»Solange ich lebe, auch. Willst du mich auch töten? Das musst du nämlich tun, wenn du Clodia etwas antust, darauf gebe ich dir mein Wort, andernfalls bekommst du es mit mir zu tun.«
Die beiden Männer standen dicht voreinander, beide starr vor innerlicher Anspannung. Das Schweigen zwischen ihnen breitete sich aus, doch keiner von beiden blickte zur Seite. Dann überlief Julius ein Schauer, und der irre Ausdruck wich aus seinen Augen. Tubruk starrte ihn weiter an, denn er wollte, dass Julius ihm in diesem Punkt nachgab. Schließlich ergriff der junge Mann wieder das Wort.
»Na schön, Tubruk. Aber wenn Sullas Familie ihr oder dir jemals auf die Schliche kommt, darf es keine Verbindung zu meiner Familie geben!«
»Verlang das nicht von mir!«, fuhr Tubruk zornig auf. »Ich diene deiner Familie seit Jahrzehnten. Ich gebe dir nicht auch noch mein und ihr Blut! Ich liebe sie, Julius, und sie liebt mich. Meine Pflicht, meine Liebe dir gegenüber geht nicht so weit, dass ich ihr etwas antun würde. Das wird nicht geschehen. Aber wie auch immer, ich weiß, dass es von Sulla zu mir keine Verbindung gibt, und zu dir auch nicht. Ich habe Blut an meinen Händen, um das zu beweisen.«
Als Julius wieder sprach, war seine Stimme schwer vor Müdigkeit.
»Dann musst du fortgehen. Ich habe genug Geld, um dir irgendwo zu einem neuen Anfang zu verhelfen, fern von Rom. Ich kann Clodia freilassen, und du nimmst sie mit.«
Tubruks Wangenmuskeln traten hervor. »Und deine Mutter? Wer kümmert sich um deine Mutter?«
Alle Leidenschaft wich von dem jungen Mann und ließ ihn erschöpft und leer zurück.
»Cornelia ist auch noch da, außerdem kann ich eine andere Pflegerin einstellen. Was bleibt mir denn sonst übrig, Tubruk? Glaubst du, ich will es so? Du bist mein Leben lang bei mir gewesen. Ich kann mir kaum vorstellen, wie das Gut ohne dich weiter bestehen soll, aber du weißt genauso gut wie ich, dass die Sullas immer noch nach den Attentätern suchen. Bei allen Göttern… Pompeius’ Tochter!«
Er erstarrte vor Schreck, als ihm die Bedeutung dieses Todesfalles bewusst wurde. Seine Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern.
»Sie haben blindlings zugeschlagen! Cornelia schwebt schon jetzt in Gefahr!«, sagte er. Ohne ein weiteres Wort setzte er sich wieder in Bewegung, rannte in Richtung des Anwesens zurück, wobei er die Abkürzung über die schmale Brücke nahm. Tubruk rannte ihm fluchend hinterher, doch mit seinen müden Beinen gelang es ihm nicht, zu Julius aufzuschließen. Sobald Julius die Worte ausgesprochen hatte, war dem alten Gladiator klar gewesen, wie Recht er damit hatte, und auch ihn hatte die Panik ergriffen. Cornelia jetzt zu verlieren, nach allem, was er zu ihrem Schutz getan hatte… Beinahe hätte er vor Wut geheult, als er sich zwang, die Schmerzen zu ignorieren und schneller zu rennen.
Cornelia hatte ebenso leicht geschlafen wie ihr Gatte, und als die beiden Männer keuchend im Hof ankamen, saß sie gerade mit Clodia und Julia zusammen. Die Frauen überlegten, ob sie einen Ausflug in die Stadt machen sollten. Sie hörte Julius nach seinen Soldaten rufen und erhob sich von der Liege, ganz offensichtlich nervös. Trotz der zärtlichen Augenblicke, die er ihr geschenkt hatte, war er nicht mehr der Mann, der vor Jahren das brennende Rom verlassen hatte. Seine Unschuld war von ihm gewichen, vielleicht mit den Narben, über die er nicht sprechen wollte. Manchmal glaubte sie, dass sie keine Tränen mehr für das hatte, was Sulla ihnen beiden genommen hatte.
Als er ins Zimmer gestürzt kam, wurden ihre Augen groß vor Angst.
»Was ist los?«, fragte sie.
Julius warf Clodia einen finsteren Blick zu; er wusste genauso gut wie Tubruk, dass es das Risiko nur noch vergrößern würde, Cornelia in das Geheimnis einzuweihen. Tubruk kam kurz nach ihm herein, wechselte einen Blick mit der alten Pflegerin und nickte kaum wahrnehmbar, um zu bestätigen, was sie vermutete. Julius sprach eindringlich, erleichtert, Cornelia wohlbehalten vorzufinden. Der Lauf nach Hause war eine Qual für ihn gewesen; er hatte sich mit Bildern von Attentätern gemartert, die durch das Haus schlichen, um ihr etwas anzutun.
»Es könnte sein, dass dir Gefahr von Sullas Freunden droht. Pompeius hat seine Tochter verloren. Er stand Marius sehr nahe. Ich hätte früher daran denken sollen! Es wäre möglich, dass diejenigen, die den Diktator rächen wollen, es noch immer auf seine Feinde abgesehen haben, in der Hoffnung, dass ihnen dabei auch der tatsächliche Mörder ins Netz geht. Ich lasse Soldaten von der Primigenia kommen, damit sie dich hier beschützen, und ich schicke Boten zu Crassus. Er könnte ebenfalls eines ihrer Ziele sein. Bei den Göttern, sogar Brutus! Aber wenigstens er ist gut geschützt.«
Er marschierte im Zimmer auf und ab, und seine nackte Brust hob und senkte sich noch immer von dem Lauf.
»Ich muss mit List vorgehen, aber ich darf diese Männer nicht am Leben lassen. Auf die eine oder andere Weise muss ich ihrer Allianz in Sullas Namen das Rückgrat brechen. Wir können nicht in ständiger Furcht vor dem Messer eines Meuchelmörders leben.« Jäh drehte er sich um und zeigte auf den Verwalter, der schweißüberströmt an der Tür stand.
»Tubruk, ich möchte, dass du auf meine Familie aufpasst, bis das alles hier vorbei ist. Wenn ich in Rom sein muss, brauche ich hier jemanden, dem ich vertraue, um meine Familie zu beschützen.«
Der ältere Mann reckte sich würdevoll. Die wüsten Drohungen, die Julius unterwegs ausgesprochen hatte, würde er nicht wieder erwähnen, doch er konnte unmöglich erraten, welche Haken Julius’ ständig arbeitender Verstand als Nächstes schlagen würde.
»Ich soll hier bleiben?«, fragte er. In seinen Worten lag etwas, das Julius in seinem Auf- und Abschreiten innehalten ließ.
»Ja. Ich habe mich geirrt. Meine Mutter braucht dich. Ich brauche dich mehr als je zuvor. Wem kann ich denn sonst vertrauen?«
Tubruk nickte. Er wusste, dass ihr Gespräch auf dem Hügel damit erledigt war. Der junge Mann, der wie ein Leopard auf und ab wanderte, gehörte nicht zu denen, die sich lange mit den Verfehlungen der Vergangenheit aufhielten.
»Wer bedroht uns denn?«, wollte Cornelia wissen und hielt den Kopf hoch erhoben, um der Angst zu wehren, die in ihr aufgewallt war.
»Cato ist ihr Anführer, mit seinen Gefolgsleuten. Vielleicht gehört auch Antonidus dazu. Sogar Suetonius’ Vater könnte zu ihnen gehören. Bestimmt stecken sie dahinter, oder sie wissen davon«, erwiderte Julius. Bei dem Namen des Generals, an den sie sich gut erinnerte, erschauerte Cornelia. Ihrem Gemahl kam ein neuer Gedanke, und er fluchte laut.
»Ich hätte Sullas Hund gleich erledigen sollen, als ich die Möglichkeit dazu hatte. Er stand nur ein paar Fuß vor dem Tor zu Marius’ Haus. Wenn er etwas mit dem Mord an Pompeius’ Tochter zu tun hat, dann ist er gefährlicher, als ich dachte. Bei allen Göttern, wie blind bin ich gewesen!«
»Dann musst du sofort zu Pompeius. Er ist dein Verbündeter, ob er sich nun dessen bewusst ist oder nicht«, sagte Tubruk rasch.
»Und Crassus, und auch dein Vater Cinna«, fügte Julius hinzu und nickte zu Cornelia. »Ich muss mich mit allen dreien treffen.«
Cornelia ließ sich wieder auf die Liege sinken. Julius kniete vor ihr nieder und nahm ihre Hand.
»Ich lasse nicht zu, dass dir etwas geschieht, das verspreche ich. Mit fünfzig Mann mache ich aus diesem Gut eine Festung.«
Sie sah den Wunsch, sie zu schützen, in seinen Augen. Nicht Liebe, sondern die Verpflichtung eines Ehemannes. Sie hatte geglaubt, für Verlust unempfindlich geworden zu sein, doch sein Gesicht so kalt und ernst zu sehen, war schlimmer als alles andere.
Cornelia zwang sich zu einem Lächeln und presste seine vom Laufen noch erhitzte Hand an die Wange. Eine Festung… oder ein Gefängnis, dachte sie.
Als zwei Tage später Reiter auf der Straße gesichtet wurden, die von der Stadt herführte, hatten Julius und Brutus das Landgut innerhalb weniger Minuten in Alarmbereitschaft versetzt. Renius hatte fünfzig Mann von der Primigenia hierher verlegt, und als die Reiter das Hoftor erreicht hatten, hätte es einer ganzen Armee bedurft, die Verteidigung zu durchbrechen. Auf jeder Mauer standen Bogenschützen, Cornelia war mit den anderen in einer neuen Unterkunft versteckt, die Julius zu genau diesem Zweck bestimmt hatte. Clodia hatte Julia ohne Gegenrede dort hinuntergeführt, doch durch Aurelia, die nichts von dem begriff, was um sie herum vorging, war wertvolle Zeit verloren gegangen.