Der junge Mann erbleichte vor Wut und Hilflosigkeit. »Ich werde…« Er verstummte, und ein schrecklicher Zweifel stieg in seinem Gesicht auf.
»Du wirst dich jetzt neben diesen Adler stellen, bis wir so weit sind, dich den Eid ablegen zu lassen. Bis man mir etwas anderes sagt, bist du der erste Rekrut des Tages.«
»Du kannst mich nicht daran hindern zu gehen!«, erwiderte Germinius mit überschnappender Stimme.
»Einen rechtmäßigen Befehl missachten? Ich lasse dich auspeitschen, wenn du dich auch nur einen weiteren Schritt von mir entfernst. Nimm Haltung an, ehe ich die Geduld verliere!«
Der gebellte Befehl ließ Germinius in ohnmächtiger Wut stehen bleiben. Unter Renius’ Blicken richtete er sich auf. Seine Freunde schickten sich an, sich unauffällig aus dem Staub zu machen.
»Eure Namen!«, fuhr Renius sie an, und sie erstarrten. Sie blickten ihn stumm an, und er zuckte die Achseln.
»Schreibt sie als Legionäre zwei und drei des heutigen Tages auf. Das reicht – jetzt, wo ich eure Gesichter kenne! Steht vor der Menge stramm, Männer.« Er drehte sich einen Augenblick zu den Soldaten der Primigenia um und beachtete ihre Verblüffung nicht weiter.
»Falls sie weglaufen«, sagte er laut und deutlich, »werden sie zurückgeholt und noch hier auf dem Feld ausgepeitscht. Das kostet uns vielleicht ein paar Rekruten, aber die anderen können ebenso gut sehen, dass der strahlende Ruhm auch seine Schattenseiten hat.«
Die drei jungen Römer standen stocksteif zur Menge gekehrt da, und Renius ließ sich überrascht von Brutus ein paar Schritte weit außer Hörweite ziehen.
»Cato wird toben«, murmelte Brutus. »Er will seinen Sohn bestimmt nicht ausgerechnet in dieser Legion sehen.«
Renius räusperte sich und spuckte in das staubige Gras des Feldes. »Er wird ihn aber auch nicht als Feigling gebrandmarkt sehen wollen. Es ist deine Entscheidung, aber du gewinnst nichts damit, wenn du ihn jetzt laufen lässt. Vielleicht versucht er, sich freizukaufen, vielleicht steht er es auch durch. In ein oder zwei Tagen werden wir es wissen.«
Brutus sah den alten Gladiator an und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Du hast mir das eingebrockt, also werde ich es jetzt durchstehen.«
Renius hielt seinem Blick stand. »Wenn du ihn geschlagen hättest, hätte sein Vater dich töten lassen.«
»Du wusstest doch gar nicht, wer er war, als du mich aufgehalten hast!«, wandte Brutus ein.
Renius seufzte. »Ich habe dir doch wirklich mehr beigebracht, mein Junge. Was soll ich denn sonst denken, wenn ein Junge das Wappen seines Vaters auf einem Goldring trägt, der groß genug ist, um damit ein Haus zu kaufen?«
Brutus sah ihn blinzelnd an, ging dann zu den drei neuen Rekruten hinüber und warf einen unauffälligen Blick auf Germinius’ Hand. Gerade, als er zu Renius zurückgehen wollte, lösten sich drei junge Burschen aus der Menge und kamen auf den Adler der Primigenia zu.
»Schreibt eure Namen auf die Rolle dort und stellt euch zu den anderen, Jungs«, sagte Renius zu ihnen. »Sobald wir genug beisammen haben, lassen wir euch den Eid ablegen.« Er winkte sie herüber, und ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
22
Die Hitze Griechenlands und die ständigen Ausflüchte machten es Julius schwer, sein Temperament im Zaum zu halten. Er brauchte dringend Rekruten, aber die römische Stadt hinter den Mauern hatte ihre ureigenste Pflicht vergessen und begegnete jeder Forderung mit Verzögerungen und Verhandlungen.
»Ich habe die jungen Männer. Jetzt bringt uns die Veteranen«, sagte Julius zum Stadtältesten.
»Was denn? Willst du uns ganz ohne Schutz lassen?«, stieß der Mann entrüstet hervor.
Julius schwieg und wartete einige Augenblicke, ehe er antwortete, so wie Renius es immer getan hatte. Er hatte festgestellt, dass die kleinen Pausen seinen Worten mehr Gewicht verliehen als alles andere.
»Meine Männer ziehen direkt von hier aus los, um Mithridates anzugreifen. Ihr braucht euch vor niemandem sonst zu schützen. Ich habe keine Zeit mehr, um noch mehr Bauern zu Legionären auszubilden, und nach allem, was du gesagt hast, gibt es im Umkreis von hundert Meilen keine weitere römische Streitmacht.
Ich möchte jeden Mann innerhalb eurer Mauern, der jemals im Dienste Roms ein Schwert gehalten hat, hier draußen sehen, so gut gerüstet und bewaffnet, wie ihr es vermögt.«
Der bedrängte Älteste wollte abermals etwas entgegnen, doch Julius fiel ihm ins Wort, wobei er die Stimme nur wenig hob. »Ich hoffe, ich brauche hier nicht noch einmal die Voraussetzungen für ihren Ruhestand zu erörtern. Es wäre ein Angriff auf ihre Ehre, wenn ich sie daran erinnern müsste, dass ihnen unter der Bedingung Land überlassen wurde, dass sie jederzeit wieder antreten, sobald Rom nach ihnen ruft. Es ist so weit – die Stadt ruft. Schick sie heraus.«
Der Älteste drehte sich um und rannte beinahe in den Ratssaal zurück. Julius wartete, während seine Männer hinter ihm stramm standen. Er hatte genug von der Verzögerungstaktik des Stadtrats, und allmählich verspürte er auch kein Mitgefühl mehr mit diesen Städtern. Sie lebten in einem eroberten Land, und die entfernte Gefahr eines Aufstands war nun Wirklichkeit geworden. Glaubten sie etwa, sie könnten ihn hinter ihren schönen Mauern aussitzen? Er fragte sich, was wohl geschehen wäre, wenn Mithridates vor ihm hier eingetroffen wäre. Er wäre jede Wette eingegangen, dass sie ihm aus Angst um ihre Familien die Treue geschworen, die Tore geöffnet und im Staub vor ihm gekniet hätten.
»Da kommt jemand die Hauptstraße herauf«, sagte Gaditicus hinter ihm.
Julius drehte den Kopf nach links und lauschte auf den gleichmäßigen Schritt von mindestens einer Zenturie Legionäre. Er fluchte leise. Eine Konfrontation mit einem anderen Offizier der regulären Legion hatte ihm gerade noch gefehlt.
Als die Einheit in Sicht kam, machte Julius’ Herz einen Sprung.
»Legionäre… halt!«, ertönte eine raue Stimme, und der Befehl hallte von den Mauern rings um den kleinen Platz wider.
Einer von Julius’ Männern pfiff leise bei dem Anblick, der sich ihnen bot. Die Männer waren alt. Sie trugen Rüstungen, die teilweise aus der Zeit von vor fünfzig Jahren stammten, mit einfacheren Metall- und Kettenpanzern. Ihre Körper zeigten die Spuren jahrzehntelanger Kriege. Einigen fehlte ein Auge oder eine Hand. Andere hatten uralte, schlecht genähte Narben im Gesicht und auf den Gliedern, die ihre Haut in langen Halbkreisen überzogen.
Der Kommandeur war ein kräftiger Mann mit kahl rasiertem Schädel und muskulösen Schultern. Sein Gesicht war voller Falten, aber er vermittelte immer noch einen Eindruck von Stärke, der Julius entfernt an Renius erinnerte. Instinktiv erkannte er in Julius, der sich ein Stück weit von den anderen entfernt hielt, den Befehlshaber und salutierte vor ihm.
»Quertorus Far meldet sich zur Stelle, Herr. Wir dachten, ehe der Rat noch den ganzen Tag mit Reden verbringt, erteilen wir uns selbst den Befehl zum Ausrücken. Die Veteranen sind zur Musterung bereit, Herr.«
Julius nickte und folgte ihm, während immer mehr Legionäre auf den Platz hinaustraten und sich in sauberer Formation aufstellten.
»Wie viele sind es?«, fragte er und versuchte den Wert der Weißbärte einzuschätzen, die vor ihm in der Wintersonne strammstanden.
»Insgesamt fast vierhundert, Herr, aber einige sind noch von weiter entfernt liegenden Höfen hierher unterwegs. Bis zum Einbruch der Dunkelheit müssten alle hier sein.«
»Und das Durchschnittsalter?«, fuhr Julius fort.
»Es sind Veteranen, Herr. Das heißt, sie sind alt. Aber sie haben sich alle freiwillig gemeldet, und sie sind so zäh und hart, wie du sie brauchst, wenn du Mithridates ausräuchern willst. Sie werden ein paar Tage zusammen exerzieren müssen, aber bedenke, sie haben alle mehr als eine Prüfung bestanden. Viele Männer sind im Lauf der Jahre für Rom gestorben. Diese hier haben überlebt.«