Cato war an seiner massigen Gestalt leicht zu erkennen, doch Julius konnte sich nicht erinnern, ihn damals, bei seinem ersten Besuch im Senat, gesehen zu haben. Der Senator war geradezu obszön fettleibig, und seine Züge schienen in den wogenden Hautfalten zu versinken, so dass der Mann eigentlich von irgendwo tief hinter seinem Gesicht herausschaute. Er war von einer Schar von Freunden und Parteigängern umgeben, und an der Achtung, die man ihm entgegenbrachte, erkannte Julius, wie einflussreich dieser Mann war, genau wie Crassus ihn gewarnt hatte. Auch Suetonius’ Vater war anwesend, und ihre Blicke begegneten sich kurz, bevor der ältere Mann wegschaute und so tat, als hätte er Julius nicht bemerkt. Kurz darauf flüsterte er Cato etwas ins Ohr, woraufhin Julius Ziel eines eher amüsierten als besorgten Blickes wurde. Mit undurchdringlicher Miene prägte er sich den Mann als zukünftigen Feind ein und sah mit einigem Interesse, wie Catos Augen durch die Menge huschten und auf dem eintretenden Pompeius verharrten, bis dieser seinen Platz einnahm, der von seinen eigenen Anhängern freigehalten worden war.
Auch Julius beobachtete Pompeius und überlegte, inwiefern er sich verändert hatte. Die Tendenz zur Weichheit war völlig von Pompeius’ Erscheinung gewichen. Er sah durchtrainiert und muskulös aus, wie es sich für einen Soldaten ziemte, ein Windhund im Vergleich zu Cato. Seine Haut war von der Sonne tief gebräunt, und Julius fiel wieder ein, dass er einige Zeit als Oberbefehlshaber der Legionen in Spanien verbracht hatte. Zweifellos hatte ihm seine Aufgabe, die aufrührerischen Stämme in den Provinzen in Schach zu halten, das Fett von den Knochen gebrannt.
Pompeius erhob sich geschmeidig, um sich zum ersten Punkt zu Wort zu melden, und sprach von der Notwendigkeit, eine Streitmacht gegen die Piraten auszusenden, wobei er davon ausging, dass sie über eintausend Schiffe und zweitausend Dörfer geboten. Angesichts seiner eigenen bitteren Erfahrungen hörte ihm Julius mit Interesse zu, ein wenig schockiert darüber, dass man die Situation dermaßen außer Kontrolle hatte geraten lassen. Erstaunt sah er, wie sich andere erhoben, um die Zahlen des Pompeius zurückzuweisen und sich dagegen zu verwahren, ihre Streitkräfte noch weiter zu verteilen.
»Wenn ich genügend Schiffe und Männer hätte, würde ich die Meere innerhalb von vierzig Tagen von diesem Gesindel säubern«, blaffte Pompeius zurück, doch er wurde überstimmt und setzte sich mit verstimmt gerunzelter Stirn wieder.
Julius stimmte bei drei anderen Belangen mit ab, wobei ihm auffiel, dass Pompeius, Crassus und Cinna seine Ansichten jedes Mal teilten. Bei allen drei Angelegenheiten wurden sie überstimmt, und Julius spürte, wie sein Verdruss wuchs. Ein Sklavenaufstand in der Nähe des Vesuvius war schwierig niederzuschlagen gewesen, doch statt eine überlegene Streitmacht zu entsenden, gab der Senat lediglich die Erlaubnis, dass sich eine einzige Legion damit befassen sollte. Julius schüttelte ungläubig den Kopf. Zuerst war ihm nicht aufgefallen, wie übervorsichtig der Senat geworden war. Aus seiner Erfahrung mit Marius und seinen eigenen Schlachten wusste Julius, dass ein Imperium, das überleben wollte, stark sein musste, doch viele Senatoren waren blind gegenüber den Problemen, mit denen es ihre Heerführer rings um das Mare Internum zu tun hatten. Als über eine Stunde mit Reden vergangen war, verstand Julius die Ungeduld, die Männer wie Prax und Gaditicus den zaudernden Senatoren gegenüber empfanden, wesentlich besser. Er hatte erwartet, noble Ansichten und kühne Entscheidungen zu hören, die sich des Schwures als würdig erwiesen, den sie geleistet hatten, nicht ein derart kleinliches Gezänk und einander bekriegende Fraktionen.
Während er noch diesen Gedanken nachhing, verpasste er den nächsten Punkt, und erst der Klang seines eigenen Namens riss ihn aus seinen Tagträumen.
»…Cäsar, dem der Posten eines Militärtribuns verliehen werden soll, mit sämtlichen Rechten und Ehren, aus Dankbarkeit für den Sieg über Mithridates in Griechenland und die Inbesitznahme zweier Piratenschiffe.«
Alle Senatoren erhoben sich, selbst Cato stemmte sich schwerfällig auf die Beine.
Julius grinste jungenhaft, als sie ihm zujubelten, und tat, als bemerke er die Schweigenden unter ihnen nicht. Doch als sein Blick über die dichtbesetzten Reihen wanderte, prägte er sich jedes Gesicht ein.
Als er sich wieder setzte, schlug sein Herz heftig vor Aufregung. Als Tribun war es ihm erlaubt, Truppen auszuheben, und er kannte dreihundert Mann in nicht allzu weiter Ferne, die sich nur zu gern seinem Kommando unterstellen würden. Cato suchte seinen Blick und nickte ihm prüfend zu. Julius erwiderte die Geste mit einem offenen Lächeln. Es wäre dumm, den Mann zu warnen, dass er einen neuen Feind hatte.
Als die Bronzetore wieder aufgestoßen wurden, um das Tageslicht ins Haus des Senats einzulassen, beeilte sich Julius, um Suetonius’ Vater abzufangen, der soeben hinausging.
»Auf ein Wort, Senator«, sagte er und unterbrach damit eine Unterhaltung.
Senator Prandus drehte sich zu ihm um und hob erstaunt die Augenbrauen. »Ich wüsste nicht, was wir zu besprechen hätten, Cäsar«, erwiderte er.
Julius ignorierte den abweisenden Ton und fuhr fort, als handelte es sich um eine Angelegenheit zwischen alten Freunden. »Es geht um das Land, das mein Gutsverwalter dir verkauft hat, um das Lösegeld für mich zu beschaffen. Du weißt, dass es mir gelungen ist, das Gold zurückzuholen, darunter auch das für deinen Sohn. Ich würde mich gern mit dir zusammensetzen und über den Preis reden, für den das Land an meine Familie zurückgeht.«
Der Senator schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf. »Da muss ich dich leider enttäuschen. Ich wollte meinen Besitz schon seit langem erweitern und habe vor, ein zweites Haus für meinen Sohn zu bauen, sobald dieser Wald gerodet ist. Tut mir Leid, aber ich kann dir nicht helfen.«
Er schenkte Julius ein schmallippiges Lächeln und wandte sich wieder seinen Gefährten zu. Julius ergriff ihn am Arm, worauf Prandus sich mit einem Ruck losmachte und vor Zorn rot anlief.
»Vorsicht, junger Mann. Du befindest dich im Senat, nicht in irgendeinem Dorf in der Wildnis. Wenn du mich noch einmal anfasst, lasse ich dich festnehmen. Nach allem, was mir mein Sohn berichtet hat, gehörst du nicht zu der Sorte, mit der ich Geschäfte machen möchte.«
»Dann hat er vielleicht auch erwähnt, dass ich nicht zu der Sorte gehöre, die man gern zum Feind hat«, murmelte Julius. Er sprach so leise, dass ihn keiner der Umstehenden hören konnte.
Der Senator erstarrte einen Augenblick lang, während er über diese Drohung nachsann, dann drehte er sich steif um und eilte hinter Cato her, der eben durch die Tür ging.
Nachdenklich sah ihm Julius nach. Er hatte mit einer solchen Reaktion gerechnet, doch die Neuigkeit, dass Prandus ein neues Haus errichten lassen wollte, war ein schwerer Schlag für ihn. Von oben auf dem Hügel würde es auf sein eigenes Anwesen herabschauen, eine Position der Überlegenheit, die Suetonius mit Sicherheit gefallen würde. Er sah sich nach Crassus und Cinna um, weil er mit ihnen reden wollte, bevor sie wieder nach Hause gingen. In gewisser Hinsicht hatte Suetonius’ Vater nicht Unrecht. Wer in Rom Gewalt anwendete, schnitt sich rasch ins eigene Fleisch. Er würde umsichtig vorgehen müssen.