Der Mann trug eine anmaßende Miene zur Schau, aber Julius hörte den Glauben in seinen Worten, mit denen der Glatzkopf den jungen Offizier, der auf der Suche nach einer Armee in ihre Stadt gekommen war, beruhigen wollte.
»Und du, Quertorus? Befehligst du sie?«
Der glatzköpfige Mann lachte, ein kurzes, rasselndes Geräusch, das sofort wieder abrupt endete.
»Ich nicht, Herr. Der Rat denkt wahrscheinlich, er täte es, aber die meisten dieser Männer gehen schon seit langem ihre eigenen Wege. Aber nachdem Mithridates den Hafen erobert hatte, haben sie angefangen, ihre Schwerter zu polieren, wenn du weißt, was ich meine.«
»Du redest, als würdest du nicht zu ihnen gehören«, sagte Julius und ließ es wie eine Frage klingen.
Quertorus hob die Augenbrauen. »Aber nicht mit Absicht, Herr. Ich habe zwanzig Jahre bei der Ersten Cyrenaica gedient, zehn davon als Optio.«
»Die letzten zehn?«, fragte Julius aus irgendeinem Instinkt heraus.
Quertorus räusperte sich und wandte einen Moment den Blick ab.
»Mehr so zehn in der Mitte, Herr. Gegen Ende habe ich meinen Rang wegen übermäßigem Glücksspiel verloren.«
»Ich verstehe. Nun, Quertorus, es sieht ganz so aus, als hätten du und ich uns wieder auf ein Glücksspiel eingelassen«, entgegnete Julius leise.
Quertorus strahlte ihn an und zeigte Zahnlücken im Unterkiefer. »Ich würde nicht gegen meine Männer wetten, Herr. Nicht, bevor du sie gesehen hast.«
Julius betrachtete die dichten Reihen mit weniger Vertrauen, als er sich anmerken ließ.
»Ich hoffe, du hast Recht. Und jetzt tritt ins Glied zurück, dann werde ich zu ihnen sprechen.«
Einen Augenblick dachte er, Quertorus würde sich weigern, und er fragte sich, ob es außer dem Glücksspiel noch andere Gründe dafür gab, dass der Mann seinen Rang verloren hatte. Die meisten Legionäre spielten, wenn sie nicht im Dienst waren. Dann trat der Kahlkopf ins Glied zurück und nahm, die Augen interessiert auf Julius gerichtet, Haltung an. Julius holte tief Luft.
»Veteranen Roms!«, donnerte er, so dass die dicht vor ihm Stehenden zusammenfuhren. Er hatte immer schon eine kräftige Stimme gehabt, jetzt jedoch fragte er sich, ob sie ausreichen würde, falls einige von ihnen taub waren.
»Meine Männer und ich sind durch zwei Dörfer südlich von hier marschiert, ehe wir auf der Suche nach Rekruten hierher gekommen sind. Dort haben wir erfahren, dass Mithridates sein Lager ungefähr einhundert Meilen westlich aufgeschlagen hat. Ihr könnt sicher sein, dass in diesem Moment, in dem ich hier zu euch spreche, bereits römische Legionen auf dem Marsch sind und von den Häfen Dyrrachium und Apollonia aus in Richtung Osten vorrücken. Ich habe vor, ihn auf sie zuzutreiben und der Hammer für den römischen Amboss zu sein.«
Jetzt hatte er ihr Interesse geweckt. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, die seiner eigenen Männer und die der ergrauten Veteranen. Er dankte den Göttern für die Entscheidung, die zehn Meilen nach Norden zu marschieren, um in der Stadt nach Rekruten zu suchen.
»Mit euch habe ich eintausend Mann unter meinem Befehl, um Mithridates anzugreifen. Einige aus dieser Stadt und den Dörfern sind nicht ausgebildet. Andere, die ich mitgebracht habe, kennen sich nur im Kampf zur See auf römischen Galeeren aus. Ihr wart die Landlegionen, also müsst ihr auf dem Marsch unser Rückgrat bilden. Ich werde jedem von euch einen Schwertbruder von meinen Männern zuteilen, den ihr ausbilden werdet.«
Er machte eine Pause. Als alles ruhig blieb, wusste er, dass sich die Veteranen immer noch an die alte Disziplin erinnerten. Er fragte sich, wie viele von ihnen die Meilen überstehen würden, ehe es überhaupt zum Kampf kam. Mit jungen, frischen Soldaten hätte er die Strecke in drei oder vier Tagen zurücklegen können, aber mit diesen hier? Das konnte man nicht vorhersagen.
»Ich brauche einen von euch als Quartiermeister, der aus den Vorräten in der Stadt Marschgepäck, Ausrüstung und Verpflegung zusammenstellt.«
Quertorus trat mit begeistert blitzenden Augen vor.
»Quertorus?«, sagte Julius zu ihm.
»Quartiermeister, Herr, mit deiner Erlaubnis. Ich habe schon lange auf eine Gelegenheit gewartet, dem Rat eins auszuwischen.«
»In Ordnung, aber ihre Beschwerden sollen sie an mich richten, und ich werde sie ernst nehmen. Nimm drei von meinen Männern mit und fang an, deine Vorkehrungen zu treffen. Wir brauchen einen Schild für jeden Mann, und alles an Speeren und Bögen, was ihr finden könnt. Eine Feldküche soll draußen vor den Mauern für alle eine Mahlzeit bereit haben, ehe es dunkel wird. Es ist immer noch hell genug, um zu exerzieren, und ich möchte sehen, wie gut sich die Männer bewegen können. Sie werden hungrig sein, wenn wir fertig sind.«
Quertorus salutierte und marschierte zackig hinüber zu Gaditicus, der immer noch in Habachtstellung an der Stelle stand, wo Julius ihn mit den anderen zurückgelassen hatte. Julius sah zu, wie er zwei weitere Männer auswählte, die mit ihm gehen sollten, und versuchte das ungute Gefühl beiseite zu schieben, gerade den Bock zum Gärtner gemacht zu haben. Als sie davoneilten, erblickte Julius den Stadtältesten, der aus der Ratshalle gestürzt kam und direkt auf die versammelten Veteranen zuhielt. Julius wandte sich ohne Interesse von ihm ab. Was immer der Rat auch entschieden haben mochte, es war nicht mehr wichtig.
»Ich habe gesehen, wie ihr steht, und an euren Narben kann ich erkennen, dass ihr kämpfen könnt!«, rief er über die Reihen. »Jetzt will ich sehen, ob ihr euch noch an die Formationen erinnert!«
Auf seinen Befehl hin machten sie kehrt und marschierten die Hauptstraße entlang zu dem Tor, das aus der kleinen Stadt hinausführte. Diejenigen, die in den Nebenstraßen hatten warten müssen, fielen präzise hinter den anderen ein, und Julius gab Gaditicus ein Zeichen, den Schluss zu bilden. Die beiden Männer wechselten einen kurzen Blick, als sie sich der hinausmarschierenden Kolonne anschlossen. Der Stadtälteste rief ihnen irgendetwas hinterher, aber seine Stimme wurde immer leiser, bis ihm klar wurde, dass sie ohnehin nicht mehr auf ihn hörten.
Es dauerte eine Weile, bis die Legionäre vier gleiche Reihen gebildet hatten, in denen sowohl die Veteranen als auch die jüngeren Männer standen. Julius schritt zackig vor den Reihen auf und ab und versuchte dabei die Qualität der Männer einzuschätzen, die sich in seinem Namen versammelt hatten. Während er sie finster anblickte, versuchte er sich verzweifelt an die Lektionen in Kampftaktik sowie an die Übungen zu erinnern, die ihm Renius vor so vielen Jahren eingepaukt hatte. In keiner davon war es darum gegangen, eine Legion von Null aufzubauen, aber vieles fiel ihm wieder ein, als er über die praktischen Probleme nachdachte, die es mit sich brachte, eine große Gruppe marschieren und Befehle befolgen zu lassen. Nur eine Sorge wollte nicht von ihm weichen: Würde einer der Veteranen merken, dass er noch nie Infanterie befehligt hatte? Sein Blick verfinsterte sich noch mehr. Er würde ihnen einfach etwas vorspielen müssen.
Mit den Eckmännern beginnend, bildete er ein einfaches Viereck und ging im Kopf die Zahlen durch, während sie warteten. Er trennte die anderen in dreißig durchnummerierte Reihen und wies die Eckmänner an, ihre Posten einzunehmen. Als sie bereit waren, rief Julius den Befehclass="underline" »Langsamer Marsch ins Quadrat!«
Es ging holprig, aber die Männer bewegten sich ernst und konzentriert, bis sie wieder schweigend dastanden.
»Und jetzt seht euch um, meine Herren. Ich will so oft als möglich einen Veteranen neben einem jüngeren Mann stehen haben. Wir werden Geschwindigkeit mit Erfahrung mischen. Bewegt euch!«
Wieder wechselten sie ihre Positionen, und das Geräusch der scharrenden Füße ohne begleitendes Gemurmel klang gespenstisch. Julius sah, wie seine Männer in ihrem Verhalten dem Beispiel der Veteranen folgten, und lächelte leicht, als ihm Renius’ Worte einfielen, ein Anführer müsse respektiert werden, aber kalt sein. Er durfte nicht lächeln. Sie durften ihn nicht mögen. Marius hatten sie geliebt, aber sie hatten jahrelang für ihn gekämpft, und so viel Zeit blieb Julius nicht.