»Ein Fetzen Seide macht doch einen großen Unterschied«, meinte jemand.
»Sie haben mich nur jeweils zwölf Kupfer-Tarsks gekostet«, sagte Aemilianus.
»Aber das ist nicht fair, Aemilianus!« rief ein Mann. »Du hast sie in der Weberei deines Onkels erstanden. Hättest du sie auf dem freien Mark kaufen müssen, wären sie dich bestimmt teurer gekommen!«
»Zweifellos hast du recht«, sagte Aemilianus.
»Ich sehe schon, ich muß mich öfter in den Webereien unseres Onkels umsehen«, sagte ein anderer junger Mann, der offensichtlich ein Cousin Aemilianus’ war.
»Gar so selten tust du das nicht«, erwiderte Aemilianus. »Außerdem besitzt unser Onkel mehrere Webereien.«
»Man brauchte sich nicht nur auf die Webereien zu verlassen«, sagte ein Mann. »Du könntest auf dem Sklavenmarkt dazukaufen. Womöglich auch trainierte Sklavinnen.«
»Das käme viel teurer.«
»Ich will euch noch einen Vorteil der Webereien zeigen«, warf Aemilianus ein. »Emily, möchtest du in die Weberei zurückkehren?«
»Nein, Herr!« rief sie.
»Und du, Tiffany?«
»Nein, Herr!« rief ich.
»Wie ihr seht, sind die Mädchen aus der Weberei sehr motiviert. Dementsprechend kann man erwarten, daß sie schnell und gut lernen.«
»Hast du deine Vorstellungen schon mit Mintar besprochen?« fragte jemand.
»Ja«, antwortete Aemilianus, »und er läßt mir freie Hand.«
»Würde dieses Unternehmen irgendwie mit Mintar in Verbindung stehen?«
»Nein«, antwortete Aemilianus. »Die Firma würde voll und ganz zu den Unternehmungen des Aemilianus gehören.«
»Ich verstehe.«
»Natürlich würde mein Onkel die Gründungskredite zu geringen Zinssätzen verlängern.«
»Verstehe!« sagte ein Mann.
»Ich weiß nicht recht, ob das praktisch ist«, meinte jemand.
»Es wird schwer sein, in dieser Branche Fuß zu fassen«, sagte ein anderer Mann.
»Es kommt darauf an, Qualität zu guten Preisen zu liefern.«
»Vielleicht hast du recht.«
»Emily, würdest du bitte um den Tisch herumkommen und hier neben mir niederknien?« fragte Aemilianus.
Emily gehorchte sofort, und ich sah mich plötzlich allein vor dem Tisch, was mich doch etwas bestürzte.
»Würdest du bitte aufstehen und deine Tunika ablegen, Tiffany?« fragte Aemilianus.
Ich kam der Aufforderung hastig nach.
»Das soll ein Weberei-Mädchen sein?« fragte ein Mann skeptisch.
»Ja«, sagte Aemilianus.
»Das sind wahrlich hübsche Sklavenkurven, und ich kenne mich aus!« sagte ein Mann.
»Stimmt!« kam die Bestätigung.
»Du bist sehr hübsch, Tiffany«, sagte Aemilianus.
»Danke, Herr.«
»Wie lange bist du schon Sklavin?«
»Etwa fünf Monate, Herr.«
»Und bist du ausgebildet?« fragte er.
»Nur soweit ich von Männern lernen konnte, die mich genommen haben«, antwortete ich. »Und natürlich kann ich einen Webstuhl bedienen.«
Die Männer lachten.
»Dann können wir also sagen, nicht wahr, daß du praktisch keine Ausbildung erfahren hast«, sagte Aemilianus.
»Ja, Herr.«
»Tanze für uns, Tiffany!« forderte Aemilianus. »Ich gebe den Musikern ein Zeichen, und wenn sie zu spielen beginnen, tanzt du verführerisch für uns.«
»Ja, Herr«, flüsterte ich.
Ich hatte einen solchen Verführungstanz bisher erst einmal gesehen, als ich verkleidet durch das Haus des Sklavenhändlers Kliomenes geführt wurde. Nie hatte ich mir träumen lassen, daß man eines Tages von mir verlangen würde, ähnlich aufzutreten!
Dann begann die Musik und ich gab mich ihr hin. In einem früheren Leben war ich Tiffany Collins gewesen – jetzt war ich eine goreanische Sklavin, die sich zu Füßen von Männern wand.
Ich weiß nicht, wie lange die Musik dauerte, vielleicht nur vier oder fünf Ehn. In einem lauten Crescendo ging sie abrupt zu Ende. Keuchend und schwitzend lag ich vor den Männern auf den Fliesen. Angstvoll hob ich den Blick, in der Hoffnung, den Zuschauern gefallen zu haben.
»Sehr gut, Tiffany«, sagte Aemilianus.
»Hervorragend!« rief ein Mann. Andere fielen in diesen Ruf ein.
»Was willst du für sie haben?« fragte ein Mann.
»Ich gebe dir einen Silber-Tarsk«, bot ein anderer. Ich schaute ihn entsetzt an und fragte mich, ob mein Herr mich verkaufen würde. Ein Silber-Tarsk! Ich wünschte, Drusus Rencius wäre jetzt hier. Er hatte einmal gesagt, daß ich höchstens fünfzehn oder zwanzig Kupfer-Tarsks bringen würde! Dabei war ich noch nicht einmal ausgebildet!
»Du hast sehr gut getanzt, Tiffany«, sagte Aemilianus.
»Danke, Herr.«
»Meine Herren, Sie haben es selbst gesehen«, fuhr Aemilianus fort. »Dabei ist sie nur ein unausgebildetes Weberei-Mädchen.«
»Ja«, sagte ein Mann. »Ja, Aemilianus«, fielen andere ein.
»Tiffany«, wandte sich mein Herr an mich. »Du wirst auf die Schule gehen.«
»Danke, Herr.«
»Gefällt dir das?«
»Ja, Herr«, erwiderte ich. »Ich konnte bisher nicht lesen.«
Die Anwesenden lachten.
»So eine Schule ist das nicht«, sagte mein Herr.
»Oh«, sagte ich.
»Meine Herren«, wandte sich Aemilianus an seine Gäste. »Ich danke euch für euer Kommen und für eure Aufmerksamkeit. Eure Bemerkungen, Vorschläge und Ratschläge waren mir sehr willkommen. Möchte jemand über Nacht bleiben, kann er sich gern in die Gästezimmer zurückziehen, die wir im Haus haben. Auch in der Wahl der Mädchen sei euch keine Beschränkung auferlegt – mit Ausnahme unserer kleinen Tiffany.«
Ich kniete errötend vor dem Tisch.
»Unsere kleine Tänzerin soll heute abend unbelästigt bleiben«, fuhr Aemilianus fort. »Sie muß sich ausruhen. Sie soll morgen frisch und munter ihre Ausbildung beginnen.«
22
»O nein!« flehte ich. »Bitte nicht zu ihm, Herr!«
»Dies sieht dir gar nicht ähnlich«, sagte der Bankettleiter. »Du gehörst zu unseren besten Mädchen. Was ist los mit dir?«
»Er macht mir Angst, Herr!« schluchzte ich und kniete abrupt vor dem Bankettmeister nieder. Meine Sklavenglocken klirrten. Beschwörend blickte ich zu ihm auf. »Bitte nicht, Herr!« flehte ich.
»Er hat Interesse an dir bekundet«, sagte der Bankettmeister.
»Bitte nicht, Herr!«
»Geh zu ihm, Sklavin!«
»Ja, Herr.« Ich erhob mich und versuchte mich zusammenzunehmen. Der Bankettmeister hatte sich bereits abgewandt.
Seit dem erfolgreichen Abschluß unserer Ausbildung waren zwei Monate vergangen. Alles in allem waren es schöne Monate gewesen. Zu Anfang hatten wir nur alle drei oder vier Tage bei Banketten oder sonstigen Festen dienen müssen, doch in dem Maße, wie sich unser Ruf herumsprach, steigerte sich die Zahl unserer Einsätze. Die Sklavenaufseher des Aemilianus mußten nun schon freie Tage in unserem Kalender vormerken, damit wir uns ausruhen konnten. Im Augenblick mußte man sich schon einige Tage im voraus um unsere Dienste bemühen. Anscheinend hatte ein Bedarf an Bankettsklaven bestanden, die zu guten Preisen angeboten wurden. Mit dem Geschäftssinn, der in seiner Familie verbreitet zu sein schien, hatte Aemilianus diese Marktlücke erspürt. Dank Aemilianus fand die Angewohnheit, vornehme Feste zu feiern, weitere Verbreitung als zuvor. Kein Gastgeber brauchte mehr einen ganzen Haushalt voller Sklaven oder den Reichtum eines Mintar zu besitzen, um Musiker, Dienstsklavinnen und Unterhalter bieten zu können, ganz zu schweigen von den Speisen und Getränken. Gewiß, billig waren wir nicht. Wie die meisten anderen Mädchen freute es mich alles in allem sehr, Aemilianus zu gehören und diese Form der Sklaverei erleben zu können. Die Arbeit fiel uns leicht, und der Zuspruch der Männer machte uns ausgeglichen. Nach der ersten Woche in der Agentur, in der wir untergebracht waren, wenn wir nicht dienten, hatten wir sogar gewisse Freiheiten zugeteilt bekommen. Unter Tage durften wir oft frei in der Stadt herumwandern. Wir brauchten uns nur die Erlaubnis des Türwächters der Agentur zu besorgen und am frühen Abend zurück zu sein, um uns beim Bankettmeister melden zu können. Ansonsten konnten wir uns frei in der Stadt bewegen. Natürlich durften wir die Stadttore nur in Begleitung einer freien Person durchschreiten. Bei diesen Ausflügen trugen wir im allgemeinen weitgeschnittene weiße Tuniken.