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Die Mannschaft hatten sie unter Deck eingeschlossen, bis sie ihnen die Situation erklären konnten. Zumindest konnten seine Offiziere ohne Schwierigkeiten die Segel setzen und das Schiff in Fahrt halten. Trotzdem gefiel es ihm nicht, dass er unschuldige Männer gefangen hielt. Es erinnerte sie zu sehr an ihre eigene Gefangenschaft, und Julius spürte die Wut der Männer von der Accipiter, noch bevor sie geäußert wurde.

»Die Dinge haben sich geändert«, sagte er und versuchte seine durcheinander stürzenden Gedanken zu ordnen. »Falls es einer von euch noch nicht gehört hat, einer der Soldaten des Quästors ist bei dem Kampf, unsere Männer an Bord zu holen, ertrunken. Das bedeutet, jede Galeere in diesem Gebiet wird nach uns suchen. Wir müssen uns so weit wie möglich von der Küste entfernt halten und eine Zeit lang alle Segel gesetzt lassen, bis sich die Lage wieder etwas beruhigt hat. Ich hatte es nicht so geplant, aber von jetzt an führt kein Weg mehr zurück. Wenn wir gefangen werden, sind wir tot.«

»Ich werde jedenfalls kein Pirat«, unterbrach ihn Gaditicus. »Wir haben das hier angefangen, um gegen diese Schweine zu kämpfen – nicht, um uns ihnen anzuschließen!«

»Der Quästor hat unsere Namen, erinnerst du dich?«, sagte Julius. »In der Meldung, die er nach Rom schickt, wird stehen, dass wir ein Schiff gestohlen und einen seiner Männer ertränkt haben. Ob es dir nun gefällt oder nicht, wir sind so lange Piraten, bis uns ein Ausweg aus dieser Zwangslage einfällt. Unsere einzige Hoffnung besteht darin, weiterzumachen und Celsus gefangen zu nehmen. Dann können wir wenigstens unseren guten Willen zeigen. Vielleicht nageln sie uns dann nicht ans Kreuz.«

»Jetzt sieh dir an, in welche Lage uns deine Ideen gebracht haben!«, knurrte Suetonius und schüttelte die Faust. »Das ist eine Katastrophe! Keiner von uns kann wieder zurück.«

Ein allgemeiner Streit brach aus, und Julius ließ sie alle schreien, während er gegen seine eigene Verzweiflung ankämpfte. Hätte der Quästor die Nacht doch nur im Bett verbracht, dann könnten sie sich jetzt einfach auf die Suche nach ihren Peinigern machen.

Endlich fühlte er sich gefasst genug, um seine Kameraden zu unterbrechen.

»Wenn ihr mit Streiten fertig seid, erkennt ihr wahrscheinlich, dass uns überhaupt nichts anderes übrig bleibt. Wenn wir uns stellen, bringt uns der Quästor vor Gericht und lässt uns hinrichten. Das ist unausweichlich. Ich möchte noch etwas hinzufügen.«

Stille breitete sich aus, und ihm wurde übel, als er die Hoffnung auf den Gesichtern sah. Sie glaubten immer noch, er könne etwas ändern, dabei blieben ihm nur Versprechungen, an die er selbst nicht so recht glaubte. Er sah den Offizieren der Accipiter einem nach dem anderen in die Augen, um sie alle mit einzuschließen.

»In dem stinkenden Gefängnis wäre es uns allen wie ein Traum vorgekommen, hier auf einem Schiff zu sein und gegen unsere Feinde kämpfen zu können. Der Preis war hoch, aber darum werden wir uns kümmern, sobald Celsus vor unseren Füßen liegt und sein Gold uns gehört. Also richtet euch auf.«

»Rom behält seine Feinde lange im Gedächtnis«, gab Gaditicus mit hohler Stimme zu bedenken.

Julius zwang sich zu einem Lächeln.

»Aber wir sind nicht die Feinde Roms. Das wissen wir. Jetzt müssen wir nur noch die anderen davon überzeugen.«

Gaditicus schüttelte langsam den Kopf, kehrte Julius den Rücken zu und ging über das Deck davon. Das erste Licht des Morgens zeichnete sich am Himmel ab, und graue Delfine spielten und sprangen vor dem stumpfen Bug, während die Ventulus mit schnellem Schlag der Ruder durch die Wellen pflügte und sie weit vom Land und der Vergeltung forttrug.

15

Servilia schritt langsam und in Gedanken versunken mit ihrem Sohn, dem das gemächliche Tempo nichts auszumachen schien, über das Forum. Sein Blick konzentrierte sich auf das Senatsgebäude, dem sie sich allmählich näherten. Servilia nahm die großen Bögen und Kuppeln kaum noch wahr, denn sie hatte sie schon tausend Mal gesehen.

Sie sah Brutus von der Seite an, ohne dass er es bemerkte. Auf ihre Bitte hin war er in der vollen, glänzenden Rüstung eines Zenturios der Legion zu ihrem Treffen erschienen. Sie wusste, dass er den Klatschmäulern der Stadt sofort auffallen würde. Sie würden nach seinem Namen fragen und den jungen Mann für ihren Liebhaber halten. Inzwischen konnten ihnen aber schon andere im Vertrauen zuflüstern, ihr Sohn sei zu ihr zurückgekehrt, und sie würden alsbald mit dem größten Vergnügen versuchen, diesem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Es war ganz und gar unmöglich für ihn, ungesehen und unbemerkt durch das Herz der Stadt zu gehen, das wusste sie. Seinem Gang mit dem zum Lauschen geneigten Kopf haftete etwas Wildes, Ungebändigtes an, ein Selbstvertrauen, dem die Menge fast unbewusst Platz machte.

Seit einem Monat hatten sie sich jeden Tag getroffen, zuerst in ihrem Haus und dann zu Spaziergängen durch die Stadt. Am Anfang waren die kleinen Ausflüge eher steif und unangenehm gewesen, im Laufe der Tage jedoch konnten sie unbefangener miteinander umgehen und sogar lachen, auch wenn diese Augenblicke selten waren.

Sie war überrascht, wie viel Freude es ihr bereitete, ihm die Heiligtümer zu zeigen und die Geschichten und Legenden zu erzählen, die sie umgaben. Rom war voller Legenden, und er nahm sie alle mit einem lebhaften Interesse auf, das ihre eigene Begeisterung neu entfachte.

Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar und steckte es mit einer beiläufigen Bewegung eng am Hinterkopf zusammen. Ein Mann blieb stehen und starrte sie an. Brutus warf ihm einen finsteren Blick zu, woraufhin Servilia ein Kichern unterdrücken musste. Manchmal versuchte er sie zu beschützen und vergaß dabei, dass sie schon sein ganzes junges Leben lang in der Stadt überlebt hatte. Doch von ihm ließ sie es sich gefallen.

»Heute tagt der Senat«, sagte sie, als sie sah, wie Brutus versuchte, durch die Bronzetüren in die dunkle Vorhalle zu blicken.

»Weißt du, worüber heute debattiert wird?«, fragte er.

Er hatte inzwischen akzeptiert, dass es hinsichtlich des Senats nur wenig gab, worüber sie nicht Bescheid wusste. Er hatte sie nicht gefragt, ob sie Liebhaber in der Nobilitas hatte, aber die Art und Weise, wie er dem Thema vorsichtig auswich, ließ an seinem Verdacht nicht zweifeln. Sie lächelte ihn an.

»Das meiste ist schrecklich öde: Ernennungen, Stadtverordnungen, Steuern. Diesen verstaubten Mumien scheint das Spaß zu machen. Es wird bestimmt dunkel, bis sie fertig sind.«

»Ich würde es mir gerne anhören«, sagte er sehnsüchtig. »Ob nun öde oder nicht, ich würde diesen Leuten gerne einen Tag lang zuhören. Von diesem Gebäude aus werden die Geschicke des gesamten römischen Reiches bestimmt.«

»Nach spätestens einer Stunde würdest du dich langweilen. Der größte Teil der eigentlichen Arbeit passiert im Hintergrund. Was du siehst, ist nur das letzte Stadium von Gesetzen, über denen sie schon wochenlang gebrütet haben. Nichts, was einen jungen Mann begeistern könnte.«

»Mich schon«, erwiderte er. Servilia nahm den wehmütigen Unterton in seiner Stimme wahr und fragte sich erneut, was sie mit ihm anfangen sollte. Es schien ihm zu genügen, die Vormittage mit ihr zu verbringen, aber keiner von ihnen hatte bisher über die Zukunft geredet. Vielleicht war es richtig, einfach nur die Gegenwart des anderen zu genießen, manchmal jedoch sah sie deutlich sein Verlangen, weiterzukommen, das aber bisher noch kein Ziel gefunden hatte. Sie wusste, dass er sich treiben ließ, wenn er mit ihr zusammen war, dass er eine Weile von seinem Lebensweg abschweifte. Sie wollte keinen Augenblick davon missen, aber vielleicht brauchte er doch einen Anstoß, um sich wieder selbst zu finden.

»In einer Woche beraten sie über die Ernennung der höchsten Posten«, sagte sie leichthin. »Rom bekommt einen neuen Pontifex Maximus und neue Beamte. Auch das Oberkommando über die Legionen wird in diesen Tagen festgelegt.« Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sein Kopf ruckartig herumfuhr. Unter seinem entspannten Äußeren schlummerte also doch noch ein ordentliches Maß an Ehrgeiz!