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Nur seine unbändige Wut ließ Antonidus weitergehen, aber auch das geschah nicht ohne Angst. Der Mann, den er kennen gelernt hatte, hatte ihn davor gewarnt, diese Straßen jemals ungebeten zu betreten, aber der Verlust seines Hauses verlieh ihm Mut, der aus Zorn geboren war. Doch sogar dieser drohte ihn in der Dunkelheit und dem wachsenden Unbehagen zu verlassen.

Endlich erreichte er den Ort, den er schon einmal gefunden hatte, eine Kreuzung von vier Gassen zwischen moderigen Mauern, irgendwo tief im Herzen dieses Irrgartens. Er blieb stehen und sah sich nach dem Mann um, mit dem er sich hier verabredet hatte, starrte angestrengt in die Dunkelheit. Irgendwo ganz in der Nähe tropfte Wasser auf einen Stein, und ein plötzliches Scharren von Füßen ließ seine Männer nervös herumwirbeln und mit ihren Dolchen in der Luft herumfuchteln, als wollten sie böse Geister abwehren.

»Man hat dir gesagt, dass du mich nicht vor der letzten Nacht des Monats aufsuchen sollst«, ließ sich eine zischende Stimme dicht am Ohr des Generals vernehmen.

Antonidus wäre vor Schreck fast hingefallen, denn seine Füße rutschten auf den nassen Steinen aus, als er vor der ganz nahe ertönenden Stimme zusammenzuckte. Sofort verließ sein Dolch den Gürtel, doch sein Handgelenk wurde so fest umschlossen, dass er hilflos war.

Der Mann, der ihm gegenüberstand, trug einen Kapuzenmantel aus dunklem, grobem Stoff, der seine Gesichtszüge verbarg, obwohl dies in der pechschwarzen Dunkelheit der Gassen kaum notwendig war. Bei dem eigenartigen, süßlichen Geruch, der ihm entströmte, hätte Antonidus beinahe gewürgt. Es war der Geruch von Krankheit und langsamer Fäulnis, der mit parfümiertem Öl überdeckt war, und er fragte sich einmal mehr, ob dieser Umhang nicht mehr verbergen sollte als nur eine Identität. Der dunkle Mann beugte sich so dicht an ihn heran, dass er sein Ohr mit den verborgenen Lippen beinahe berührte.

»Warum bist du hier hereingepoltert und hast die Hälfte meiner Kundschafter mit deinem Krach in Aufruhr versetzt?«

Die Stimme war ein zorniges Zischen, und so nahe, dass sie den süßlichen Geruch in einem warmen Atemschwall mitbrachte, bei dem Antonidus sich am liebsten übergeben hätte. Als die Kapuze seine Wange streifte, lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter.

»Ich musste kommen. Ich habe noch mehr Arbeit für dich. Arbeit, die schnell erledigt werden muss.«

Der Griff um sein Handgelenk wurde fester, so dass es ihm fast wehtat. Antonidus konnte den Kopf nicht zur Seite drehen, um den Mann direkt anzusehen, aus Angst davor, dass sich ihre Gesichter berühren würden. Stattdessen schaute er weg und versuchte bei dem Übelkeit erregenden Gestank, der jeden seiner Atemzüge zu vergiften schien, nicht angewidert den Mund zu verziehen.

Die dunkle Gestalt schnalzte geringschätzig mit der Zunge.

»Ich habe noch keinen Weg zu Crassus’ Sohn gefunden. Es ist zu früh für einen weiteren Auftrag. Überstürzte Eile lässt meine Brüder sterben. Du hast nicht genug gezahlt, als dass ich meine Männer in deinen Diensten verlieren könnte.«

»Vergiss Crassus. Er bedeutet mir nichts mehr. Ich will, dass du Cinnas Tochter ausfindig machst und sie tötest. Sie ist jetzt dein Ziel. Lass einen Hinweis mit Sullas Namen zurück, so wie du es bei Pompeius’ kleiner Hure getan hast.«

Antonidus spürte, wie sein Handgelenk sanft an seinen Gürtel geführt wurde. Er begriff, was man von ihm verlangte, und schob, sobald der Druck sich verringerte, den Dolch in den Gürtel zurück. Dann wartete er ab und blieb still stehen, weil er nicht wagte, seine Abscheu offen zu zeigen, indem er sich eilig zurückzog. Er wusste, dass bei der kleinsten Beleidigung weder er noch seine Männer die großen Straßen jemals wieder erreichen würden.

»Sie dürfte sehr gut bewacht sein. Du musst für die Leben derer bezahlen, die ich verlieren werde, um an sie heranzukommen. Zehntausend Sesterzen ist der Preis.«

Antonidus sog vor Schreck die Luft ein und biss die Zähne zusammen. Cato würde für die Summe aufkommen, da war er sicher. War es nicht seine Idee gewesen, diese Männer zu engagieren? Er nickte krampfhaft.

»Gut. Ich werde ihn zahlen. Ich lasse meine Wachen das Gold am verabredeten Tag hierher bringen, so wie beim letzten Mal.«

»Du wirst dir andere Wächter suchen müssen. Komm nie wieder uneingeladen hierher, sonst fällt der Preis dafür noch höher aus«, flüsterte die Stimme und entfernte sich schnell von ihm.

Rasche Schritte folgten, und im nächsten Augenblick spürte Antonidus, dass er allein war. Vorsichtig ging er zu der Stelle, wo eben noch seine Wachen gestanden hatten, fühlte mit seiner Hand nach unten und zuckte zurück, als er das Blut aus ihren durchtrennten Kehlen spürte. Er erschauerte und ging so rasch wie möglich den Weg zurück, den er gekommen war.

30

Julius brachte seine Männer eine Stunde vor Morgengrauen in die Unterkünfte der Primigenia. Wie Brutus gesagt hatte, waren sowohl die Gebäude als auch der Exerzierhof sehr eindrucksvoll, und Julius pfiff leise durch die Zähne, als er unter dem äußeren Bogen des Haupttores hindurchmarschierte und die gut positionierten Wachposten und befestigten Stellungen dahinter erblickte.

Die Wachen am Tor mussten angewiesen worden sein, ihn zu erwarten, denn sie winkten die Soldaten einfach durch. Sobald er drinnen war und sich das schwere Tor hinter ihnen geschlossen hatte, erkannte Julius, dass er sich in einem schmalen Hof befand, ganz ähnlich dem Bereich zwischen der äußeren und der inneren Mauer von Mytilene. Jedes der Gebäude, die den Hof umstanden, konnte mit Bogenschützen besetzt sein, und da ihnen der Rückweg versperrt war, gab es als einzigen Weg nach vorne nur einen sehr schmalen Pfad, der wiederum von Schießscharten für noch mehr Bogenschützen durchbrochen war. Julius zuckte die Achseln. Seine Zenturien blieben ordnungsgemäß stehen und richteten ihre Reihen aus, bis sie in dem Zwischenhof ein exaktes Quadrat bildeten.

Julius fragte sich, wie lange ihn Brutus wohl warten lassen würde. Es war nicht leicht einzuschätzen, nachdem er so lange von seinem ältesten Freund getrennt gewesen war. Der Junge, den er einst gekannt hatte, wäre schon längst da gewesen, der Mann jedoch, der die Überreste der Primigenia anführte, hatte sich in der Zeit, da sie sich aus den Augen verloren hatten, sehr verändert – vielleicht so sehr, dass er den Jungen in sich begraben hatte. Noch wusste er das nicht zu sagen.

Ohne sich seine Ungeduld anmerken zu lassen, stand Julius mit seinen Männern reglos da, während sich die Minuten dehnten. Er brauchte die Unterkünfte, und nach allem, was Tubruk gesagt hatte, waren sie so gut, wie Brutus behauptet hatte. Da Crassus hinter ihrem Erwerb stand, war der Geldbeutel wohl prall genug gefüllt gewesen, um das Beste zu kaufen, was die Stadt zu bieten hatte. Beim Warten dachte Julius darüber nach, ob er Crassus einen Teil der Baracken abkaufen sollte. Persönlich stimmte er Tubruk zu, dass die Beziehung, die der reiche Senator nährte, sich in der Zukunft zu einem Dorn entwickeln könnte, egal, wie freundlich er sich gegenwärtig gab.

Brutus kam in Begleitung von Renius aus dem Hauptgebäude geschritten. Interessiert betrachtete Julius den mit einer Lederkappe bedeckten Stumpf von Renius’ linkem Arm, verzog jedoch keine Miene. Brutus sah wütend aus, und Julius’ Hoffnung erstarb.

Als Brutus vor ihm stand, blieb er steif stehen und salutierte wie vor einem Mann gleichen Ranges. Julius erwiderte den Gruß ohne zu zögern. Einen Augenblick verspürte er Schmerz angesichts der Kluft, die sie trennte, bevor seine Entschlossenheit die Oberhand gewann. Er würde nicht nachgeben. Brutus war kein Mensch, den er mit seiner Klugheit umschmeicheln und beherrschen wollte. Diese Art der Manipulation sparte er sich für seine Feinde oder formelle Verbündete auf, nicht für den Jungen, mit dem er vor so vielen Jahren einen Raben gefangen hatte.