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Nein! dachte Tracy. Da kriegen mich keine zehn Pferde wieder hin.

Es schellte an der Haustür.

Lieutenant Melvin Durkin war seit zehn Jahrenbei der Polizei von Sea Cliff. Ein ruhiger Ort, dieses Sea Cliff — die Aktivitäten der Gesetzeshüterbeschränkten sich auf ein paar Fälle von Sachbeschädigung und Autodiebstahl und gelegentliche Schlägereien unterBetrunkenen am Samstagabend. Daß die Alarmanlage im HauseBellamy losgegangen war, fiel in eine andere Kategorie. Das war die Art Kriminalität, die Lieutenant Durkinbewogen hatte, in den Polizeidienst einzutreten. Er kannte LoisBellamy und wußte, was für eine wertvolle Gemälde- und Schmucksammlung siebesaß. Wenn sie verreist war, schaute er von Zeit zu Zeitbei ihrem Haus vorbei, denn es stellte ein verlockendes Ziel für Einbrecher dar. Und jetzt, dachte Lieutenant Durkin, sieht es ganz danach aus, als hätte ich einen erwischt. Er war nur zwei Straßen entfernt gewesen, als ihn der Funkspruch des Sicherheitsdienstes erreicht hatte. Das wird sich in meiner Personalakte gut machen. Verdammt gut.

Lieutenant Durkin drückte erneut die Türklingel. Er wollte in seinemBericht festhalten können, daß er dreimal geläutet und sich erst dann gewaltsam Eintritt verschafft hatte. Sein Partner

hatte sich die Rückseite des Hauses vorgenommen. Der Einbrecher hatte also keine Chance. Er konnte nicht entwischen. Wahrscheinlich würde er sich irgendwo im Haus oder auf dem Grundstück versteckt halten. Aber da wartete eine saftige Überraschung auf ihn. Vor Melvin Durkin konnte sich niemand verstecken.

Als der Lieutenant zum dritten Mal die Klingel drücken wollte, ging die Tür plötzlich auf. Der Gesetzeshüter machte tellergroße Augen, denn in der Tür stand eine Frau, die in ein so hauchdünnes Nachthemd gekleidet war, daß der Phantasie fast gar kein Spielraum mehrblieb. Im Gesicht hatte sie eine Fangopackung, auf dem Kopf eine Frisierhaube.

Sie fragte:»Was geht hier vor, um Gottes willen?«

Lieutenant Durkin schluckte.»Ich… wer sind Sie?«

«Ichbin EllenBranch. Ichbin ein Hausgast von LoisBellamy. Sie ist in Europa.«

«Ich weiß. «Der Lieutenant war verwirrt.»Sie hat uns nicht gesagt, daß sie einen Hausgast hat.«

Die Frau in der Tür nickte wissend.»Typisch Lois. Entschuldigung, aber ich halte diesen Krach nicht aus.«

Lieutenant Durkin sah zu, wie LoisBellamys Hausgast die Hand nach den Alarmknöpfen ausstreckte und eine Folge von Ziffern drückte. Der Krach hörte auf.

«So ist's viel, vielbesser«, seufzte die Frau.»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ichbin, Sie zu sehen. «Sie lachte, einbißchen zitterig.»Ich wollte eben insBett, als die Alarmanlage lostobte. Ich war sicher, daß Einbrecher im Haus sind — und ichbin hier mutterseelenallein. Das Personal ist schon am Mittag gegangen.«

«Haben Sie was dagegen, wenn wir uns schnell mal umschauen?«

«Im Gegenteil. Ichbestehe darauf!«

Der Lieutenant und sein Partnerbrauchten nur ein paar Minuten, um festzustellen, daß sich niemand im Haus oder auf

dem Grundstück versteckt hielt.

«Alles klar«, sagte Lieutenant Durkin.»Man kann sich eben doch nicht immer auf die Elektronik verlassen. An Ihrer Stelle würde ich den Sicherheitsdienst anrufen und ihm sagen, daß er das System durchchecken soll.«

«Ja, das werde ich tun.«

«Dann gehn wir mal wieder«, sagte der Lieutenant.

«Tausend Dank, daß Sie vorbeigekommen sind. Ich fühle mich jetzt viel sicherer.«

Mann, hat die 'ne tolle Figur, dachte Lieutenant Durkin. Er fragte sich, wie sie ohne Gesichtspackung und ohne Frisierhaube aussah.»Bleiben Sie noch lange hier, MißBranch?«

«Ein, zwei Wochen — bis Lois zurückkommt.«

«Wenn ich irgendwas für Sie tun kann, dann lassen Sie es mich wissen.«

«Danke. Ich komme gern darauf zurück.«

Tracybeobachtete, wie der Streifenwagen losfuhr und in der Dunkelheit verschwand. Ihr war schwindlig vor Erleichterung. Sie eilte nach oben, wusch sich die Fangopackung vom Gesicht, die sie imBadezimmer gefunden hatte, entledigte sich der Frisierhaube und des Nachtgewands von LoisBellamy, zog ihren schwarzen Overall an, verließ das Haus und stellte die Alarmanlage wieder an.

Sie hatte schon den halben Weg nach Manhattan zurückgelegt, als ihr plötzlich aufging, wie dreist sie gewesen war. Tracy kicherte, und aus dem Kichern wurde ein zwerchfellerschütterndes, unkontrollierbares Gelächter. Schließlich mußte sie an den Straßenrand fahren und den Wagen anhalten. Sie lachte, bis ihr die Tränen über die Wangen liefen. Das erste Mal seit einem Jahr, daß sie von Herzen lachte. Es war ein wunderbares Gefühl.

17

Erst als der Zug aus demBahnhof rollte, begann sich Tracy zu entspannen. Bis dahin hatte sie jeden Moment damit gerechnet, daß sich eine schwere Hand auf ihre Schulter legen und eine Stimme sagen würde:»Sie sind verhaftet.«

Sie hatte die anderen Reisendenbeobachtet, als sie in den Zug stiegen, und es war nichtsBesorgniserregendes an ihnen gewesen. Sie sagte sich immer wieder, es sei unwahrscheinlich, daß jemand den Diebstahl jetzt schon entdeckt habe — und selbst wenn: Es gabnichts, um sie damit in Verbindung zubringen. In St. Louis würde Conrad Morgan mit fünfundzwanzigtausend Dollar warten.

Fünfundzwanzigtausend Dollar, mit denen sie machen konnte, was sie wollte! Für so viel Geld hätte sie ein Jahrbei derBank arbeiten müssen. Ich werde nach Europa reisen, dachte Tracy. Nach Paris. Nein. Nicht nach Paris. Dort wollten Charles und ich unsere Flitterwochen verbringen. Ich werde nach London reisen. Dabin ich keine Zuchthäuslerin. Seltsamerweise fühlte sich Tracy nach der Erfahrung, die sie nun hinter sich hatte, wie ein anderer Mensch. Es war, als sei sie neu geboren.

Sie schloß die Abteiltür zu, zog das Ledertäschchen aus ihrem Koffer und öffnete es. Eine Kaskade von glitzernden Farben fiel ihr in die Hand. Drei große Diamantringe, eine Smaragdbrosche, eine Saphirarmband, drei Paar Ohrringe und zwei Halsketten, die eine mit Rubinen, die andere mit Perlen.

Die Sachen müssen über eine Million Dollar wert sein, dachte Tracy. Während der Zug durchs offene Land fuhr, lehnte sie sich zurück, ließ den Abend noch einmal an sich vorbeiziehen und gestattete sich ein zufriedenes Lächeln. Es

hatte ihr Spaß gemacht, die Polizei auszutricksen. Die Gefahr, in der sie geschwebt hatte, nahm plötzlich etwas Erhebendes an. Tracy fühlte sich mutig und schlau und unbesiegbar, fühlte sich einfach großartig.

Es klopfte an die Abteiltür. Tracy ließ das Täschchen mit den Juwelen schnell in ihrem Koffer verschwinden, hielt ihre Fahrkartebereit und öffnete die Tür. Das konnte ja wohl nur der Schaffner sein.

Zwei Männer in grauen Anzügen standen an dem Seitengang. Der eine war Anfang Dreißig, der andere ungefähr zehn Jahre älter. Der jüngere war sehr attraktiv. Sportliche Figur, energisches Kinn, kleiner, gepflegter Schnurrbart und klugeblaue Augen. Er trug eine Hornbrille. Der ältere hatte dickes schwarzes Haar und einen ziemlich massigen Körperbau. Seine Augen waren von kaltemBraun.

«Kann ich etwas für Sie tun?«fragte Tracy.

«Ja, Ma'am«, sagte der ältere Mann. Er zog eineBrieftasche aus dem Anzug und hielt einen Dienstausweis empor:

FEDERALBUREAU OF INVESTIGATION UNITED STATES DEPARTMENT OF JUSTICE

«Ichbin Special Agent Dennis Trevor. Das ist Special Agent ThomasBowers.«

Tracybekam auf einmal einen trockenen Mund. Sie quälte sich ein Lächeln ab.»Ich… ich verstehe leider nicht ganz. Ist was?«