Sein Mund zuckte vor Bitterkeit, als er daran dachte, wie jung und voller Lebensfreude er in jener Nacht gewesen war. Er war direkt aus seinem Hochzeitsbett herbeigeeilt, um zuzusehen, wie alle ihre Träume und Hoffnungen zerschlagen wurden und seine Zukunft eine unvorhersehbare Wendung nahm. Hätten sie Sulla besiegt, hätten sie Sulla doch nur besiegt, dann wären Rom so viele Jahre der Gewalt erspart geblieben, und die Republik hätte ihre ehemalige Würde wiedererlangt.
Trotz der harmlosen Stimmung auf dem Forum ließ er seine Männer am Fuße der breiten Marmorstufen Aufstellung nehmen, und wies sie an, wachsam zu bleiben. Nach Marius’ Tod hatte er gelernt, dass es in jedem Falle sicherer war, mit Schwierigkeiten zu rechnen, sogar vor dem Senatsgebäude.
Dann blickte Julius zu den bronzebeschlagenen Türen hinauf, die für die Versammlung entriegelt worden waren. Überall standen Senatoren zu zweien oder dreien beieinander, diskutierten die Themen des Tages und warteten darauf, dass die Sitzung einberufen wurde. Julius sah seinen Schwiegervater Cinna neben Crassus stehen und ging die Stufen hinauf, um sie zu begrüßen. Sie hatten die Köpfe zusammengesteckt, und Julius sah Zorn und Enttäuschung in ihren Gesichtern. Crassus war immer noch die gleiche braune Bohnenstange, als die ihn Julius in Erinnerung hatte. Der Mann sprach seinem Reichtum mit dem einfachen weißen Gewand und den schlichten Sandalen Hohn. Cinna hatte er zuletzt bei seiner Vermählung mit Cornelia gesehen. Von den beiden Senatoren hatte er sich in den dazwischen liegenden Jahren am meisten verändert. Als er sich umwandte, um Julius zu begrüßen, erschrak der jüngere Mann angesichts der tiefen Falten, die sich als sichtbares Zeichen seiner Sorgen in sein Gesicht eingegraben hatten. Cinna schenkte ihm ein müdes Lächeln, das Julius beklommen erwiderte. Eigentlich hatte er diesen Mann nie näher kennen gelernt.
»Der Wanderer kehrt zu uns zurück, sein Schwert und Bogen ruhen«, zitierte Crassus. »Dein Onkel wäre stolz auf dich, wenn er hier wäre.«
»Ich danke dir. Gerade eben habe ich an ihn gedacht«, erwiderte Julius. »Es ist nicht leicht, die Stadt nach so langer Zeit wiederzusehen, besonders hier, an diesem Ort. Ich rechne ständig damit, seine Stimme zu hören.«
»Solange Sulla am Leben war, durfte man seinen Namen nicht einmal erwähnen, wusstest du das?«, fragte Crassus und musterte ihn argwöhnisch. Nur ein leises Zucken um die Lippen verriet die Gefühle des jungen Mannes.
»Sullas Wünsche haben mir schon zu seinen Lebzeiten nicht viel bedeutet, umso weniger jetzt«, konterte er barsch. »Nach der Senatssitzung würde ich gerne das Grab des Marius besuchen, um ihm meine Ehrerbietung zu erweisen.«
Crassus und Cinna wechselten einen Blick, und Crassus berührte Julius mitfühlend am Arm.
»Es tut mir Leid, aber seine sterblichen Überreste wurden verschleppt und irgendwo verstreut. Einige von Sullas Soldaten haben das getan, obwohl er selbst es immer abgestritten hat. Wahrscheinlich hat er deshalb veranlasst, dass er verbrannt werden sollte, auch wenn Marius’ Freunde nicht so tief herabsinken würden.«
Er ließ die Hand sinken, als Julius sich zornig anspannte und sichtlich um seine Selbstbeherrschung kämpfte. Crassus redete ruhig weiter und gab ihm Zeit, sich wieder zu fassen.
»Das Erbe des Diktators peinigt uns noch immer in Form seiner Anhänger im Senat. Cato ist der Erste unter ihnen, und Catalus und Bibulus sind entschlossen, ihm überallhin zu folgen. Ich glaube, du kennst auch Senator Prandus, mit dessen Sohn du in Gefangenschaft geraten bist?«
Julius nickte. »Ich habe heute nach der Sitzung einiges mit ihm zu besprechen«, erwiderte er, jetzt nach außen hin wieder völlig ruhig. Verstohlen hielt er die rechte Hand mit der Linken fest, jäh besorgt, dass die in ihm brodelnden Gefühle ihm einen neuerlichen Anfall bescheren könnten, direkt hier auf den Stufen zum Senat, was ihn für alle Zukunft blamieren würde. Crassus tat so, als bemerke er es überhaupt nicht, wofür ihm Julius dankbar war.
»Nimm dich vor Prandus in Acht, Julius«, sagte Crassus ernst und beugte sich weiter vor, damit die anderen Senatoren, die dem Gebäude zustrebten, ihn nicht hören konnten. »Er verfügt jetzt über wichtige Verbindungen zu den Sullanern, und Cato zählt ihn zu seinen Freunden.«
Julius neigte den Kopf noch näher zu Crassus und flüsterte rau: »Diejenigen, die Sullas Freunde waren, sind meine Feinde.«
Ohne ein weiteres Wort wandte er sich von den beiden ab, stieg die letzten Stufen zu den Türen hinauf und verschwand in der Dunkelheit des Gebäudes.
Crassus und Cinna sahen einander mit verhaltenem Argwohn an, während sie ihm langsameren Schrittes folgten.
»Es scheint, als hätten wir die gleichen Ziele«, sagte Cinna leise.
Crassus nickte kurz, war jedoch nicht gewillt, das Thema weiter zu vertiefen, als sie zwischen ihren Amtskollegen ihren Sitzen zustrebten und dabei an Freunden wie Feinden vorüberkamen.
Sobald er die Versammlung betreten hatte, spürte Julius die vibrierende Energie in der Halle. Es gab nur wenige freie Plätze, so dass er sich mit einem Sitz in der dritten Reihe hinter dem Rednerpodium begnügen musste. Er nahm die Bilder und Geräusche mit großer Befriedigung in sich auf, denn er wusste, dass er endlich ins Herz der Macht zurückgekehrt war. Angesichts der vielen Fremden wünschte er, er wäre bei Crassus und seinem Schwiegervater geblieben, damit sie ihm Namen zu den neuen Gesichtern nennen könnten. Fürs Erste gab er sich jedoch damit zufrieden, zu beobachten und zu lernen, von den Raubtieren übersehen, bis er besser gerüstet war. Angesichts der Vorstellung von heftigen Kämpfen, die der Senat für ihn bedeutete, musste er in sich hineinlächeln. Es war ein falsches Bild, das wusste er. Hier konnten die Feinde diejenigen sein, die ihn am herzlichsten begrüßten, um dann, sobald er sich umgedreht hatte, Meuchelmörder auf ihn zu hetzen. Sein Vater hatte immer verächtlich von den meisten Mitgliedern dieser Nobilitas geredet, auch wenn er den wenigen, die ihre Ehre über die Politik stellten, einen widerwilligen Respekt entgegengebracht hatte.
Nachdem Ruhe im Saal eingekehrt war, sprach ein älterer Konsul, den Julius nicht kannte, den Tageseid. Alle Anwesenden erhoben sich gleichzeitig und lauschten den feierlichen Worten.
»Wir, die wir Rom sind, verpflichten unser Leben dem Frieden, unsere Kraft der Stadt selbst und unsere Ehre ihren Bürgern.«
Gemeinsam mit den anderen wiederholte Julius die getragenen Worte und spürte, wie Erregung aufkam. Das Herz der Welt schlug noch. Er lauschte mit äußerster Konzentration der Liste der Themen, die heute besprochen werden sollte, und schaffte es, nach außen hin unbeteiligt zu wirken, als der Konsul vorlas: »Den Posten eines Tribuns, verliehen an Gaius Julius Cäsar für seine Taten in Griechenland.« Einige derjenigen, die ihn kannten, drehten sich zu ihm um, weil sie seine Reaktion sehen wollten, aber er zeigte ihnen nichts, erfreut über die Warnung, die er von dem Boten erkauft hatte. In diesem Augenblick beschloss er, Ratgeber anzuheuern, mit deren Hilfe er jeden Tagungspunkt richtig verstehen konnte. Um die Anklagen vorzubereiten, die er erheben würde, sobald er den ersten Posten in seiner politischen Karriere innehatte, brauchte er vor allem Rechtsgelehrte. Mit grimmiger Gewissheit nahm er sich vor, den ersten Prozess vor dem Magistrat gegen Antonidus anzustrengen, nachdem er sich das Haus seines Onkels zurückgeholt hatte. Dass dies mit einer öffentlichen Verteidigung des Marius einhergehen würde, verschaffte ihm besondere Genugtuung.