Wo ist er?«, fuhr ihn Julius an.
»Irgendwo dort hinten. Ich glaube, er hat die Nerven verloren. Es ist besser, wenn wir ihn zurücklassen«, erwiderte Prax und drehte sich zu der dunklen Hafenstadt um.
Julius hörte in der Ferne einen Ruf und neigte sich in diese Richtung. Ein weiterer Ruf ertönte, aber bei dem Wind konnte er nicht sicher sein, was da geschrieen wurde. Er drehte den Kopf nach links und rechts, dann erkannte er den rhythmischen Takt: marschierende Legionäre. Ihre eisenbeschlagenen Sandalen machten ein unverwechselbares Geräusch auf den Pflastersteinen. Zehn, vielleicht zwanzig Mann. Mit Suetonius waren es nur noch sechs andere, die zu Fuß zum Hafen kommen sollten. Julius’ Mund wurde trocken. Also konnte es nur der Quästor sein, der kam, um sie alle zu verhaften. Es war ihm gleich aufgefallen, wie argwöhnisch der Mann gewesen war.
Julius drehte sich um und sah zu der schmalen Planke hinüber, die sich mit der Ventulus bewegte und das Handelsschiff mit dem Kai verband. Nur ein paar feuchte Sandsäcke hielten sie fest. Er konnte das Ding in einer Sekunde anheben lassen und den Befehl zum Ablegen geben. Gaditicus bewachte den Kapitän. Pelitas sollte beim Sklaventreiber stehen, bereit, das Kommando zum Losrudern zu geben. Er fühlte sich schrecklich einsam auf dem verlassenen Deck und wünschte, die anderen wären bei ihm.