Als sie fort waren, wandte er sich mit einem verhaltenen Lächeln an seine Männer.
»Hab ich nicht gesagt, dass ich euch eine Unterkunft in Rom besorge?«
Sie lachten leise und sahen sich zufrieden um.
»Drei von euch müssen am Tor Wache halten. Die anderen lösen sie alle zwei Stunden ab. Bleibt wachsam. Antonidus wird bald zurückkommen, da bin ich sicher. Ruft mich, wenn es so weit ist.«
Der Gedanke an die bevorstehende Unterhaltung munterte ihn gewaltig auf. Die Wachen nahmen ihre Posten ein. Das Haus würde bis zum Abend sicher in seiner Hand sein, und dann konnte er sich darauf konzentrieren, Marius’ Namen in der Stadt wieder zu Ansehen zu verhelfen, selbst wenn er dazu gegen den ganzen Senat antreten musste.
Brutus und Cabera nahmen zwei von Julius’ Boten auf dem Gut in Empfang. Der dritte war noch einige Meilen hinter ihnen. Der befehlsgewohnte Brutus stellte die fünfzig Mann rasch zusammen und setzte sich mit ihnen in Richtung Stadt in Bewegung. Julius hatte nicht wissen können, dass so vielen Soldaten der Einlass verwehrt werden würde, deshalb ließ Brutus sie Rüstung und Waffen ablegen und schickte sie zu zweien oder dreien in die Stadt, wo sie sich außer Sichtweite der Stadtwachen, die die Augen des Senats in Rom waren, wieder zusammenfanden. Als Letztes traf der Karren mit ihren Waffen ein, den Brutus selbst begleitete, um den Hauptmann am Tor zu bestechen. Cabera zog eine Flasche Wein unter der Plane hervor und drückte sie dem Mann zusammen mit ein paar Münzen in die Hand, woraufhin dieser sie mit einem verschwörerischen Zwinkern durchwinkte.
»Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen oder aufregen soll, wie einfach das ging«, murmelte Brutus, als Cabera das Ochsenpaar, das den schweren Karren zog, mit einem Schnalzen der Zügel wieder antrieb. »Wenn das hier erledigt ist, hätte ich gut Lust, mir diesen Kerl am Tor mal vorzuknöpfen. Sich für so eine lächerliche Bestechung kaufen zu lassen!«
Cabera kicherte und ließ die Zügel auf die Rücken der Zugtiere klatschen.
»Andernfalls hätte er vielleicht Verdacht geschöpft. Nein, wir haben ihm gerade genug gegeben, dass er uns für Weinhändler hält, die den Stadtzoll umgehen wollen. Du siehst aus wie ein Leibwächter, und mich hat er wahrscheinlich für den reichen Geschäftsmann gehalten.«
»Dich hat er für den Fuhrknecht gehalten«, schnaubte Brutus verächtlich. »Mit diesem billigen alten Kittel siehst du nicht gerade wie ein reicher Geschäftsmann aus.« Statt einer Antwort ließ Cabera gereizt erneut die Lederzügel knallen.
Der Karren füllte die Straße gut aus; seine Räder passten genau zwischen die von den vielen Fußgängern benutzten Trittsteine. Sie konnten nirgends abbiegen oder eine Abkürzung einschlagen und kamen daher nur langsam zum Haus des Marius voran. Cabera hatte seinen Spaß daran, die anderen Fahrer anzubrüllen und jedem mit der Faust zu drohen, der vor ihnen die Straße kreuzte. Vier von Julius’ Männern schlossen sich ihnen an, offensichtlich erfreut, dass sie dem Wagen durch das verschlungene Labyrinth der Straßen nur zu folgen brauchten. Weder Brutus noch Cabera wagten es, sich nach ihnen umzudrehen, obwohl sich Brutus fragte, wie viele der Männer bei Sonnenuntergang wohl immer noch auf den Märkten umherirren würden. Er wusste, dass seine Anweisungen einfach und eindeutig gewesen waren, aber andererseits kannte er Rom inzwischen wieder recht gut, nachdem er ein paar Monate mit der Primigenia in ihren Unterkünften gearbeitet und seine Mutter einige Male besucht hatte. Er tat so, als werfe er einen prüfenden Blick auf die Karrenräder, und war erleichtert, dass ihr Gefolge inzwischen auf neun angewachsen war. Er hoffte, dass die Männer sich nicht allzu auffällig benahmen, sonst würden ihnen die neugierigen Römer rasch folgen, und eine spontane Prozession würde vor Marius’ altem Haus eintreffen, mit dem Wagen an der Spitze, und würde alle Versuche, heimlich zu Werke zu gehen, zunichte machen.
Als sie zu dem Hügel abbogen, der zu dem großen Haus hinaufführte, an das er sich noch so gut erinnerte, bemerkte Brutus eine wild gestikulierende Gestalt, die auf jemanden hinter dem Tor einschrie. Zumindest war die Straße hier breit genug, dass man anhalten konnte, ohne den gesamten Verkehr im Umkreis zum Erliegen zu bringen, dachte er dankbar.
»Steig ab und untersuch die Räder oder so«, zischte er Cabera zu, der widerwillig vom Kutschbock kletterte, um den Karren herumging und bei jedem Rad laut »Rad« sagte. Der schreiende Mann vor dem Tor schien den beladenen Karren überhaupt nicht zu bemerken, und Brutus riskierte einen zweiten Blick nach hinten. Beim Anblick der Truppe, die sich hinter ihnen versammelt hatte, musste er erstaunt blinzeln. Problematischer war, dass sie sich in einer langen Zweierreihe aufgestellt hatten, was sie trotz ihrer Zivilkleidung sehr verdächtig aussehen ließ– wie eine Gruppe Legionäre, die sich als harmlose Bürger verkleidet hatten. Brutus sprang vom Karren und rannte entrüstet auf sie zu.
»Ihr sollt nicht in Habachtstellung stehen, ihr Tölpel! Jedes Haus im ganzen Viertel wird seine Wächter losschicken, um nachzusehen, was hier draußen vor sich geht!«
Die Männer scharrten verlegen mit den Füßen, und Brutus hob verzweifelt den Blick gen Himmel. Da war einfach nichts zu machen. Schon waren die Diener und Wächter der angrenzenden Häuser an die Tore gekommen, um sich den unruhig durcheinander wimmelnden Trupp Soldaten anzusehen. Ringsumher hörte er aus der Ferne Alarmrufe.
»Na schön. Die Heimlichtuerei können wir vergessen. Holt euch eure Rüstungen und Schwerter vom Wagen und folgt mir zum Tor. Rasch! Der Senat kriegt einen Anfall, wenn er herausfindet, dass wir eine Armee in die Stadt geschleust haben!«
Alle Unsicherheit fiel von den Soldaten ab, die sich ohne weitere Umstände ihre Ausrüstung schnappten und sie anlegten. Nach wenigen Sekunden wies Brutus Cabera an, die Inspektion des Wagens zu beenden und endlich damit aufzuhören, die einzelnen Räder mit wachsendem Überdruss immer wieder zu benennen.
»Und jetzt vorwärts«, knurrte Brutus, dessen Wangen angesichts der stetig anwachsenden Zuschauerzahlen brannten. Sie marschierten in perfekter Formation auf das Tor zu, und er wurde einen Augenblick dadurch von seiner Verlegenheit abgelenkt, dass er die ihm folgenden Männer rasch und professionell begutachtete. Sie würden sich hervorragend für die Primigenia eignen.
Als Julius ihm seinen Standpunkt fertig dargelegt hatte, war Antonidus bleich vor Zorn.
»Wie kannst du es wagen!«, brüllte er. »Ich werde mich an den Senat wenden! Dieses Haus gehört mir, ich habe es rechtmäßig erworben, und ich werde dich töten lassen, ehe du es mir stiehlst!«
»Ich habe es niemandem gestohlen. Du hattest kein Recht, Geld für das Eigentum meines Onkels zu bieten«, wiederholte Julius gelassen; er genoss den Zorn des Mannes.
»Ein Feind des Staates, dessen Ländereien und andere Besitztümer konfisziert wurden. Ein Verräter!«, schrie Antonidus. Am liebsten hätte er durch die Gitterstäbe gegriffen und den unverschämten jungen Mann an der Kehle gepackt, aber die Wachen, die ihn dort drinnen nicht aus den Augen ließen, hatten ihre Schwerter gezückt und waren seinen eigenen zwei Männern schon zahlenmäßig überlegen. Rasch überlegte er, was Julius in den Zimmern des Hauses alles finden konnte. Gab es irgendwelche Hinweise, die ihn mit Pompeius’ Tochter in Verbindung brachten? Er glaubte es nicht, aber der Gedanke plagte ihn und verlieh seiner Wut einen Anflug von Panik.
»Ein Verräter, weil ihn Sulla so bezeichnet hat? Sulla, der seine eigene Stadt angegriffen hat?«, gab Julius mit zusammengekniffenen Augen zurück. »Dann trifft der Vorwurf wohl nicht zu! Marius hat den Senat vor einem Mann in Schutz genommen, der sich selbst zum Diktator ernannt hat. Er war ein Ehrenmann!«
Antonidus spuckte angewidert auf den Boden, wobei sein Speichel beinahe den Saum des immer noch gefesselten Torwärters getroffen hätte.