»Hätte ich gewusst, was sie vorhatte, hätte ich sie niemals allein gelassen.« Alexandria sah ihn mit funkelnden Augen an. »Bei den Göttern, ich hätte sie mit hierher zu Tabbic gebracht. Sie war ein Opfer, ebenso wie die Männer, die dieser Hundesohn Sulla auf den Straßen hat umbringen lassen. Mir tut es nur Leid, dass er, wie man berichtet, schnell gestorben ist. Ich hätte ihm einen langsamen Tod gewünscht.«
»Ich habe nichts vergessen, auch wenn der Senat anscheinend vergessen möchte«, sagte Julius mit bitterer Stimme. Sie wechselten einen Blick stummen Einvernehmens, eine Erinnerung an die, die sie verloren und an eine Vertrautheit, die zwischen ihnen noch lebendiger war, als sie vermutet hatten.
»Wirst du sie bezahlen lassen, Julius? Mir wird immer noch übel bei dem Gedanken an den Abschaum, den ich damals in den Straßen habe toben sehen. Rom ist ein viel schmutzigerer Ort, als man es vom Forum aus sehen kann.«
»Ich tue, was ich kann. Ich werde damit anfangen, dass ich sie Marius ehren lasse; eine Kröte, an der sie ziemlich zu schlucken haben dürften«, antwortete er ernst.
Sie lächelte ihn wieder an. »Bei den Göttern, bin ich froh, dein Gesicht nach so langer Zeit wiederzusehen. Es bringt mir die ganze Vergangenheit wieder«, sagte sie, und er errötete abermals, woraufhin sie leise auflachte. Mit ihrem Selbstvertrauen als freie Frau war sie fast nicht wiederzuerkennen, trotzdem spürte er, dass sie jemand war, dem er einfach deshalb vertrauen konnte, weil sie ein Teil der Vergangenheit war. Die zynischere Stimme in ihm argwöhnte, dass er hoffnungslos naiv war. Sie alle hatten sich verändert, und Brutus hatte ihm das bereits deutlich genug gezeigt.
»Ich habe dir nie für das Geld gedankt, das du bei Metella für mich zurückgelassen hast, für die Zeit, wenn ich frei sein würde«, sagte sie. »Ich habe mir einen Anteil an diesem Laden dafür gekauft. Es hat mir sehr viel bedeutet.«
Er tat ihren Dank mit einer flüchtigen Handbewegung ab.
»Ich wollte dir helfen«, erwiderte er.
»Bist du hergekommen, um nachzusehen, wie ich es angelegt habe?«
»Nein. Ich weiß, ich könnte sagen, dass ich dich nur um unserer alten Freundschaft willen wiedersehen wollte, aber ehrlich gesagt…« Er stockte.
»Ich wusste es! Du suchst ein Ohrgehänge für deine Frau, oder eine schöne Brosche? Ich fertige dir etwas ganz Besonderes an, etwas, das zu ihren Augen passt.« Ihre Heiterkeit stand im krassen Gegensatz zu seiner ernsthafteren Stimmung. Er war ganz anders als der stammelnde Knabe, den sie gekannt hatte.
»Nein, es ist für die Verhandlung, und danach. Ich möchte Bronzeschilde zu Ehren von Marius in Auftrag geben. Sie sollen sein Bild tragen, seine Schlachten darstellen, sogar seinen Tod, als die Stadt gefallen ist. Ich möchte, dass sie seine Lebensgeschichte erzählen.«
Alexandria strich mit einer Hand über ihr zusammengebundenes Haar und hinterließ einen schmalen Streifen Goldspäne auf ihrer Wange. Wenn sie sich bewegte, fing sich das Licht darin, und er verspürte unwillkürlich den Drang, mit dem Daumen über ihre Haut zu fahren, um sie wegzuwischen. Seine Regungen verwirrten ihn, und er versuchte sich zu konzentrieren.
Sie runzelte nachdenklich die Stirn, dann nahm sie einen Griffel und eine Wachstafel aus einem Regal.
»Sie sollten groß sein, vielleicht drei Fuß im Durchmesser, damit man auch aus einiger Entfernung noch etwas erkennen kann.«
Sie fing an, Skizzen in die Wachsfläche zu ritzen, wobei sie ein Auge fast zukniff. Julius sah zu, wie sie sich eine lose Haarsträhne aus der Stirn strich. Tubruk hatte gesagt, sie sei gut, und normalerweise konnte man sich auf das Urteil dieses Mannes verlassen.
»Die Erste sollte ein Porträt sein. Wie findest du die Idee?«
Sie drehte sich um, und Julius war erleichtert, als die Skizze ein Gesicht zeigte, das er wiedererkannte. In den Zügen lag etwas von der Strenge, an die er sich erinnerte, obwohl die einfachen Linien niemals mehr sein konnten als der Widerhall der Lebendigkeit, die Marius erfüllt hatte.
»Das ist er. Ich wusste gar nicht, dass du das so gut kannst.«
»Tabbic ist ein hervorragender Lehrer. Ich kann dir deine Schilde anfertigen, aber schon das Metall ist teuer. Ich möchte nicht mit dir handeln, Julius, aber wir reden hier über mehrere Monate Arbeit. Mit diesem Auftrag könnte ich mir in der ganzen Stadt einen Namen machen.«
»Die Kosten spielen keine Rolle. Ich vertraue darauf, dass du mir einen angemessenen Preis machst, aber ich brauche sie in drei Wochen, nicht Monaten. Der Senat dürfte die Verhandlung nicht lange aufschieben, denn Antonidus tobt wegen dem Verlust seines Hauses. Ich brauche das Beste, was du herstellen kannst, und das so schnell wie möglich.«
»Tabbic?«, rief Alexandria.
Der ergraute Kunstschmied kam aus dem Hinterzimmer, die Werkzeuge immer noch in Händen. Sie erklärte ihm rasch die Lage, und Julius lächelte, als das Gesicht des Mannes vor Interesse aufleuchtete. Schließlich nickte er.
»Ich kann die normale Arbeit im Laden übernehmen, aber die bestellten Broschen müssen wir dann verschieben. Aber denk dran«, er rieb sich nachdenklich über das Kinn, »das könnte den Preis für diejenigen in die Höhe treiben, die du bereits fertig hast, was ja nicht verkehrt wäre. Wir müssen ein größeres Lager anmieten, und eine viel größere Schmiede. Mal sehen…« Er holte noch eine Tafel aus dem Regal, woraufhin die beiden eine ganze Weile schrieben und sich leise unterhielten, während Julius ungeduldig zusah. Schließlich waren sie sich einig, und Alexandria drehte sich wieder zu ihm um. Das Gold in ihren Haaren funkelte immer noch.
»Ich nehme den Auftrag an. Der Preis hängt davon ab, wie viel Ausschuss wir haben, und ob wir noch einmal neu gießen müssen. Wenn du ein paar Stunden Zeit hast, müssen wir uns darüber unterhalten, welche Szenen du haben willst.«
»Du weißt, wo du mich findest«, sagte er. »Wenn du mich brauchst, kannst du jederzeit zu mir hinauskommen.«
Alexandria hantierte mit ihrem Stylus herum, plötzlich fühlte sie sich unbehaglich.
»Mir wäre es lieber, wenn du hierher kommst«, sagte sie, ohne ihm näher erklären zu wollen, wie sehr sie das alte Gut auf die Probe gestellt hatte, als sie das letzte Mal das Tor passiert hatte.
Julius verstand, was sie nicht gesagt hatte.
»In Ordnung. Vielleicht bringe ich sogar den Jungen mit, wenn ich komme. Tubruk sagt, er redet die ganze Zeit von dir und…äh… Tabbic.«
»Tu das. Wir vermissen ihn beide sehr. Seine Mutter besucht ihn, so oft es geht, aber es muss schwer für ihn sein, von ihr getrennt zu sein«, antwortete Alexandria.
»Er ist die reinste Landplage. Vor ein paar Tagen hat Tubruk ihn dabei erwischt, wie er auf meinem Pferd über die Wiesen geritten ist.«
»Er hat ihn doch nicht etwa geschlagen?«, fragte Alexandria zu hastig.
Julius schüttelte lächelnd den Kopf. »Das würde er nie tun. Der Junge hat Glück gehabt, dass ihn Renius nicht geschnappt hat, obwohl ich nicht weiß, wie der ihn mit einer Hand verprügeln könnte. Sag seiner Mutter, sie braucht sich keine Sorgen zu machen. Er ist von meinem Blut. Ich kümmere mich um ihn.«
»Er hat nie einen Vater gehabt, Julius. Ein Junge braucht einen Vater mehr als ein Mädchen.«
Julius zögerte, unwillig, die Verantwortung zu übernehmen.
»Unter den Fittichen von Renius und Tubruk dürfte er nicht schlecht geraten.«
»Sie sind keine Blutsverwandten, Julius«, erwiderte sie und hielt seinem Blick so lange stand, bis er wegsah.
»Na schön! Ich nehme ihn mit, obwohl ich keine einzige Sekunde lang meine Ruhe hatte, seit ich die Stadt betreten habe. Ich kümmere mich um ihn.«
Sie grinste ihn spitzbübisch an. »›Es gibt im Leben eines Mannes keine größere Herausforderung als die Erziehung seines Sohnes‹«, zitierte sie.