Morgan stellte sich überrascht.»Wollen Sie mir etwa sagen, daß irgendwelche Männer Ihnen die Juwelen abgenommen haben?«
Tracy lächelte.»Nein, im Gegenteil. Ich will Ihnen sagen, daß sie es nicht geschafft haben.«
Diesmal war Morgans Überraschung echt.»Sie haben die Juwelen?«
«Ja. Ihre Freunde hatten es so eilig damit, ihre Maschine zu erreichen, daß sie mir die Juwelen dagelassen haben.«
Morgan musterte Tracy ein paar Sekunden lang. Dann sagte er:»Entschuldigen Sie michbitte einen Moment.«
Er verschwand hinter einer Tür, auf der PRIVAT stand, und Tracy nahm herrlich entspannt auf einem Sofa Platz.
Conrad Morganbliebfast eine Viertelstunde fort, und als er wiederkam, war er ein wenigbestürzt.»Da hat sich leider ein Irrtum eingeschlichen. Ein großer Irrtum. Sie sind eine sehr intelligente junge Dame, Miß Whitney. Sie haben sich Ihre fünfundzwanzigtausend Dollar redlich verdient. «Er lächeltebewundernd.»Geben Sie mir die Juwelen, und…«
«Fünfzigtausend.«
«Pardon?«
«Ich mußte sie zweimal stehlen, Mr. Morgan. Macht fünfzigtausend Dollar.«
«Nein«, sagte er.»Soviel kann ich Ihnen nicht geben.«
Tracy stand auf.»Okay. Dann werde ich sehen, obich in Las Vegas jemand finde, der meint, daß sie das wert sind. «Sie ging auf die Tür zu.
«Fünfzigtausend, haben Sie gesagt?«fragte Conrad Morgan.
«Ja. Fünfzigtausend.«
«Wo sind die Juwelen?«
«In einem Schließfach amBahnhof… Penn Station. Sobald Sie mich ausbezahlt haben — inbar — und mich in ein Taxi setzen, händige ich Ihnen den Schlüssel aus.«
Conrad Morgan gabsich mit einem tiefen Seufzer geschlagen.»In Ordnung.«
«Danke«, sagte Tracy heiter.»Es war mir ein Vergnügen, mit Ihnen Geschäfte zu machen.«
19
Daniel Cooper wußtebereits, worum es an diesem Morgen derBesprechung in J. J. ReynoldsBüro gehen würde, denn alle Detektive der Gesellschaft hatten am Vortag ein Memo erhalten. Thema: der Einbruch im HauseBellamy, der jetzt eine Woche zurücklag. Daniel Cooper haßteBesprechungen. Er war zu ungeduldig, um einfach nur herumzusitzen und sich dummes Geschwätz anzuhören.
Er traf mit einer Dreiviertelstunde Verspätung in J. J. ReynoldsBüro ein. Reynolds hielt gerade einen Vortrag zur Lage.
«Nett, daß Sie doch noch vorbeischauen«, sagte J. J. Reynolds ironisch. Keine Reaktion. Das ist reine Zeitverschwendung, dachte Reynolds. Cooper hatte keinen Sinn für Ironie — er hatte für gar nichts Sinn, wenn man Reynolds fragte. Nur für die Aufspürung von Kriminellen. Aber da war erbekanntermaßen ein Genie, wie Reynolds widerwillig zugeben mußte.
ImBüro saßen drei von den Spitzenkräften der Gesellschaft: David Swift, Robert Schiffer und Jerry Davis.
«Das Memo über den Einbruchbei LoisBellamy haben Sie ja alle gelesen«, fuhr Reynolds fort.»Aber es kommt noch was Neues dazu. Es hat sich herausgestellt, daß LoisBellamy eine Cousine des Polizeichefs ist. Und der schlägt einen Krach, sage ich Ihnen… also, da wackeln alle Wände.«
«Und was macht die Polizei von Sea Cliff?«fragte Davis.
«Die verkriecht sich vor der Presse. Kann man ihr auch nicht verdenken. Ihre Leute haben sich so dämlich verhalten wie Cops in einem albernen Comic. Sie haben wahrhaftig mit der Einbrecherin geredet, die sie im HauseBellamy erwischt
haben — um die Lady anschließend auch noch entkommen zu lassen.«
«Dann müßten sie doch eine guteBeschreibung von ihr haben«, meinte Swift.
«Sie haben eine guteBeschreibung von ihrem Nachthemd«, erwiderte Reynolds sarkastisch.»Sie waren so tiefbeeindruckt von der Figur der Dame, daß ihr Hirn geschmolzen ist wieButter in der Sonne. Sie wissen nicht mal, welche Haarfarbe sie hat, denn sie trug eine Frisierhaube auf dem Kopf. Und im Gesicht hatte sie eine Fangopackung. IhrerBeschreibung nach ist die Frau Mitte Zwanzig. Sie hat einen Prachtarsch und grandiose Titten. Kein Hinweis, mit dem man was anfangen könnte. Keine Information, die uns weiterbrächte. Nichts.«
Daniel Cooper machte zum ersten Mal den Mund auf.»Das stimmt nicht.«
Die anderen wandten sich ihm zu, um ihn mit mittlererbis extremer Abneigung anzublicken.
«Wie meinen Sie das?«erkundigte sich Reynolds.
«Ich weiß, wer sie ist.«
Als Cooper tags zuvor das Memo gelesen hatte, hatte erbeschlossen, sich das HausBellamy anzusehen — erster logischer Schritt. Für Daniel Cooper war die Logik das Ordnungsprinzip Gottes, die Lösung eines jeden Problems, und wenn man logisch vorging, fing man ganz vorne an. Cooper fuhr nach Long Island, warf einenBlick auf das HausBellamy, ohne aus dem Wagen zu steigen, drehte wieder um und fuhr nach Manhattan zurück. Er wußte alles, was er wissen wollte. Das Haus war abgelegen, weit undbreit kein öffentliches Verkehrsmittel… und das hieß, daß die Einbrecherin es nur mit dem Auto erreicht haben konnte.
Nun erklärte er seine Gedankengänge den Männern in ReynoldsBüro.»Da sie wahrscheinlich nicht mit ihrem eigenen Wagen fahren wollte — schließlich hätte sich jemand zufällig die Nummer merken können —, war das Auto
entweder gestohlen oder gemietet. Ich habe es zunächstbei den Verleihfirmen probiert. Ichbin von der Annahme ausgegangen, daß sie den Wagen in Manhattan gemietet hat, denn dort konnte sie ihre Spuren leichter verwischen als anderswo.«
Jerry Davis war nichtbeeindruckt.»Sie machen wohl Witze, Cooper. In Manhattan werden doch jeden Tag Tausende von Wagen gemietet.«
Cooper ignorierte die Unterbrechung.»Alle Verleihvorgänge laufen über den Computer. Autos werden relativ selten von Frauen gemietet. Ich habe sie alle herausgerastert. Die fragliche Lady hat am Abend des Einbruchs um 20 UhrbeiBudget Rent a Car in der West Twentythird Street einen Chevrolet Caprice gemietet und ihn um 2 Uhr morgens zurückgebracht.«
«Woher wollen Sie wissen, daß das der Fluchtwagen war?«erkundigte sich Reynolds.
Die dämlichen Fragen ödeten Cooper allmählich an.»Ich habe überprüft, wieviel Kilometer es zum HauseBellamy sind. Zweiundfünfzig hin und zweiundfünfzig zurück. Das stimmt genau mit dem Stand auf dem Wegstreckenmesser des Leihwagens überein. Er wurde von einer gewissen EllenBranch gemietet.«
«Falscher Name«, vermutete David Swift.
«Ihr richtiger Name ist Tracy Whitney.«
Alle starrten Cooper an.»Woher wollen Sie das wissen, verdammt noch mal?«fragte Schiffer.
«Sie hat einen falschen Namen und eine falsche Adresse angegeben, aber sie mußte ja einen Vertrag unterzeichnen. Ich habe das Original zur Polizeidirektion mitgenommen und die Fingerabdrücke überprüfen lassen. Sie stimmen genau mit denen von Tracy Whitney überein. Die Frau hat eine Weile im Southern Louisiana Penitentiary for Women gesessen. Sie erinnern sich vielleicht noch, daß ich vor ungefähr einem Jahr
mit ihr geredet habe — es ging um einen gestohlenen Renoir.«
«Ja, ich erinnere mich«, bestätigte Reynolds.»Damals haben Sie gesagt, sie sei unschuldig.«
«Damals ja. Aber jetzt nicht. Dieses Ding im HauseBellamy hat sie gedreht.«
Der Kerl hatte es wieder einmal gebracht! Und er tat so, als wäre es das Einfachste von der Welt. Reynoldsbemühte sich, den Neid aus seiner Stimme zu verbannen.»Sie… Sie haben gute Arbeit geleistet, Cooper. Wirklich gute Arbeit. Kriegen wir sie dran, die Lady. Wir verständigen die Polizei, lassen sie verhaften und…«
«Mit welcherBegründung?«fragte Cooper milde.»Weil sie einen Wagen gemietet hat? Die Polizei kann sie nicht identifizieren, und es gibt nicht den kleinstenBeweis gegen sie.«
«Was sollen wir machen?«sagte Schiffer.»Sie einfach laufenlassen?«