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»Aber zuerst kommt Antonidus dran«, murmelte er vor sich hin. In diesem Fall war Gewalt absolut geboten.

29

Als er an der Spitze seiner zehn Soldaten zu Marius’ altem Haus durch die Stadt ging, wurden schmerzvolle Erinnerungen in Julius wach. Er dachte an die Erregung und die Spannung, die er empfunden hatte, als die Energie, die den Feldherrn umgab, ihn erfasst hatte. Jede Straße, jede Biegung erinnerte ihn an jenen ersten Gang zum Senat, umgeben von den kampferprobtesten Männern der Primigenia. Wie alt war er damals gewesen – vierzehn? Alt genug, um die Lektion zu lernen, dass sich das Gesetz der Stärke beugte. Sogar Sulla war angesichts der Soldaten auf dem Forum verzagt, sobald das Pflaster nass vom Blut der drängelnden Menge gewesen war. Marius war der von ihm eingeforderte Triumph zuerkannt worden, und in der Folge davon war er Konsul geworden, auch wenn Sulla ihn am Ende zu Fall gebracht hatte. Der Kummer senkte sich schwer auf Julius, und er wünschte sich, wenigstens noch einen Moment mit dem glorreichen Heerführer erleben zu dürfen.

Keiner von Julius’ Männern war je in Rom gewesen; vier von ihnen stammten aus kleinen Dörfern irgendwo an der afrikanischen Küste. Sie gaben sich große Mühe, nicht allzu auffällig zu starren, aber es war ein vergeblicher Kampf, angesichts dieser sagenumwobenen Stadt, die hier vor ihren Augen Wirklichkeit wurde.

Ciro empfand schon wegen der Vielzahl der Menschen Ehrfurcht, die ihnen in den überfüllten Straßen begegneten, und anhand seiner Reaktionen betrachtete auch Julius die Stadt mit neuen Augen. So etwas gab es nirgendwo sonst auf der Welt. Die Gerüche von Speisen und Gewürzen vermischten sich mit Rufen und lautem Hämmern, das Gewoge der Passanten war ein einziges Durcheinander aus blauen, roten und goldenen Togas und Tuniken. Es war ein Fest der Sinne, an dessen Wundern sich Julius erfreute, und ihm fiel wieder ein, wie er an Marius’ Seite auf einem vergoldeten Streitwagen durch die links und rechts von jubelnden Menschen gesäumten Straßen gerollt war. Diese süße Herrlichkeit vermischte sich mit der Erinnerung an den Schmerz, der danach gefolgt war… und dennoch, er war an jenem Tage hier gewesen, war dabei gewesen.

Obwohl nur die längsten Straßen einen Namen trugen, fand sich Julius ohne Probleme zurecht und schlug beinahe unbewusst genau dieselbe Route ein, die er nach seinem ersten Besuch des Forums gewählt hatte. Nach und nach wurde es ringsum leerer und sauberer, als sie das Tal mit seinen Mietskasernen und verschlungenen Gassen verließen und auf der gepflasterten Straße den Hügel hinaufgingen. Hier verbargen auf beiden Seiten bescheidene Türen und Tore den Reichtum dahinter.

Julius ließ seine Männer hundert Fuß vor dem Tor, an das er sich erinnerte, anhalten und ging allein weiter. Als er es erreicht hatte, trat eine kleine, stämmige Gestalt in einer einfachen Sklaven-Tunika und Sandalen an das Türgitter, um ihn zu begrüßen. Obwohl der Mann höflich lächelte, bemerkte Julius, wie seine Augen in unwillkürlicher Vorsicht nach links und rechts huschten.

»Ich bin gekommen, um mit dem Eigentümer dieses Hauses zu reden«, sagte Julius und lächelte freundlich.

»Antonidus ist nicht hier«, antwortete der Torwärter misstrauisch.

Julius nickte, als hätte er mit dieser Nachricht gerechnet.

»Dann muss ich wohl auf ihn warten. Er muss die Nachricht, die ich ihm bringe, unbedingt erhalten.«

»Du kannst nicht herein, solange…«, setzte der Mann an.

Mit einer raschen Bewegung griff Julius durch das Gitter, so wie er es einst Renius hatte tun sehen. Der Torwärter zuckte erschrocken zurück und wäre ihm fast entwischt, doch dann packten Julius’ Finger seine Tunika und rissen ihn mit einem Ruck zurück ans Gitter.

»Mach das Tor auf«, raunte Julius dem zappelnden Mann ins Ohr.

»Niemals! Wenn du den Mann, dem dieses Haus gehört, kennen würdest, würdest du das nicht wagen. Wenn du mich nicht sofort loslässt, bist du noch vor Sonnenuntergang tot!«

Julius zog den Mann mit seinem ganzen Gewicht gegen die Metallstangen.

»Ich kenne ihn. Dieses Haus gehört mir. Und jetzt mach die Tür auf, sonst töte ich dich.«

»Dann töte mich… aber auch dann kommst du nicht herein«, knurrte der Mann und wehrte sich immer noch heftig.

Als er tief Luft holte, um laut um Hilfe zu rufen, musste Julius plötzlich angesichts seines Mutes grinsen. Ohne ein weiteres Wort langte er mit der anderen Hand durch die Gitterstäbe und hakte den Schlüssel vom Gürtel des Mannes. Der Torwärter keuchte empört, und Julius rief mit einem leisen Pfeifen seine Männer herbei.

»Hilfe!«, entfuhr es dem Torwächter gerade noch, bevor ihm Ciros breite Pranken den Mund verschlossen.

Julius schob den Schlüssel in das Loch in der Eisenplatte und lächelte, als es leise darin klickte. Er hob den Riegel an, und das Tor schwang auf, gerade als auf der anderen Seite zwei Wächter mit erhobenen Schwertern in den Hof getrabt kamen.

Rasch drängten Julius’ Männer hinein und entwaffneten sie. Gegen so viele hatten die Wachen keine Chance und ließen ihre Waffen fallen, sobald sie umzingelt waren; nur der Torwächter wurde vor Zorn dunkelrot im Gesicht, während er dies mit ansah. Er versuchte, Ciro in die Hand zu beißen, und bekam dafür einen derben Klaps.

»Fesselt sie und durchsucht das Haus. Ich will aber kein Blutvergießen«, befahl Julius und sah ungerührt zu, wie seine Männer paarweise in das ihm so vertraute Haus ausschwärmten.

Es hatte sich kaum etwas verändert. Der Brunnen war immer noch da, und auch den Garten hatte Antonidus so gelassen, wie er ihn vorgefunden hatte. Julius sah die Stelle, wo er Alexandria geküsst hatte, und er hätte ohne Führer den Weg zu ihrem Zimmer im Sklavenflügel gefunden. Es fiel ihm nicht schwer, sich vorzustellen, dass von irgendwoher Marius’ lautes Lachen ertönte, und in diesem Augenblick hätte er sehr viel dafür gegeben, den großen Mann noch einmal zu sehen. Mit einem Mal lasteten die traurigen Erinnerungen noch schwerer auf seinen Schultern.

Von den Sklaven und Dienern, die von seinen Männern in den Hof gebracht und mit fröhlicher Gründlichkeit gefesselt wurden, erkannte er keinen wieder. Einer oder zwei seiner Legionäre hatten Kratzspuren im Gesicht, doch Julius war froh, dass offensichtlich keinem der Gefangenen Gewalt angetan worden war. Wenn er seine Beschwerde erfolgreich durchbringen und sein Recht auf das Haus als überlebender Erbe antreten wollte, musste er sein Ziel friedlich erreichen, das wusste er. Die Magistratsmitglieder gehörten bestimmt zur Nobilitas, und jedes Blutvergießen mitten in der Stadt würde sie von Anfang an gegen ihn einnehmen.

Das Ganze nahm nicht viel Zeit in Anspruch. Seine Männer trugen die verschnürten Gefangenen ohne weitere Diskussionen hinaus auf die Straße; der Torwärter kam ganz zum Schluss an die Reihe. Obwohl man ihm einen Knebel in den Mund gesteckt hatte, schäumte er noch immer vor Zorn, als Ciro ihn draußen absetzte. Julius schloss eigenhändig das Tor und sperrte es mit dem erbeuteten Schlüssel ab, dann blinzelte er der wütenden Gestalt zu und drehte sich um.

Seine Männer standen in zwei Fünferreihen vor ihm. Das war nicht genug, um das Haus gegen einen entschlossenen Angriff zu halten, deshalb musste er zuallererst Melder zu seinem Gut schicken, um sofort fünfzig seiner besten Männer hierher in Bewegung zu setzen. Es war gut und schön, eine Strategie für den Rechtsstreit zu planen, letztendlich jedoch war derjenige, der tatsächlich im Besitz des Hauses war, eindeutig im Vorteil, und Julius hatte nicht vor, es bei Antonidus’ Rückkehr sogleich wieder zu verlieren.

Schließlich entsandte er drei seiner schnellsten Läufer in Botengewändern aus den Beständen des Hauses. Seine größte Sorge war, dass sie sich in der ihnen fremden Stadt verirrten, und er machte sich Vorwürfe, dass er keinen Einheimischen mitgebracht hatte, der ihnen den Weg bis zur Tiberbrücke zeigen konnte.