»Ich heiße dich im Quartier der Primigenia willkommen«, sagte Brutus.
Julius schüttelte den Kopf über den offiziellen Tonfall. Etwas stachelte ihn an, deshalb wandte er sich an Renius, ohne auf Brutus einzugehen. »Ich freue mich, dich wiederzusehen, alter Freund. Kannst du ihm nicht verständlich machen, dass diese Männer hier nicht zur Primigenia gehören?«
Renius erwiderte seinen Blick einen Augenblick lang unberührt, bevor er antwortete.
»Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um deine Kraft zu teilen, mein Junge. Der Wahltag auf dem Campus ist für dieses Jahr vorbei – es wird keine zusätzlichen Männer mehr für eine weitere Legion geben. Ihr beide solltet endlich damit aufhören, euch so voreinander aufzublasen, und Frieden schließen.«
Julius schnaubte gereizt. »Bei den Göttern, Brutus, was soll ich deiner Meinung nach denn tun? Die Primigenia kann nicht zwei Befehlshaber haben, und meine Männer sind allein auf mich eingeschworen. Ich habe sie in kleinen Dörfern gefunden und sie von Grund auf zu Legionären gemacht. Du erwartest doch nicht im Ernst, dass ich sie jetzt, nach allem, was sie mit mir durchgemacht haben, einem anderen Kommandeur übergebe.«
»Ich dachte… dass gerade dir etwas daran liegen würde, die Primigenia wieder stark zu sehen.«
»Als Tribun kann ich Truppen für dich ausheben. Ich lasse das ganze Land danach durchkämmen. Ich schwöre dir, ich lasse die Primigenia wieder auferstehen. Ich schulde Marius ebenso viel wie du, wenn nicht mehr.«
Brutus suchte in Julius’ Augen, urteilte über seine Worte.
»Aber wirst du auch deine eigene Legion aufbauen? Wirst du um einen neuen Namen ersuchen, der den Verzeichnissen hinzugefügt wird?«
Julius zögerte. Renius räusperte sich. Er wollte etwas sagen. Aus jahrelanger Gewohnheit warteten die beiden jüngeren Männer gehorsam auf seine Worte. Er blickte Julius streng in die Augen und hielt seinen Blick fest.
»Treue ist ein seltenes Gut, mein Junge, aber Brutus hat sein Leben für dich riskiert, als er die Primigenia wieder in die Rollen hat eintragen lassen. Jetzt hat er Männer wie Cato gegen sich, und das alles hat er für dich getan. Da gibt es keinen Konflikt. Die Primigenia ist deine Legion, begreifst du das nicht? Deine Männer können ihren Diensteid neu schwören und immer noch dir verpflichtet sein.«
Julius sah die beiden Männer an, und es war wie ein Blick zurück in seine Kindheit. Widerstrebend schüttelte er den Kopf.
»Es kann nicht zwei Befehlshaber geben«, sagte er.
Brutus starrte ihn an.
»Verlangst du, dass ich den Eid auf dich schwören soll? Dass ich dir das Kommando übergebe?«
»Wie sonst könntest du mein Schwert sein, Brutus? Aber ich kann nicht von dir verlangen, dass du den Rang niederlegst, von dem du schon immer geträumt hast. Das wäre zu viel verlangt.« Julius ergriff sanft seinen Arm.
»Nein«, murmelte Brutus mit plötzlicher Entschlossenheit. »Es ist nicht zu viel verlangt. Zwischen uns bestehen ältere Schwüre, und ich habe dir geschworen, dass ich immer da sein werde, wenn du mich rufst. Rufst du mich jetzt?«
Julius atmete tief und langsam ein, musterte seinen Freund und spürte, wie sein Herz in seiner Brust jäh schneller zu schlagen begann.
»Ich rufe dich«, sagte er leise.
Brutus nickte entschlossen. Seine Entscheidung war gefallen. »Dann werde ich gemeinsam mit deinen Wölfen hier den Eid leisten, und wir beginnen diesen Tag mit einer wiedergeborenen Primigenia.«
Nur von einer fünfköpfigen Wache begleitet, schritt Julius durch die geschäftigen Straßen der Stadt und folgte dabei der Wegbeschreibung, die Tubruk ihm gegeben hatte. Froh gelaunt bewegte er sich durch die Menschenmengen. Er hatte das Haus seines Onkels sicher in seinen Besitz gebracht und wusste es von zwanzig Soldaten gut bewacht. Noch wichtiger war, dass er auch das Problem mit der Primigenia gelöst hatte. Insgeheim pries er Brutus und Renius ob ihrer Loyalität ihm gegenüber, doch sogar in seinem Stolz wusste er, dass er ihre Liebe zu ihm letztendlich ebenso eiskalt ausgenutzt hatte, wie es auch jeder Feind getan hätte. Er sagte sich, dass er keine andere Wahl gehabt hätte, doch seine innere Stimme wollte nicht verstummen.
Tabbics Laden war nicht weit von Marius’ Haus entfernt. Julius fand ihn ohne Schwierigkeiten. Je näher er ihm kam, desto aufgeregter wurde er. Er hatte Alexandria seit seinem Hochzeitstag nicht mehr gesehen und hatte Tubruk ängstlich gefragt, ob sie die wüsten Kämpfe in der Stadt nach seiner eigenen Flucht überlebt hatte. Zögernd legte er die Hand auf die Tür und verspürte einen Anflug der alten Unsicherheit, die ihn in ihrer Gegenwart immer befallen hatte. Er schüttelte belustigt den Kopf, dann trat er ein. Seine Männer blockierten den schmalen Gehsteig vor dem Laden.
Alexandria stand nur wenige Schritte von der Tür entfernt und drehte sich um, um den Eintretenden zu begrüßen. Sie lachte, als sie ihn erkannte, mit der schlichten Freude, mit der man einen alten Freund begrüßte. Eine Goldkette um den Hals, stand sie da, während Tabbic hinter ihr stand und an der Schließe arbeitete.
Julius ließ ihren Anblick auf sich wirken. Der Glanz des Goldes ließ ihren Hals strahlen, und sie schien eine Gelassenheit oder ein Selbstvertrauen gewonnen zu haben, das er an ihr so noch nicht kannte.
»Du siehst wunderschön aus«, sagte er und machte die Ladentür hinter sich zu.
»Das liegt daran, weil ich so dicht neben Tabbic stehe«, erwiderte sie leichthin.
Tabbic blickte knurrend von seiner Arbeit auf, musterte den Mann, der den Laden betreten hatte, und richtete sich auf, eine Hand ins Kreuz gedrückt.
»Willst du kaufen oder verkaufen?«, fragte er und nahm dabei die Kette von Alexandrias Hals, was Julius bedauerte.
»Weder noch, Tabbic. Julius ist ein alter Freund«, erklärte Alexandria.
Tabbic nickte einen verhaltenen Gruß. »Ist das der, der sich um Octavian kümmert?«
»Dem Jungen geht es gut«, sagte Julius.
Tabbic schniefte. Es gelang ihm nicht ganz, ein kurzes, wohlwollendes Lächeln zu verbergen. »Das freut mich«, sagte er leise, bevor er mit der Kette in einem Hinterzimmer des Ladens verschwand und die beiden allein ließ.
»Du siehst dünn aus, Julius. Gibt dir deine hübsche Frau nicht genug zu essen?«, fragte Alexandria frei heraus.
Julius lachte. »Ich bin erst seit ein paar Tagen wieder zurück. Ich habe mir Marius’ altes Haus als Stadtvilla zurückgeholt.«
Alexandria blinzelte erstaunt. »Das ging ja schnell«, sagte sie. »Ich dachte, dort wohnt jetzt Sullas Heerführer.«
»Er hat dort gewohnt. Ich muss vor dem Gericht des Forums erscheinen, um es zu behalten, aber das Haus gibt mir die Möglichkeit, Marius’ Namen in dieser Stadt wieder reinzuwaschen.«
Ihr Lächeln verschwand bei dieser Erinnerung an die schlimmen Zeiten, und sie beschäftigte sich damit, ihre Schürze auszuziehen, und fluchte, als der Knoten sich ihren Fingern widersetzte. Julius wollte ihr helfen, unterdrückte den Impuls jedoch mühsam. Es überraschte ihn, dass er sich sofort wieder so heftig wie ehedem zu ihr hingezogen fühlte, sobald er den Laden betreten hatte. Das beunruhigte ihn so sehr, dass er ihr lieber nicht näher kommen wollte. Also wartete er, bis sie die Bänder selbst gelöst hatte.
Du bist ein verheirateter Mann, wies er sich streng zurecht, errötete aber unwillkürlich, als sie ihn wieder anschaute.
»Und was führt dich in unseren bescheidenen kleinen Laden? Ich bezweifle, dass du lediglich vorhattest, mich zu besuchen.«
»Trotzdem wäre das gut möglich. Es hat mich sehr gefreut, als ich von Tubruk erfahren habe, dass du überlebt hast. Ich habe gehört, dass Metella sich das Leben genommen hat.« Wie früher suchte er in ihrer Gegenwart ständig nach Worten und ärgerte sich dabei über seine Unbeholfenheit.