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Ein Leichnam lag unbeachtet zwischen den Zelten. Der König blieb stehen und betrachtete ihn, wütend und beschämt, weil der junge Krieger nicht beerdigt worden war. Mehr noch als die stumpfen Blicke seiner Männer bewies ihm dies, wie weit es mit ihnen gekommen war, seit sie die Hügel mit spitzen Pfählen gesichert und auf ihren Erfolg und die Vernichtung Roms angestoßen hatten. Wie er diesen Namen hasste.

Vielleicht hätte er mit seiner Armee abziehen sollen. Doch das weckte immer wieder diesen quälenden Gedanken, dass der Feind genau darauf hoffte, dass sie in die Ebene hinauszogen. Irgendwo da draußen, den Blicken seiner Späher verborgen, stand eine Legion Männer, mit einem Befehlshaber, der anders war als alle anderen, mit denen es Mithridates bisher zu tun gehabt hatte. Er schien sie Stück für Stück vernichten zu wollen. Plötzlich heranfliegende Pfeilsalven durchbohrten die Körper eines jeden, der einen Offiziershelm oder eine Standarte trug. Es war so weit gekommen, dass sich Männer geweigert hatten, die Fahnen zu tragen, und sich lieber zur Strafe auspeitschen ließen, als den in ihren Augen sicheren Tod zu riskieren.

Es war schlimm, die Moral der Armee aus solcher Höhe abstürzen zu sehen. Er hatte den Gruppen von Wachposten befohlen, jeden Mann zu töten, der zu desertieren versuchte, doch in der folgenden Nacht waren noch mehr verschwunden. Er wusste nicht einmal genau, ob sie gefallen oder davongelaufen waren. Manchmal fand er nur einen Haufen Rüstungen, als hätten sie sich des Metalls und ihrer Ehre einfach entledigt, manchmal jedoch waren die Haufen auch voller Blutflecken.

König Mithridates rieb sich das müde Gesicht und brachte etwas Farbe in seine Wangen zurück. Er wusste nicht, wann er das letzte Mal geschlafen hatte, weil er sich jetzt, wo während der Nacht jederzeit mit Angriffen zu rechnen war, nicht mehr zu betrinken wagte. Sie waren wirklich wie Geister, dachte er bleiern. Tödliche, flinke Gespenster, die weißes Fleisch hinter sich auf dem Gras zurückließen.

Seine Söhne hatten Eingreiftruppen zusammengestellt, damit immer frische Kämpfer als Verstärkung zur Verfügung standen, aber es hatte nichts genützt. Mithridates fragte sich, ob seine Soldaten absichtlich langsam vorrückten, um nicht als Erste auf den Feind zu treffen und getötet zu werden. Wenn die Römer verschwunden waren, erschien die Verstärkung mit viel Gebrüll und unter dem Klirren von Schwertern und Schilden. Dann umringten sie die Verwundeten und schrieen Beleidigungen in die Nacht hinaus, doch das war nur eine hohle Geste des Trotzes, das letzte Rufen oder Lachen eines Feiglings, nachdem er sich in Sicherheit wusste.

Nach und nach lichtete sich der Nebel, und Mithridates kniff sich mit den kräftigen Daumen in die Wangen, um die Kälte zu vertreiben. Bald würde er die Berichte über die in der Nacht verschwundenen Wachposten erhalten. Er hoffte innig, heute wäre einer der Morgen, an dem alle Männer zurückkehrten und ihr eigenes Glück kaum fassen konnten, während sie vor Erleichterung nach Stunden der Anspannung und Angst taumelten.

Einmal hatte er versucht, den Feind mit einer Truppe von hundert Soldaten, die sich in der Nähe von zwei Wachtposten versteckten, in einen Hinterhalt zu locken. Jeden einzelnen dieser Männer hatten sie am nächsten Morgen tot und starr aufgefunden. Danach hatte er es nicht noch einmal versucht. Geister.

Eine Brise erhob sich um ihn, und er zog den Umhang noch fester um sich. Nach wenigen Minuten hatte sich der Nebel in wehenden Wirbeln aufgelöst und gab den Blick auf die dunkle Ebene frei. Mithridates erstarrte vor Angst, als er die Reihen der Soldaten sah, die dort in vollkommener Stille warteten. Legionäre, in perfekter Schlachtordnung, in Reih und Glied. Das silberne Funkeln ihrer Rüstungen verschwamm schmerzhaft vor seinen Augen. Zwei Kohorten. Eintausend Mann. Sie standen in zweitausend Fuß Entfernung und warteten auf ihn.

Sein Herz schlug schmerzhaft unter den kräftigen Muskeln seiner Brust. Ihm wurde ein wenig schwindelig. Er hörte, wie Rufe durch das Lager hallten, als die überlebenden Offiziere die Männer aus dem Schlaf rissen, damit sie aufstanden und ihre Positionen einnahmen. Da wallte Panik in ihm auf. Eintausend Mann auf einer Seite. Wo war der Rest?

»Sendet die Späher aus!«, brüllte er.

Männer rannten zu ihren Pferden und galoppierten durch das Lager.

»Bogenschützen zu mir!«, fuhr er fort. Der Befehl wurde weitergegeben.

Hunderte von Bogenschützen kamen auf die in den Umhang gehüllte Gestalt zugeströmt. Er versammelte ihre Offiziere um sich.

»Das muss eine List sein, ein Trick. Ihr müsst diese Seite des Lagers schützen. Schießt alle Pfeile ab, die ihr habt, um sie auf Distanz zu halten. Tötet sie alle, wenn ihr könnt. Ich verteidige die andere Seite des Tals, wo der Hauptangriff stattfinden wird. Benutzt alle Pfeile, ohne Zögern. Sie dürfen uns nicht in den Rücken fallen, wenn die anderen angreifen. Das würde unsere Kampfmoral nicht überstehen.«

Die Offiziere nickten, verbeugten sich und spannten noch beim Aufrichten geschickt ihre Bogen. In ihren Gesichtern waren die ersten Anzeichen der Erregung zu sehen, von der Freude an der Macht, den Tod in stechenden Schwärmen auszusenden, während sich die eigenen Männer in Sicherheit befinden.

Mithridates ließ sie ihre Einheiten bilden, nahm sein Pferd von dem Burschen entgegen, der es bereithielt, und trabte durch das Lager zur anderen Seite des Tals. Die Verzweiflung fiel von ihm ab und er reckte sich im Sattel, als er seine Männer überall bereitstehen sah. Es war Tag, und bei Tag konnten sogar Geister getötet werden.

Julius stand an der rechten Flanke der Veteranen, an der Spitze der Ventulus-Kohorte. Drei Reihen zu je einhundertsechzig Soldaten standen hinter ihm; sechs Zenturien zu je achtzig Mann, wobei die Veteranen in der ersten und dritten und die schwächsten Kämpfer in der zweiten Reihe standen, wo sie nicht zaudern oder weglaufen konnten. Zusammen mit Gaditicus und den Männern der Kohorte Accipiter nahmen sie fast eine Meile ein, schweigend und bewegungslos. Jetzt wurden keine Spiele mehr gespielt. Jeder der Wölfe wusste, dass er tot sein konnte, ehe die Sonne hoch am Himmel stand, doch sie hatten keine Angst. Sie hatten ihre Gebete gesprochen. Jetzt ging es ans Töten und Sterben.

Es war bitterkalt. Einige Männer zitterten, während sie darauf warteten, dass sich der Nebel hob. Keiner sprach ein Wort, und die neu ernannten Optios brauchten nicht einmal ihre Stöcke einzusetzen, um die jungen Männer zum Schweigen zu bringen. Alle Soldaten schienen die Bedeutung des Augenblicks zu spüren, als der Dunst endlich vom auffrischenden Wind vertrieben wurde. Ihre Köpfe hoben sich wie die von Hunden, die Witterung aufgenommen haben, denn sie waren sich der Wirkung, die ihr Anblick haben würde, wohl bewusst.

Ein paar Veteranen hatten den Angriff noch im Morgennebel beginnen wollen, aber Julius erklärte ihnen, dass sie dem Feind vor der letzten Attacke gehörig Angst einjagen wollten, woraufhin sich alle seinen Befehlen ohne Murren gebeugt hatten. Nach drei Wochen vernichtender Überfälle auf das Lager begegneten sie ihrem jungen Kommandeur mit einer Haltung, die an Ehrfurcht grenzte. Er schien jeden Schachzug des Mithridates im Voraus zu kennen und ihm gnadenlos zu begegnen. Wenn Julius sagte, die Zeit für einen letzten offenen Schlag sei gekommen, um die Griechen zu vernichten, dann würden sie ohne ein weiteres Wort mit ihm marschieren.

Julius betrachtete die Zeltreihen mit Interesse und genoss den Augenblick. Er fragte sich, welche der aufgeregt hin und her laufenden Gestalten der König sein mochte, aber er war sich nicht sicher. Als das Licht der Sonne das Tal erleuchtete, überfielen ihn einen Moment lang Zweifel. Auch wenn in den letzten Nächten wieder Hunderte gestorben oder desertiert waren, sah das gegnerische Lager immer noch riesig aus und ließ seine eigene Streitmacht im Vergleich dazu winzig wirken. In Erwartung dessen, was da kommen sollte, bleckte er die Zähne und wischte seine Zweifel beiseite, denn er wusste, wie stark der Gegner wirklich war. Viele der Zelte standen leer.