Warum also interessierte sich Miles aus Argentum für mich?
Gewiß nahm er nicht an, daß ich die echte Sheila sei, auch wenn er mich ständig so anredete!
Meine gesamte Bankettsklaven-Gruppe war von Ar nach Argentum gebracht worden, angeblich mit dem Auftrag, dort eine Feier zu verschönen. Die Kosten trug Miles aus Argentum, der – zum Mißvergnügen der meisten Mädchen – strenge Sicherheitsvorschriften durchsetzte. Von allen Mädchen und Angehörigen des Personals der Agentur verstand ich wohl am besten die Gründe für diesen Ausflug nach Argentum und für die Abschirmung. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß sich Miles aus Argentum nur für Bankettsklavinnen interessierte, die er sicher auch in seiner Heimatstadt mieten konnte. Vielmehr galt sein Interesse einer einzigen Sklavin, der er seine volle Aufmerksamkeit widmete.
Er nannte mich Sheila – doch konnte das doch nur ein Spiel sein. Gewiß konnte er sich nicht deutlich an mich erinnern, wie er da im Thronsaal vor mir gestanden, wie er mich schließlich als nackte Gefangene in einen goldenen Käfig gesteckt hatte.
Nein, er spielte nur mit mir.
Ich war nichts anderes als Tiffany, eine Bankettsklavin, die mit den anderen nach Argentum gebracht worden war, um dort bei der Siegesfeier zu dienen.
Es war nicht meine Schuld, wenn ich Sheila, der Tatrix von Corcyrus ein wenig glich.
Ich führte mir vor Augen, daß Miles aus Argentum nicht mein Besitzer war. Er hatte mich lediglich für einen Abend, für eine Nacht gemietet, so wie es Männer oft tun. In wenigen Tagen würde ich mich auf dem Rückweg nach Ar befinden, mit den anderen. Ich hatte nichts zu befürchten.
Er war nicht mein Eigentümer. Das war am wichtigsten. Er konnte mir nichts tun, ohne das Unternehmen des Aemilianus dafür in irgendeiner Weise zu entschädigen.
Am Morgen wurde ich von einem Klopfen geweckt. Es mußte um die achte Ahn sein. Das Zimmer war lichtdurchflutet.
»Wie ich sehe, bist du wach, Lady Sheila«, sagte Miles aus Argentum.
»Ja, Herr«, antwortete ich.
»Schön, schön«, sagte er. »Es ist gerade die achte Ahn durch.«
Ich verstand diese Worte nicht. Hatte diese Tageszeit irgendeine Bedeutung?
Erstaunt registrierte ich, daß Miles aus Argentum hinter mich trat und einen Schlüssel in das Schloß meines Eisenkragens einführte. Er öffnete den Metallreif und nahm in mir ab.
»Herr!« rief ich. »Was machst du? Woher hast du den Schlüssel?«
»Vor mehreren Tagen, am Tag, nachdem ich dich in Ar entdeckte«, sagte er, »bezahlte ich einen Preis für dich, aber der Eigentumsübergang wurde auf meinen Wunsch erst für heute um die achte Ahn festgesetzt. Seit wenigen Ihn bin ich dein alleiniger Herr!«
»Du scherzt, Herr!« rief ich. »Die Bankettsklaven brauchen mich! Man würde mich nicht einfach so verkaufen. Es gibt keinen Ersatz für mich. Kein Mädchen, kann meine Pflichten übernehmen!«
»Ich wußte gar nicht, daß eine kleine Bedienung bei Tisch so wichtig ist«, sagte er amüsiert.
»Man hat gern eine volle Truppe auf Reisen«, sagte ich. »Wenn ich an dich verkauft werden sollte, hätte man ein zusätzliches Mädchen mitgeschickt, zur Ergänzung meiner Gruppe.«
»Und genau das hat man getan«, sagte er lächelnd, »allerdings ist sie auf meinen Wunsch getrennt gereist. Sie heißt Emily. Vielleicht kennst du sie?«
Entsetzt starrte ich ihn an.
»Du kennst sie?« fragte er.
»Ja, Herr«, sagte ich. »Sie wurde in der Klasse nach mir ausgebildet. Anscheinend wurde sie in unsere Gruppe versetzt.«
»Hier ist dein neuer Kragen«, sagte er und zeigte mir das Metall. »Ist er nicht hübsch?«
»Ja, Herr«, sagte ich. Es war ein attraktiver Sklavenkragen aus schimmerndem Stahl mit einem kräftigen Schloß.
»Du scheinst dich gar nicht zu freuen«, sagte er. »Das verstehe ich nicht. Ich dachte, du würdest außer dir sein vor Freude.«
»Ich bin außer mir vor Freude, Herr«, flüsterte ich.
»Das ist gut. Ich mag es, wenn meine Mädchen glücklich sind. Außerdem habe ich fünfzehn Silber-Tarsks für dich bezahlt.«
»Das ist viel zuviel für mich!« rief ich erstaunt.
»Ich glaube nicht«, sagte er lächelnd.
»Ich bin bei weitem nicht soviel wert«, sagte ich. Für einen solchen Preis konnte er eine erstklassige Tänzerin bekommen.
»Mir bist du soviel wert«, sagte er.
»Ich will mich bemühen, dir das Gefühl zu geben, daß du dein Geld nicht verschwendet hast.«
»Keine Sorge«, sagte er, »dafür sorge ich schon selbst.« Und er ergriff mich und drängte mich an die Wand.
»Oh!« rief ich.
»Gut siehst du aus, meine ehemalige Tatrix, meine hilflose Sklavin!«
»Ich kann nichts dafür, wenn ich ihr ähnlich sehe!«
»Du bist ihr nicht nur ähnlich«, sagte er.
»Herr!« rief ich.
»Du bist es selbst!«
»Nein, nein!« rief ich.
25
Der Thronsaal des Palasts von Argentum war kühl und unbeleuchtet. Angstvoll trat ich ein, eine Sklavin, die an einem solchen Ort eigentlich nichts zu suchen hatte. Hoch über mir spannte sich die Decke. Barfuß schritt ich über die Fliesen und näherte mich der Plattform mit dem Thronsessel.
Erschrocken fuhr ich plötzlich herum, denn die Tür fiel hinter mir zu. In dem Schatten konnte ich nicht ausmachen, wer sie geschlossen hatte.
»Herr?« fragte ich und kniete nieder, denn mir fiel nichts anderes ein. Es war der Nachmittag des großen Festtages, für den die Bankettsklavinnen angeblich von Ar geholt worden waren. Allerdings gehörte ich nicht mehr zu der Truppe. Ich war Arbeits- und Vergnügungssklavin im Eigentum von Miles aus Argentum. Heute abend sollte ich Claudius, dem Ubar von Argentum und dem Hohen Rat vorgestellt werden. Ich schaute zur Decke auf. Etwa vierzig Fuß über dem Boden hing an einem langen Seil ein goldener Sack. Das Gewicht des Sacks spannte das Seil. Zuweilen bewegte sich der Sack leicht hin und her, und man hörte das Seil quietschen.
Aus der Richtung der Tür vernahm ich ein Geräusch. Hastig schaute ich in diese Richtung.
Ich vermochte in der Dunkelheit nichts zu erkennen.
»Herr?« rief ich.
Ein Mädchen hatte mir ausgerichtet, ich solle mich im Thronsaal einfinden. Sie übermittle mir den Befehl eines freien Mannes, den sie nicht kannte. Er habe sehr bedeutsam und mächtig ausgesehen. Als Sklavin hatte ich gehorchen müssen.
Als sich meine Augen allmählich an das schwache Licht gewöhnten, konnte ich ihn in den Schatten erkennen. Er stand neben der Tür – ein großer Mann. »Senk den Blick«, sagte er.
Ich gehorchte sofort. Die Stimme kam mir bekannt vor, doch erriet ich nicht, wem sie gehörte. Sie klang seltsam angespannt. Vielleicht sprach der Mann mit verstellter Stimme.
Ich hörte Schritte hinter mir näherkommen. Plötzlich wurde ich gepackt, die Hände wurden mir auf dem Rücken gefesselt. Der Mann steckte mir sodann einen zusammengeknüllten Stoffetzen als Knebel in den Mund.
Dann erst wurde ich herumgedreht. Entsetzt starrte ich zu dem Mann auf.
»Ja«, sagte er, »ich bin es, ich, Ligurious, ehemals erster Minister von Corcyrus!«
Entsetzen durchflutete mich.
»Ich und zwei andere«, fuhr er fort, »konnten dem Angriff in Ar entkommen.« Ich erinnerte mich, daß ich in dem Haus Schwerterklirren gehört hatte. »Wie man sieht, bist du jetzt eine gebrandmarkte, kragentragende Sklavin«, sagte er. »Das ist angemessen. Es war nicht der Hauptgrund, weshalb du nach Gor gebracht wurdest, doch wäre es früher oder später ohnehin dein Schicksal gewesen, in einem Sklavenkragen zu dienen.« Hilflos starrte ich ihn an.
»Du bist die geborene Sklavin«, fuhr er fort. »Vielleicht weißt du das inzwischen. Als Sklavin bist du tausendmal schöner, als du es als freie Frau jemals warst.« Ich wand mich in seiner Fessel.
»Zu gern wüßte ich, wie du aus dem Lager Miles’ aus Argentum entkommen konntest«, sagte er. »In dieser Beziehung hast du unsere Pläne gründlich gestört. Diese Möglichkeit hatten wir überhaupt nicht in Betracht gezogen. Aber wie es aussieht, könnte sich die ehemalige Miß Collins von der Erde noch immer als sehr nützlich erweisen.«