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Im nächsten Moment klammerte ich mich verzweifelt an ihm fest. Die Tiefe meiner Empfindungen war überwältigend. Nie zuvor war ich mir meiner Weiblichkeit so sehr bewußt worden. Hassan setzte Dinge in mir frei, die ich bisher nur andeutungsweise geahnt hatte.

Als ich wieder zu mir kam, ging das Fest bereits zu Ende, und die meisten Gäste, so auch Hassan, brachen auf.

»Alles in Ordnung, Tiffany?« fragte der Bankettmeister.

»Ja, Herr«, sagte ich.

Er war ein freundlicher Mann. Er ließ mich ruhen.

So lag ich denn in der Küche und versuchte das Erlebte psychologisch zu bewältigen. Allmählich ergriff ein überraschendes Hochgefühl von mir Besitz. Ich hatte in den Armen des Mannes gelegen, der Sheila, Tatrix von Corcyrus, suchte, und er hatte mich nicht erkannt. Selbst Drusus Rencius oder auch Miles aus Argentum, die mich tatsächlich gesehen hatten, mochten mich nicht mehr erkennen. Vielleicht würde sogar die kleine Susan keinen Vergleich ziehen können zwischen der hochmütigen Sheila, Tatrix von Corcyrus, und der gebrandmarkten, ausgebildeten, freudig arbeitenden Vergnügungssklavin Tiffany, Bankettsklavin aus der Firma des Aemilianus am Platz der Tarns.

Ich war in Sicherheit.

Ich brauchte vor Hassans Sleen keine Angst zu haben. Sie würden mich in Ar niemals finden.

Ich war in Sicherheit.

23

»Warum hast du Angst?« fragte Claudia.

»Sie kommen hier entlang«, sagte Crystal.

»Es hieß, sie hätten die Stadt schon vor einer Woche verlassen!« rief ich.

»Anscheinend haben sie das nicht getan«, sagte Tupa.

»Eine Menschenmenge begleitet sie«, stellte Claudia aufgeregt fest. »Da sollten wir mitmachen und sehen, wohin die Jagd geht!«

»Nein!« rief ich. »Nein!«

Claudia musterte mich verwirrt. Wir befanden uns auf der Straße des Hermadius, die vom Platz der Tarns abgeht. Wir alle trugen geraffte, ärmellose weiße Tuniken.

»Was ist mit dir?« fragte Claudia.

»Nichts«, sagte ich und blickte die Straße entlang. Die Menschenmassen schienen sich wirklich in unsere Richtung zu bewegen. Sie waren vom Platz aus in unsere Straße eingebogen.

Ich schaute in die andere Richtung. Die Straße kam mir schmutzig vor. Dies war höchst ungewöhnlich in Ar. Meistens wurden die Straßen einmal die Woche gefegt und naß gespült, im allgemeinen die Aufgabe der Grundstücksbesitzer an der jeweiligen Straße, wobei die breiteren Prachtstraßen und Plätze von Staatssklaven gereinigt wurden. Ich entdeckte eine Sklavin in einer kurzen braunen Tunika, die vor einem kleinen Laden stand. Sie schien zu warten. Vielleicht gehörte sie dem Ladenbesitzer und war von dem Lärm auf die Straße gelockt worden.

»Herrin«, sagte ich zu ihr, um ihr zu schmeicheln. »Ich hätte eine Frage.«

»Ja?«

»Die Straße hätte schon vor zwei Tagen gesäubert werden müssen.«

»Nein«, antwortete das Mädchen, »wir erhielten aus dem Zentralzylinder die Anweisung, darauf zu verzichten. In dieser Woche sind nicht einmal die großen Plätze gereinigt worden.«

»Danke, Herrin!« sagte ich bekümmert.

Claudia, Crystal und Tupa schauten die Straße entlang. Die Horde war nur noch eine Querstraße entfernt. Vor der Menge bewegten sich zwei riesige graue Sleen, die Schnauzen am Boden. Sie hatten die Ohren flach zurückgelegt. Jedes Tier wurde von zwei Männern gebändigt, die gleichwohl Mühe mit den Ungeheuern hatten. Hinter den Sleen schritt Hassan der Sklavenjäger aus, riesig und bedrohlich wirkend, die Brust entblößt, eine zusammengerollte Peitsche in der rechten Hand. In seiner Begleitung waren Beamte Ars. In der Gruppe bemerkte ich auch eine Uniform aus Argentum. Hinter dieser Vorhut drängte sich aufgeregt eine bunte Menschenschar. Ich wandte mich ab und floh die Straße hinab. »Tiffany!« hörte ich Claudia hinter mir rufen. Doch ich lief.

Aus der Straße des Hermadius bog ich in die Silber-Straße ein und eilte von dort auf die Avenue des Zentralzylinders. Unter den Bäumen hastete ich am westlichen Rand der weiten Anlage entlang und lehnte mich schließlich keuchend gegen eine Mauer.

»Herumlungern verboten, Mädchen!« sagte ein Mann.

»Verzeih mir, Herr«, sagte ich, neigte den Kopf, machte kehrt und hastete weiter.

Gleich darauf erreichte ich einen Brunnen, einen von vielen an der Prachtstraße. Er verfügte über zwei Schalen, eine obere und eine untere; Sklavinnen durften sich natürlich nur aus der unteren bedienen. Schwitzend beugte ich mich nieder und trank. Dann wischte ich mir den Mund mit dem Handrücken ab und stand auf.

Ich sah die Sleen und ihr Gefolge auf die Avenue des Zentralzylinders einbiegen.

Bestürzt schrie ich auf und setzte meine Flucht fort.

Verzweifelt schaute ich mich um.

Von der Menschenmenge und den Tieren keine Spur.

Ich stand an der Nordwestecke des Teibanischen Sul-Markts an der Kreuzung der Teiban-Straße mit der Clive-Straße, die mich nach Westen von der Avenue des Zentralzylinders fortgeführt hatte.

Ich blickte die Clive-Straße entlang, sah nichts von den Verfolgern und begann aufzuatmen.

Sie müßten längst auf der Clive-Straße sein! Da ich sie nicht sah, hatten sie meine Fährte offenbar verloren.

»Suls, Turpah! Vangis!« pries eine Frau, die inmitten von Körben saß, ihre Waren an.

Ich hatte die Avenue des Zentralzylinders aufgesucht und mich an belebte Straßen gehalten, weil ich hoffte, daß die Sleen meine Witterung im Gewirr der Gerüche verlieren würden. Diese Rechnung schien aufgegangen zu sein.

Aber dann hörte ich plötzlich ganz in der Nähe den schrillen, aufgeregten Laut eines Sleen. Hastig blickte ich den Teiban-Boulevard entlang nach Süden. Die Sleen und ihre Begleiter waren auf der Venaticus-Straße nach Westen gewandert. So wie die Clive-Straße den Teibanischen Markt im Norden begrenzt, so bildet die Venaticus-Straße die Südgrenze. Zu meinem Entsetzen sah ich die Sleen und die Horde auf dem Teiban-Boulevard nach Norden abbiegen – auf mich zu. Ich verstand dies nicht. Warum waren sie nicht durch die Clive-Straße gekommen? Entsetzt ging mir plötzlich auf, daß ich vor zwei Tagen durch die Venaticus-Straße gegangen war. Dieser zwei Tage alten Spur mußten die Tiere folgen. Hastig eilte ich nach Westen, weiter auf der Clive-Straße. Gleich darauf erreichte ich die Kreuzung mit der Hermadius-Straße. Auf dieser Straße hatte ich die Sleen vor weniger als einer Ahn zum erstenmal gesehen. Ich folgte der Clive-Straße weiter nach Westen und bog schließlich auf der Smaragd-Straße nach Süden ab. Diese Straße führt wie die Hermadius-Straße zum Platz der Tarns. Aber nicht die Agentur war mein Ziel, vielmehr bog ich auf der Straße des Tarn-Tors nach rechts ab. Dies ist die Straße, die vom Platz der Tarns direkt zum Tarn-Tor, dem Westtor der Stadt, führt.

Als ich das West-Tor erreichte, kniete ich vor einem Bürger nieder. »Herr«, fragte ich, »darf ich dich durch das Tor begleiten?«

»Nein«, antwortete er.

Ich richtete mich auf und schaute mich um. Dann trat ich dichter an das Tor heran. Die Sicherheitsmaßnahmen schienen heute ungewöhnlich streng zu sein, was ich nicht verstand. Wagen wurden untersucht; dabei öffnete man sogar Kisten und schlitzte Säcke auf. Eine verhüllte Sklavin wurde angehalten, ihrer Kapuze beraubt und gründlich angeschaut.

Nonchalant ging ich auf das Tor zu.

Überkreuz gehaltene Speere versperrten mir den Weg. »Verzeih mir, Herr«, sagte ich, wich zurück und hastete davon.

Einige Meter vom Tor entfernt blieb ich stehen und schaute noch einmal zurück. Tränen sprangen mir in die Augen.

Dann hastete ich auf der Mauerstraße weiter nach Norden, ehe ich mich nach rechts wandte, nach Osten, um zur Smaragd-Straße zurückzukehren. Auf dieser Straße war von den Sleen und der Verfolgerhorde nichts zu erkennen. So war ich nun auf der eigenen Spur zurückgegangen und hoffte, daß sich die Sleen davon verwirren ließen. Ich folgte der Smaragdstraße in nördlicher Richtung. Nirgendwo waren die Straßen gesäubert worden. Offenbar hatte die Anordnung nicht nur für einen bestimmten Distrikt gegolten, sondern für die ganze Stadt.