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«Lieber, ich habe deinen Brief erhalten und bin gleich hergekommen, um zu sehen, wie es dir geht. Dr. Landy sagt, dass alles in bester Ordnung ist. Wenn ich langsam spreche, kannst du vielleicht etwas verstehen, indem du mir die Worte von den Lippen abliest.»

Zweifellos, das Auge beobachtete sie.

«Man tut hier alles für dich, was nur möglich ist, Lieber. Die wunderbare Maschine pumpt ununterbrochen, und sie arbeitet bestimmt viel besser als die dummen alten Herzen, die wir anderen haben. Unsere können jeden Moment versagen, aber deines wird niemals stillstehen.»

Sie betrachtete das Auge genau und versuchte herauszufinden, weshalb es ihr so verändert vorkam.

«Du siehst gut aus, Lieber, wirklich sehr gut. Ja, tatsächlich.»

Zu Williams Lebzeiten waren ihr seine Augen längst nicht so hübsch erschienen wie dieses hier. Es war etwas Weiches darin, etwas Ruhiges, Freundliches, das sie noch nie an ihm wahrgenommen hatte. Vielleicht lag das an dem Punkt in der Mitte, an der Pupille. Williams Pupillen waren immer wie kleine schwarze Nadelköpfe gewesen. Wenn sie einen anblickten, bohrten sie sich einem förmlich ins Gehirn, sie durchschauten einen, wussten immer sofort, was man vorhatte und sogar, was man dachte. Dieses Auge dagegen war groß, sanft und mild, fast wie ein Kuhauge.

«Sind Sie sicher, dass er bei Bewusstsein ist?», fragte sie, ohne aufzublicken.

«Ja, durchaus», antwortete Landy.

«Und er kann mich sehen?»

«Ausgezeichnet.»

«Ist das nicht fabelhaft? Ich nehme an, er überlegt, was mit ihm geschehen ist.»

«Keineswegs, Mrs. Pearl. Er weiß ganz genau, wo er ist und was sich zugetragen hat. Das kann er unmöglich vergessen haben.»

«Sie glauben, er weiß, dass er in der Schale ist?»

«Natürlich. Und wenn er sprechen könnte, wäre er vermutlich imstande, ein ganz normales Gespräch mit Ihnen zu führen. Geistig besteht meines Erachtens überhaupt kein Unterschied zwischen diesem William und dem, den Sie zu Hause gekannt haben.»

«Du lieber Himmel», murmelte Mrs. Pearl und versank in Schweigen, um diese aufregende Mitteilung zu verarbeiten. Wenn ich’s recht bedenke, sagte sie sich und blickte an dem Auge vorbei auf die große, graue, weiche Walnuss, die so friedlich unter Wasser lag, dann glaube ich fast, dass ich ihn so, wie er jetzt ist, viel lieber mag. Mit dieser Art William könnte ich wahrscheinlich gut zusammenleben. Mit ihm würde ich fertig werden.

«Er ist doch ganz ruhig?», fragte sie.

«O ja, selbstverständlich.»

Keine Auseinandersetzungen und Verweise, dachte sie, keine fortwährenden Ermahnungen, keine Vorschriften, kein Rauchverbot, kein kaltes, missbilligendes Augenpaar, das mich abends über das Buch hinweg beobachtet, keine Hemden zu waschen und zu bügeln, kein Essen zu kochen – nichts als das Pochen des künstlichen Herzens, das eher ein beruhigendes Geräusch ist und gewiss nicht laut genug, um beim Fernsehen zu stören.

«Doktor», sagte sie, «mir scheint, ich empfinde plötzlich eine unendliche Zuneigung zu ihm. Klingt das merkwürdig?»

«Ich finde es sehr verständlich.»

«Er sieht so hilflos und schweigsam aus, wie er da in seiner Schale unter Wasser liegt.»

«Ja, ich weiß.»

«Er ist wie ein Baby, finden Sie nicht? Genau wie ein winziges Baby.»

Landy stand noch immer hinter ihr.

«So», sagte sie sanft, über die Schale gebeugt, «von nun an wird Mary ganz allein für dich sorgen, und du brauchst dich um nichts mehr zu kümmern. Wann kann ich ihn mitnehmen, Doktor?»

«Wie bitte?»

«Ich möchte wissen, wann ich ihn mitnehmen kann – zu mir nach Hause.»

«Sie scherzen», sagte Landy.

Mrs. Pearl drehte sich langsam um und blickte ihm fest ins Gesicht.

«Warum sollte ich scherzen?», fragte sie mit strahlender Miene, und ihre großen, runden Augen blitzten wie zwei Diamanten.

«Er ist keinesfalls transportfähig.»

«Weshalb eigentlich nicht?»

«Dies ist ein Experiment, Mrs. Pearl.»

«Er ist mein Mann, Dr. Landy.»

Ein nervöses kleines Lächeln spielte um Landys Mundwinkel. «Nun …», sagte er.

«Sie können nicht leugnen, dass er mein Mann ist.» Ihre Stimme klang nicht erregt. Sie sprach so ruhig, als wollte sie ihm nur eine Tatsache ins Gedächtnis zurückrufen.

«Das ist ein ziemlich heikler Punkt», erwiderte Landy und feuchtete seine Lippen an. «Sie sind jetzt Witwe, Mrs. Pearl. Ich glaube, damit müssen Sie sich abfinden.»

Sie machte plötzlich kehrt und ging zum Fenster. «Ich meine es ernst», sagte sie, während sie in ihrer Handtasche nach einer Zigarette suchte. «Ich will ihn wiederhaben.»

Landy sah zu, wie sie die Zigarette zwischen die Lippen steckte und sie anzündete. Wenn mich nicht alles täuscht, dachte er, dann ist diese Frau ein bisschen verrückt. Sie scheint recht froh zu sein, dass ihr Mann in der Schale liegt.

Er versuchte sich vorzustellen, was er empfinden würde, wenn das Gehirn seiner Frau dort läge und ihr Auge aus der Kapsel zu ihm aufstarrte.

Ihm hätte das nicht gefallen.

«Wollen wir in mein Zimmer gehen?», schlug er vor.

Sie stand am Fenster, rauchte ihre Zigarette und war anscheinend ganz ruhig und heiter.

«Ja, gern.»

Auf ihrem Weg zur Tür machte sie am Tisch halt und beugte sich noch einmal über die Schale. «Mary geht jetzt, mein Herzchen», sagte sie. «Und rege dich über nichts auf, verstehst du? Wir werden dich so bald wie möglich nach Hause bringen, wo wir gut für dich sorgen können. Und höre, Lieber …» Sie unterbrach sich, um an der Zigarette zu ziehen.

Sofort blitzte das Auge auf.

Sie blickte es scharf an. Genau im Zentrum des Auges glomm ein kleines, aber helles Fünkchen, und die Pupille verengte sich in jäher Wut zu einem winzigen schwarzen Punkt.

Regungslos über die Schale gebeugt, die Zigarette an den Lippen, beobachtete sie das Auge.

Nach einer Weile nahm sie sehr langsam und bedächtig die Zigarette in den Mund, tat einen langen Zug und inhalierte tief. Der Rauch blieb drei oder vier Sekunden in den Lungen, und dann, plötzlich, kam er in zwei dünnen Streifen aus den Nasenlöchern, strich über die Flüssigkeit in der Schale, ballte sich zu einer dicken blauen Wolke und hüllte das Auge ein.

Landy, mit dem Rücken zu ihr, stand an der Tür und wartete. «Kommen Sie, Mrs. Pearl», rief er.

«Sieh mich nicht so verdrießlich an, William», sagte sie leise. «Das hat gar keinen Zweck.»

Landy wandte den Kopf, um zu sehen, was sie machte.

«Überhaupt keinen Zweck», flüsterte sie. «Denn von jetzt an, mein Liebling, wirst du genau das tun, was Mary will. Hast du verstanden?»

«Mrs. Pearl», mahnte Landy, auf sie zugehend.

«Sei also nie wieder so ein unartiger Junge, mein Schatz», sagte sie und sog von neuem an ihrer Zigarette. «Unartige Jungen werden heutzutage sehr streng bestraft, musst du wissen.»

Landy nahm sie beim Arm und drängte sie sanft, aber energisch zur Tür.

«Leb wohl, Liebling», rief sie. «Bald komme ich wieder.»

«Genug, Mrs. Pearl.»

«Ist er nicht süß?» Sie schaute mit großen, leuchtenden Augen zu Landy auf. «Ist er nicht entzückend? Ich kann es gar nicht erwarten, bis ich ihn mitnehmen darf.»

Der Weg zum Himmel

Zeit ihres Lebens hatte Mrs. Foster an einer geradezu pathologischen Angst gelitten, einen Zug, ein Flugzeug, ein Schiff oder den Beginn einer Theatervorstellung zu verpassen. Im Allgemeinen war sie gar nicht besonders nervös, aber der bloße Gedanke, sie könnte sich bei solchen Anlässen verspäten, setzte ihr derart zu, dass sie Zuckungen bekam. Es war nicht schlimm – nur eine kleine Muskelreizung im Winkel des linken Auges, wie ein verstohlenes Blinzeln –, doch das Unangenehme war, dass dieser Tic noch mindestens eine Stunde lang anhielt, wenn sie den Zug, das Flugzeug, oder was es nun war, glücklich erreicht hatte.