Er liebte Schiffe, und als ihm ein Freund einen Jobauf einem Schoner vermittelte, der nach Tahiti fuhr, heuerte Jeff als Matrose an.
Der Schoner war ein prächtiges Holzschiff, fünfzig Meter lang, mit einem Salon für zwölf Gäste und einer Kombüse mit Mikrowellenofen. Die Quartiere der Crewbefanden sich im Vordeck. Außer dem Kapitän, dem Steward und dem Koch
waren fünf Matrosen anBord. Und Passagiere natürlich auch, acht insgesamt.
Die Schiffseignerin war Louise Hollander, eine fünfundzwanzigjährige goldblonde Schönheit, deren Vater halbMittelamerika gehörte. Die anderen Passagiere warenBekannte von ihr, männliche und weibliche Mitglieder der Schickeria. Wenn die Crew am Abend in der Koje lag, machte sie diese Leute verächtlich und riß Witze über sie. Aber Jeff mußte sich eingestehen, daß er sie um ihren Hintergrund, ihre Erziehung und ihr selbstsicheres Auftretenbeneidete. Sie kamen aus reichen Familien und hatten diebesten Schulenbesucht. Seine Schule — das waren Onkel Willie und der Vergnügungspark gewesen.
Am ersten Tag auf See arbeitete Jeff in der heißen Sonne. Er schrubbte gerade das Deck, als eine Frau neben ihn trat.
«Sie sind neu hier.«
Erblickte auf.»Ja.«
«Haben Sie einen Namen?«
«Jeff Stevens.«
«Das ist ein hübscher Name.«
Jeff äußerte sich nicht.
«Wissen Sie, wer ichbin?«
«Nein.«
«Ichbin Louise Hollander. Dieses Schiff gehört mir.«
«Aha. Dann arbeite ich für Sie.«
Sie lächelte ihn an.»Das ist richtig.«
«Also — wenn Sie für Ihr Geld was geboten kriegen wollen, dann lassen sie mich mal weitermachen«, sagte Jeff und fuhr fort, das Deck zu schrubben.
Die Tage vergingen ereignislos. Jeffbekam dann und wann die Schiffseignerin zu Gesicht, ignorierte sie aber regelmäßig. Einen Abend vor der Ankunft in Tahiti wurde er in Louise Hollanders Kabine gerufen.
Sie trug ein Kleid aus hauchdünner Seide.
«Sie wollten mich sehen, Ma'am?«
«Sagen Sie, Jeff… sind Sie eigentlich schwul?«
«Ich glaube zwar nicht, daß Sie das etwas angeht, Miß Hollander, aber — nein, ichbin nicht schwul. Nur wählerisch.«
Louise Hollander schürzte die Lippen.»Und was für Frauen mögen Sie? Huren, nehme ich an.«
«Manchmal«, erwiderte Jeff verbindlich.»War sonst noch was, Miß Hollander?«
«Ja. Ich gebe morgen abend eine Party. Wollen Sie auch kommen?«
Jeffbetrachtete die junge Frau eine ganze Weile, bevor er antwortete.»Warum nicht?«
Und so fing es an.
Louise Hollander war vor ihrem einundzwanzigsten Geburtstagbereits zweimal verheiratet gewesen, und als sie Jeff kennenlernte, hatte ihr Anwalt gerade eine Übereinkunft mit ihrem dritten Mann ausgehandelt. Am zweiten Abend im Hafen von Tahiti gingen die Crew und die Passagiere an Land, und Jeff wurde erneut in Louise Hollanders Kabine gerufen. Sie trug wieder ein Kleid aus Seide, diesmal mit einem Schlitzbis zum Oberschenkel.
«Ich versuche, dieses Ding vom Leibzu kriegen«, erklärte sie.»Ich habe ein Problem mit dem Reißverschluß.«
Jeff trat zu ihr undbegutachtete das Kleid.»Das hat doch gar keinen Reißverschluß.«
Sie drehte sich um, blickte ihn an und lächelte.»Ich weiß. Das ist ja das Problem.«
Sie liebten sich an Deck, und die warme Tropenluft streichelte ihre Körper. Danach lagen sie auf der Seite, einander zugewandt, und schauten sich an. Jeff stützte sich auf den Ellenbogen undblickte auf Louise nieder.»Dein Daddy ist nicht der Sheriff, oder?«
Sie setzte sich verblüfft auf.»Wiebitte?«
«Du warst niebei einem Vergnügungspark. Dubist ein Mädchen von draußen. Und Onkel Willie hat gesagt, der Daddy der Mädchen von draußen ist immer der Sheriff.«
Von da an waren sie jeden Abend zusammen. LouisesBekannte fanden es zunächst nur komisch. Ein neues Spielzeug von Louise, dachten sie. Doch als Louise ihnen mitteilte, daß sie Jeff heiraten wolle, waren sie außer sich.
«Um Gottes willen, Louise, der ist doch nichts für dich. Er hatbei einem Vergnügungspark gearbeitet. Da könntest du ja gleich einen Stallknecht heiraten. Sicher, er sieht gut aus. Und er hat eine phantastische Figur. Aber außer Sex habt ihr nichts gemeinsam.«
«Der paßt einfach nicht zu uns, Schätzchen. Oder siehst du das anders?«
Doch nichts von dem, was ihreBekannten sagten, konnte Louisebeirren. Jeff war der faszinierendste Mann, den sie je kennengelernt hatte. Sie hatte die Erfahrung gemacht, daß ungewöhnlich gutaussehende Männer entweder gigantisch dumm oder unerträglich langweilig waren. Jeff dagegen war gutaussehend, gescheit und amüsant, und diese Kombination fand sie unwiderstehlich.
Als Louise zu Jeff von Heirat sprach, war er ebenso überrascht wie ihreBekannten.
«Warum das? Meinen Körper hast du schon. Und sonst kann ich dir nichtsbieten, was du nichtbereits hättest.«
«Es ist ganz einfach, Jeff. Ich liebe dich. Ich möchte mein Leben mit dir teilen.«
Heiraten — das war einebefremdliche Vorstellung gewesen. Doch dann dachte Jeff mit einem Schlag anders. Unter Louise Hollanders weltläufiger und etwasblasierter Maske verbarg sich ein verletzliches und einsames kleines Mädchen. Siebraucht mich, sagte sich Jeff. Die Idee, ein geordnetes häusliches Leben zu führen und Kinder zu haben, war plötzlich
ungeheuer verlockend. Jeff schien, daß er immer nur durch die Welt gerannt war. Es wurde Zeit zu verweilen. Drei Tage später heirateten sie in Tahiti.
Als sie nach New York zurückgekehrt waren, wurde Jeff in die Kanzlei von Scott Fogarty gebeten. Fogarty war Louises Anwalt, ein kleiner, sehr förmlicher Mann mit verkniffenem Mund und, wie Jeff vermutete, wohl ebenso verkniffener Weltanschauung.
«Ich habe hier eine Urkunde, die Sie unterschreiben sollen«, sagte der Anwalt.
«Was für eine Urkunde?«
«Eine Verzichturkunde. Es heißt darin, daß Sie im Falle der Auflösung Ihrer Ehe mit Louise Hollander…«
«Louise Stevens.«
«Also gut, Louise Stevens… keine finanziellen Ansprüche gegen sie…«
Jeff spürte, wie sich seine Gesichtsmuskeln verkrampften.»Wo unterschreibe ich den Wisch?«
«Soll ich nicht erst einmal zu Ende lesen?«
«Nein. Ich glaube, Sie haben den entscheidenden Punkt nicht erfaßt. Ich habe Louise nicht wegen ihrem Scheißgeld geheiratet — pardon, ihres Scheißgeldes wegen.«
«Mr. Stevens! Ich…«
«Also, soll ich den Wisch nun unterschreiben oder nicht?«
Der Anwalt legte Jeff die Urkunde vor. Jeff unterschriebund stürmte aus der Kanzlei. Louises Wagen wartete samt Chauffeur auf ihn. Als Jeff einstieg, mußte er über sich selbst lachen. Herrgott, warumbin ich denn so sauer? Ich habe mein Leben lang gemogelt, und jetzt, wo ich zum ersten Mal ehrlichbin und jemand auch nur auf die Idee kommt, ich könnte es nicht sein, führe ich mich auf wie 'ne Pastorentochter.
Louisebrachte Jeff zumbesten Schneider von Manhattan.
«Du wirst phantastisch aussehen in einem Smoking. «So lockte sie ihn. Und er sah phantastisch aus. Er war noch keine zwei Monate verheiratet, da hattenbereits fünf von Louisesbesten Freundinnen versucht, ihn zu verführen. Aber Jeff ignorierte sie. Er war fest entschlossen, treu zu sein und eine gute Ehe zu führen.
Donald Hollander, LouisesBruder, der auf den SpitznamenBudge hörte, ebnete Jeff den Weg in den exklusiven New York Pilgrim Club, und Jeff wurde aufgenommen. Budge war einbulliger Mann in mittleren Jahren, ehemals Footballspieler im Harvard‑Team. Erbesaß eine Reederei, eineBananenplantage, diverse Rinderfarmen, eine
Fleischwarenfabrik und weitere Unternehmen — mehr, als Jeff zählen konnte. Budge Hollander machte kein Hehl aus seiner Verachtung für Jeff Stevens.