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»Und wie sollen wir ihnen entkommen, wenn der Tag anbricht?«, fragte Julius gereizt. »Nein. Wir marschieren so lange, bis wir gute Deckung finden.« Er wandte den Blick ab, um den mürrischen Gesichtsausdruck nicht sehen zu müssen, den seine Worte unweigerlich hervorriefen. Doch selbst der wäre leichter zu ertragen als die bösartige Freude, die den jungen Offizier seit dem Überfall ergriffen hatte. Sie bereitete ihm Übelkeit. Für Julius war es eine kurze, ruhmlose Schlacht gewesen, eine einfache und praktische Methode, um den Gegner zu dezimieren. Der heiße Rausch, der während des Kampfs durch seine Adern geflossen war, war verebbt, sobald er wieder in Sicherheit war, Suetonius jedoch hatte das leichte Töten beinahe körperlich erregt wie eine Liebesnacht.

Auch die Veteranen hatten sich so schnell wie möglich aus dem griechischen Lager zurückgezogen, und zwar ohne zu jubeln, wie Julius aufgefallen war, und ohne auf kleinere Verletzungen zu achten. Sie marschierten schweigend dahin, wie Julius es befohlen hatte. Nur Suetonius schnatterte unentwegt, und schien gar nicht mehr aufhören zu können, sich selbst zu loben.

»Wir könnten unsere Bogenschützen hinschicken, sie aus der Deckung heraus feuern und sich wieder zurückziehen lassen«, schlug er vor. Sein Mund öffnete sich feucht bei dieser Vorstellung. »Hast du gesehen, wie ich den Wachposten erledigt habe? Genau in die Kehle, es war einfach perfekt.«

»Sei still!«, fuhr Julius ihn an. »Zurück ins Glied, und halt den Mund.« Er hatte genug von ihm, und seine Freude über das Gemetzel widerte ihn an. Bei den Gefechten auf See war sie anscheinend nicht zum Vorschein gekommen, aber schlafende Männer zu töten hatte etwas Hässliches in dem jungen Offizier geweckt, das Julius so weit wie möglich von sich wegschieben wollte. Die Erinnerung an die Kreuzigungen kam ihm in den Sinn, und er schauderte und fragte sich, ob Suetonius wohl Gnade gezeigt oder bis zum letzten Mann weitergemacht hätte. Er argwöhnte, dass es unter Suetonius’ Befehl sehr lange gedauert hätte.

Als der junge Wachoffizier nicht augenblicklich gehorchte, hätte ihn Julius beinahe geschlagen. Er schien zu glauben, dass zwischen ihnen eine besondere Beziehung bestände, die auf gemeinsamen Erinnerungen beruhte, auch auf denen in der Zelle auf Celsus’ Schiff. Julius sah ihm ins Gesicht, das vor Gehässigkeit verzerrt war. Der Mund bewegte sich, als wolle er etwas auf den Befehl erwidern.

»Zurück, oder ich töte dich auf der Stelle!«, fauchte ihn Julius an, und die schlanke Gestalt trollte sich endlich zwischen die Männer, die in der Dunkelheit hinter ihm marschierten.

Einer der Veteranen stolperte und fluchte. Ohne Mondlicht passierte das nur allzu leicht. Sie hatten von Anfang an ohne zu murren ein strammes Marschtempo angeschlagen. Jeder von ihnen wusste, dass Mithridates zur Verfolgung ansetzen würde, sobald es hell genug war, um etwas sehen zu können. Ihnen blieben weniger als zwei Stunden bis Tagesanbruch. Bei vollem Marschtempo konnten sie in dieser Zeit knapp zehn Meilen zurücklegen.

Mit den Verwundeten würde es weniger sein. Die Männer, denen das Laufen schwer fiel, wurden von zwei anderen gestützt, ohne darum bitten zu müssen, aber die meisten waren nur leicht verwundet. Durch die Art des Kampfes waren die Römer entweder tot oder unversehrt geblieben. Julius hatte noch keine Zeit gehabt, ihre Verluste zu schätzen, aber seiner Vermutung nach hatten sie sich gut geschlagen, viel besser, als er zu hoffen gewagt hatte.

Während er dahinmarschierte, überlegte er, wie er die griechische Armee verteidigt hätte, wenn er für sie verantwortlich gewesen wäre. Als Erstes hätte er ein besseres Wachsystem eingeführt. Diese Schwachstelle hatte sie bis ins Herz des Lagers gelangen lassen, ohne dass Alarm gegeben wurde. Die Wölfe hatten Glück gehabt, wie es schien, aber bei all seinen Fehlern war Mithridates kein Trottel. Das nächste Mal würde es nicht so leicht gehen. Mehr Römer würden sterben. An der Spitze der langen Kolonne blieb Julius in der Stille der Nacht endlich ein Augenblick Zeit, um den Erfolg einzuschätzen. Trotz seiner abstoßenden Begeisterung hatte Suetonius Recht gehabt. Der Überfall war perfekt gewesen.

Als der Morgen graute, waren die meisten Männer erschöpft. Verbissen zwang Julius sie mit pausenlosen Befehlen und Drohungen, sich noch weiterzuschleppen. Nach einigen weiteren Meilen kamen sie zu einer Kette steiler, bewaldeter Hügel, in denen sie sich während des Tages verstecken konnten, ohne entdeckt zu werden. Dort konnten sie essen und schlafen, doch als er hörte, wie die Veteranen stöhnten und selbst ihr eiserner Wille bei dem endlosen Marsch nachließ, vermutete er, dass sie sich noch eine Weile versteckt würden halten müssen, bis sie ihre Kräfte wiedererlangten.

Bei Tagesanbruch schickte Mithridates seine wenigen Reiter in Gruppen zu zwanzig Mann los, mit dem Befehl, ihm den Feind zu melden, sobald sie ihn entdeckten. Sein ursprünglicher Plan, das gesamte Lager abzubrechen, um sich auf die Suche zu machen, hatte ihm Sorgen bereitet. Vielleicht wollten sie ja genau das erreichen, ihn dazu bringen, den offensichtlichen Schutz des kleinen Tals zu verlassen und hinaus in die Ebene zu ziehen, auf der die verborgene Legion sie auseinander nehmen konnte. Von hilfloser Wut gequält, schritt er in seinem Zelt auf und ab und verfluchte seine Unentschlossenheit. Sollte er sich in eine Stadt zurückziehen? Sie gehörten alle den Römern, und die würden ihre Mauern bis zum letzten Mann verteidigen. Aber wo konnte er auf der Ebene Sicherheit finden? Es war durchaus möglich, dass weitere Legionen von Westen herankamen, um den Aufstand niederzuschlagen, das wusste er, und er spielte mit dem Gedanken, seine Armee aufzulösen und die Männer nach Hause zu schicken, zurück auf ihre Höfe und in ihre Täler. Nein, das konnte er nicht tun. Die Römer würden sie auf der Suche nach den Rebellen einen nach dem anderen finden. Damit wäre überhaupt nichts gewonnen.

Er knirschte in ohnmächtiger Wut mit den Zähnen. Seit er in der vergangenen Nacht die Leichen seiner Männer gesehen hatte, brodelte es in ihm. Würde sich Alexander zwischen den Legionen in die Falle locken lassen?

Plötzlich blieb er stehen. Nein, das würde Alexander auf keinen Fall tun. Alexander würde ihnen entgegenmarschieren und sie zur Schlacht herausfordern. Aber in welcher Richtung? Wenn er mit seiner Armee nach Osten aufbrach, konnten ihn die, die von der Küste kamen, immer noch einholen. Marschierte er nach Westen, auf die römischen Häfen zu, würden die nächtlichen Mörder seiner Nachhut keine ruhige Minute gönnen. Die Götter mochten ihm verzeihen, aber was würde Sulla tun? Wenn die Späher ohne Neuigkeiten zurückkehrten und er nicht handelte, würden seine Männer anfangen zu desertieren, davon war er überzeugt.

Mit einem Seufzer goss er sich einen dritten Becher Wein ein, trotz des sauren Gefühls in seinem leeren Magen, der gegen eine solche Behandlung so früh am Tag rebellierte. Gereizt ignorierte er das unangenehme Gefühl und stürzte den Wein hinunter. Bald würde er seinen Söhnen sagen müssen, dass sie schuld am Tod vieler Männer waren, weil sie in der Nacht nicht schnell genug reagiert hatten.

Er trank mehr und mehr, während der Tag verging und die Späher auf schweißnassen Pferden ohne Nachrichten zurückkehrten. Von allen Männern im Lager war Mithridates, der König, der Einzige, der sich bei Einbruch der Nacht in den Schlaf getrunken hatte.

Julius wusste, dass die Einschätzungen des kurzen nächtlichen Überfalls ungenau oder übertrieben sein würden. Es lag in der Natur der Soldaten, größere Erfolge in Anspruch zu nehmen, als sie errungen hatten. Doch selbst eingedenk dieser Tatsache hatten sie Mithridates’ Streitmacht um achthundert bis tausend Mann dezimiert und dabei selbst nur elf Männer verloren. Diese Legionäre würden nicht unter den Augen der römischen Götter begraben werden. Sie hatten keine Zeit gehabt, ihre Toten mitzunehmen, trotzdem war es den Veteranen, die ihre eigenen Leute noch nie gerne in den Händen der Feinde zurückgelassen hatten, ein Dorn im Fleisch.