»Bei den Göttern! Das ist die Primigenia, oder?«
Brutus nickte mit leuchtenden Augen.
»Ich habe den Oberbefehl, auch wenn wir noch ein bisschen unter der normalen Truppenstärke liegen.«
»Um wie viel?«
»Im Augenblick um ungefähr viertausend Mann, aber ich bin noch dabei, sie aufzustocken.«
Julius stieß einen leisen Pfiff aus.
»Wir müssen über vieles reden. Weiß Tubruk, dass ich wieder da bin?«
Brutus warf einen Blick über die Schulter auf die weißen Mauern des Guts. Die Gestalt des Gutsverwalters hob von der Mauerkrone den Arm zum Gruß. Cabera winkte begeistert zurück.
»Ja, er weiß es«, erwiderte Brutus mit einem trockenen Lächeln.
»Ich muss in der Stadt Kasernen für meine Männer finden«, sagte Julius. »Sie können ihre Zelte hier auf dem Gut aufschlagen, während ich mich um das Nötigste kümmere, aber sie werden ein festes Quartier brauchen und einen Ort zum Exerzieren.«
»Ich weiß schon, wo, und ich kenne auch den richtigen Ausbilder«, antwortete Brutus. »Renius ist mit mir zurückgekommen.«
»Ich werde ihn brauchen, und dich auch«, erwiderte Julius, der bereits Pläne schmiedete.
Brutus lächelte. Sein Herz war leicht, als er seinen alten Freund betrachtete. Dessen Gesicht wies etliche neue Narben auf, die ihn härter aussehen ließen, als er ihn in Erinnerung hatte, doch er war noch immer derselbe. Spontan streckte er den Arm aus, und Julius, der von ähnlichen Gefühlen bewegt wurde, packte ihn fest.
»Ist meine Frau in Sicherheit?«, fragte Julius und suchte im Gesicht seines ältesten Freundes nach Neuigkeiten.
»Sie ist hier, mit deiner Tochter.«
»Ich habe eine Tochter?« Julius’ Lächeln zog sich in einem dümmlichen Strahlen über sein ganzes Gesicht. »Warum stehen wir denn dann noch hier herum? Eine Tochter! Komm mit!«
Rasch gab er den Befehl, unterhalb der Mauern das Lager aufzuschlagen, und eilte davon. Brutus folgte ihm mit seinen zwanzig Mann, während sein Verstand wild arbeitete. Er hatte Julius so viel zu erzählen. Über die Morde an Sulla und Pompeius’ Tochter, die Gerüchte aus dem Senat, die ihm seine Mutter zugetragen hatte. Sein Freund musste Servilia kennen lernen! Nun, da Julius zurückgekehrt war, schien die Welt wieder stabil zu sein, und Brutus spürte, wie ihn alle seine Sorgen verließen. Jetzt würde er mit Julius’ Hilfe die Primigenia zu alter Stärke zurückführen, und mit den Männern, die dieser mitgebracht hatte, würden sie anfangen. In Julius’ Nähe schienen Probleme ganz einfach zu lösen zu sein. Außerdem würde gerade sein Jugendfreund verstehen, warum die »Verräterlegion« wiedergeboren werden musste.
Brutus lachte, als er auf Tubruk traf, der mit belustigtem Gesichtsausdruck hinter dem Tor auf ihn gewartet hatte.
»Für einen Mann deines Alters hast du gute Augen«, sagte er zu dem alten Gladiator.
Tubruk lachte. »Ein Soldat achtet auf Einzelheiten, zum Beispiel darauf, wer den Befehl hat«, entgegnete er fröhlich.
Brutus schüttelte seine Verlegenheit mit einem Achselzucken ab.
»Wo ist denn Julius hingerannt?«
»Er ist bei seiner Frau und seiner Tochter, Junge. Lass ihn ein bisschen mit ihnen allein.«
Brutus’ Blick verfinsterte sich ein wenig. »Natürlich. Ich werde mit meinen Männern zurück in die Kaserne in der Stadt marschieren und dort die Nacht verbringen. Sag ihm, wo ich zu finden bin.«
»So habe ich das nicht gemeint… du brauchst nicht zu gehen, Junge«, beteuerte Tubruk schnell.
Brutus schüttelte den Kopf. »Nein. Du hast Recht. Er soll jetzt bei seiner Familie sein. Ich rede morgen mit ihm.« Steif drehte er sich um und befahl seinen Männern, vor dem Tor in Marschformation anzutreten.
Cabera kam in den Hof gewandert und strahlte in alle Richtungen.
»Tubruk!«, rief er. »Du sorgst doch bestimmt dafür, dass wir etwas Anständiges zu essen bekommen, oder? Es ist sehr lange her, seit ich das letzte Mal einen guten Wein getrunken und eins von diesen zivilisierten kleinen Gerichten gegessen habe, auf die ihr Römer so stolz seid. Soll ich schon mal zum Koch gehen? Ich mochte ihn gerne, er war ein guter Sänger. Bist du wohlauf?«
Die Sorgenfalten, die Tubruks Stirn durchzogen hatten, seit Brutus davonmarschiert war, glätteten sich. Es war unmöglich, nicht von der Begeisterung ergriffen zu werden, die Cabera überall zu verbreiten schien, wo er auftauchte. Der alte Mann hatte ihm ebenso sehr gefehlt wie allen anderen, und er stieg die Treppe hinunter, um ihn zu begrüßen.
Cabera sah, wie der alte Gladiator Brutus nachschaute, und klopfte ihm auf die Schulter.
»Lass den Jungen ziehen. Er war immer schon ein bisschen schwierig, weißt du nicht mehr? Morgen werden sie wieder wie Brüder sein, aber Julius hat erst einmal eine Menge nachzuholen.«
Tubruk ließ die Luft aus den Wangen entweichen und packte die Schultern des Heilers mit neuer Begeisterung.
»Der Koch wird verzweifeln, wenn er sieht, wie viele Mäuler er zu stopfen hat, aber ich kann dir versprechen, dass er etwas Besseres zustande bringt als die Rationen, an die ihr gewöhnt seid.«
»Viel, viel besser, will ich doch hoffen«, erwiderte Cabera ernst.
Cornelia drehte sich hastig um, als sie eilige Schritte hörte. Einen Augenblick lang erkannte sie den Offizier nicht, der da nach seinen Irrfahrten abgemagert und braun gebrannt vor ihr stand. Dann leuchtete sein Gesicht vor Freude auf, und er trat vor, um sie in die Arme zu schließen. Sie drückte ihn an sich, atmete den Geruch seiner Haut ein und lachte, als er sie auf die Zehenspitzen hob.
»Ich war so lange ohne dich«, sagte er, und seine Augen funkelten über ihrer Schulter, während er die Luft aus ihr herauspresste. Als er sie wieder losließ, taten ihr die Rippen weh, doch das kümmerte sie nicht.
Lange gelang es Julius, alles außer der wunderschönen Frau in seinen Armen zu vergessen. Schließlich setzte er sie ab und wich einen Schritt zurück, wobei er ihre Hand festhielt, als wolle er sie nie wieder loslassen.
»Du siehst immer noch betörend aus, Weib«, sagte er. »Und wir haben eine Tochter, habe ich gehört.«
Cornelia verzog verärgert den Mund.
»Ich hatte es dir eigentlich selbst sagen wollen. Clodia, bring sie jetzt herein«, rief sie, und ihre Amme trat schnell ein. Offensichtlich hatte sie draußen gestanden und nur auf ihren Auftritt gewartet.
Das kleine Mädchen blickte sich neugierig um, als es auf Clodias Armen zu seinen Eltern getragen wurde. Seine Augen waren von dem gleichen sanften Braun wie die seiner Mutter, aber sein Haar war ebenso dunkel wie das von Julius. Er lächelte das Kind an, das mit einem Strahlen antwortete, wobei sich tiefe Grübchen auf seinen Wangen bildeten.
»Sie ist jetzt fast zwei, und der Schrecken aller hier im Haus. Sie kennt schon eine Menge Wörter, wenn sie nicht zu schüchtern ist«, sagte Cornelia stolz und nahm Clodia das Kind ab.
Julius legte die Arme um die beiden und drückte sie sanft.
»Immer, wenn es ganz schlimm wurde, habe ich davon geträumt, dich wiederzusehen. Ich wusste nicht einmal, dass du schwanger bist, als ich fortmusste«, sagte er und ließ sie wieder los. »Kann sie schon laufen?«
Clodia und Cornelia nickten und lächelten sich an. Cornelia setzte ihre Tochter ab, und sie sahen zu, wie sie durchs Zimmer trottete und alles genau untersuchte, was ihr in die Quere kam.
»Ich habe sie Julia genannt, nach dir. Ich wusste nicht, ob du zurückkommst, und…« Cornelia schossen die Tränen in die Augen, und Julius nahm sie erneut in die Arme.
»Schon gut, Weib. Ich bin wieder nach Hause gekommen. Jetzt ist alles wieder gut.«
»Eine Weile war es… schwierig. Tubruk musste etwas von dem Land verkaufen, um das Lösegeld zu bezahlen.«
Sie zögerte, ehe sie ihm alles erzählte. Sulla war tot, der Gnade der Götter sei Dank. Es würde Julius nur wehtun, wenn er erfuhr, was Sulla ihr angetan hatte. Sie würde Tubruk bitten, nichts zu sagen.