«Diesmal ja«, antwortete Cooper.»Aber ich weiß jetzt, wer sie ist. Sie wird wieder was versuchen. Und wenn sie das tut, kriege ich sie dran.«
DieBesprechung war endlich vorbei. Cooper sehnte sich nach einer Dusche. Er zog ein kleines schwarzes Notizbuch aus der Tasche und malte TRACY WHITNEY hinein.
20
Es wird Zeit, daß ich ein neues Leben anfange. Aber was für eins? Ich war ein unschuldiges, naives Opfer, und jetztbin ich… eine Diebin, ja. Tracy dachte an Joe Romano und Anthony Orsatti und Perry Pope und Richter Lawrence. Nein, eine Rächerin. Und vielleicht auch noch eine Abenteurerin. Sie hatte die Polizei, zwei Meistergauner und einen hinterlistigen Juwelier ausgetrickst. Sie dachte an Ernestine und Amy, und dies gabihr einen Stich. Spontan ging sie in ein Spielwarengeschäft, kaufte ein Puppentheater mit einem Dutzend Figuren und schickte es an Amy. Dazu schriebsie eine Karte:
Liebe Amy! Hier sind ein paar neue Freunde für Dich. Du fehlst mir. Alles Liebe. Tracy.
Dann ging sie zu einem Kürschner in der Madison Avenue, kaufte eineBlaufuchs‑Boa für Ernestine und gabsie mitsamt einer Zahlungsanweisung über zweihundert Dollar auf die Post. Auf der Karte stand: Vielen Dank, Ernie. Tracy.
Jetzt habe ich meine Schuldenbeglichen, dachte Tracy. Es war ein schönes Gefühl. Nun konnte sie gehen, wohin sie wollte, und tun, was sie wollte.
Sie feierte ihre Unabhängigkeit, indem sie eine Suite im Helmsley Palace Hotelbezog. Von ihrem Salon im 47. Stock aus sah sie tief unter sich die St. Patrick's Cathedral und in der Ferne die WashingtonBridge. Nur ein paar Kilometer von hier entferntbefand sich das entsetzliche Appartment, in dem siebis vor kurzem gewohnt hatte. Nie wieder, schwor sich Tracy.
Sie entkorkte die Flasche Champagner, die ihr die Direktion
aufs Zimmer geschickt hatte, trank sie voller Genuß undbetrachtete den Sonnenuntergang über den Wolkenkratzern von Manhattan. Als der Mond aufgegangen war, hatte Tracy ihre Entscheidung getroffen. Sie würde nach London reisen. Sie fieberte den wunderbaren Dingen entgegen, die das Leben zubieten hatte. Ichbin meinen Verpflichtungen nachgekommen, dachte Tracy. Und jetzt habe ich einbißchen Glück verdient.
Später, als siebereits imBett lag, stellte sie die Spätnachrichten an. Zwei Männer wurden interviewt. Boris Melnikow war ein kleiner, dicker Russe, der einen schlecht sitzendenbraunen Anzug trug. Mihail Negulescu war genau das Gegenteiclass="underline" hochaufgeschossen, dünn und elegant gekleidet. Tracy fragte sich, was diebeiden Männer wohl gemeinsam hatten.
«Wo findet das Turnier um die Schachweltmeisterschaft denn statt?«erkundigte sich der Interviewer.
«In Sotschi, am schönen Schwarzen Meer«, antwortete Melnikow.
«Sie haben sich zu wiederholten Malenbei Schachweltmeisterschaften geschlagen, meine Herren. Ihre letzte Partie endete remis, und die ganze Weltblickt dem Turnier in Sotschi mit Spannung entgegen. Mr. Negulescu, gegenwärtig ist Mr. Melnikow Weltmeister. Glauben Sie, daß Sie ihn wieder entthronen können?«
«Aber sicher«, antwortete der Rumäne.
«Er hat keine Chance«, entgegnete der Russe.
Tracy verstand nichts von Schach, aber diebeiden Männer waren von einer Arroganz, die sie widerlich fand. Sie stellte den Fernseher abund drehte sich zur Wand, um zu schlafen.
Am nächsten Morgen ging Tracy in ein Reisebüro und ließ sich eine Suite auf dem Oberdeck der Queen Elizabeth //
reservieren. Sie war über ihre erste Auslandsreise sehr aufgeregt und verbrachte die nächsten drei Tage damit, Koffer und Kleider zu kaufen.
Am Morgen der Abfahrt ließ sich Tracy von einem Taxi zur Pier chauffieren. Es wimmelte von Fotografen und Fernsehreportern, und Tracy geriet einen Moment lang in Panik. Dann merkte sie, daß die Medienleute diebeiden Männer interviewten, die sich am Fuße der Gangway in Positur geworfen hatten — Melnikow und Negulescu, die großen Schach‑Koryphäen. Tracy drückte sich an ihnen vorbei, zeigte einem Schiffsoffizier ihren Paß und ging anBord. Dort warf ein Steward einenBlick auf Tracys Ticket und geleitete sie zur ihrer Suite, die sehr schön war und eine eigene kleine Terrasse hatte. Sie hatte absurd viel gekostet, aber Tracy hattebeschlossen, sich etwas Luxus zu gönnen.
Sie packte ihre Sachen aus und schaute sich dann auf dem Oberdeck um. In fast allen Kabinen fanden Abschiedspartys statt — mit Gelächter und Champagner und Gesprächen. Tracy fühlte sich plötzlich einsam. Niemand hatte sie aufs Schiffbegleitet, sie hing an niemandem, und niemand hing an ihr. Stimmt nicht, dachte Tracy. BigBertha will mich. Und sie lachte schallend.
Sie stieg zumBootsdeck hinauf und merkte nicht, wieviel Männer ihrbewundernd nachsahen und wieviel Frauen sie neidischbetrachteten.
Als das Schiff ablegte, war Tracy plötzlich von ungeheurer Erregung erfüllt. Sie fuhr in eine völlig unbekannte Zukunft. EinBeben durchlief den Ozeanriesen, als die Schlepperbegannen, ihn aus dem Hafen zubugsieren, und Tracy stand zwischen anderen Passagieren auf demBootsdeck undbeobachtete die immer kleiner werdende Freiheitsstatue. Danach machte sie eine Erkundungstour.
Die Queen Elizabeth // war eine schwimmende Stadt, über dreihundert Meter lang und so hoch wie ein Haus mit dreizehn
Etagen. Sie hatte vier Restaurants, sechsBars, zweiBallsäle, jede Menge Läden, vier Swimmingpools, einen Golfkurs und eine Jogging‑Bahn. Tracy staunte. Hier möchte ich ewigbleiben, dachte sie.
Sie hatte sich einen Tisch im Princess Grill reservieren lassen, der intimer und eleganter war als der große Speisesaal. Sie saß kaum, da sagte eine vertraute Stimme:»Hallo!«
Tracyblickte auf. Vor ihr stand TomBowers, der angebliche FBI‑Agent. Nein, das habe ich nicht verdient, dachte Tracy.
«Was für eine angenehme Überraschung!«sagte TomBowers.»Stört es Sie sehr, wenn ich mich zu Ihnen setze?«
«Ja.«
Er nahm unbeeindruckt an Tracys Tisch Platz und lächelte sie gewinnend an.»Wir könnten uns ruhig miteinander anfreunden. Schließlich sind wirbeide aus demselben Grund hier, oder?«
Tracy hatte keine Ahnung, wovon er sprach.»Hören Sie, Mr. Bowers…«
«Stevens«, sagte er munter.»Jeff Stevens.«
«Meinetwegen. «Tracy schickte sich zum Aufstehen an.
«Warten Sie. Ich möchte Ihnen diese Sache im Zug erklären.«
«Da gibt es nichts zu erklären«, entgegnete Tracy.
«Conrad Morgan hatte mich gebeten, ihm einen Gefallen zu tun. «Jeff Stevens grinste verlegen.»Ich fürchte, er war nicht geradebegeistert von mir.«
Derselbe lockere, jungenhafte Charme, auf den sie vorher reingefallen war… Um Himmels willen, Dennis, es ist nicht nötig, ihr Handschellen anzulegen. Sie läuft uns schon nicht weg…
Tracy sagte feindselig:»Ichbin auch nicht geradebegeistert von Ihnen. Was suchen Sie überhaupt auf diesem Schiff?«
«Maximilian Pierpont.«
«Wen?«
Erblickte sie verwundert an.»Wollen Sie damit sagen, daß Sie das wirklich nicht wissen?«
«Was?«
«Maximilian Pierpont ist einer der reichsten Männer der Welt. Er hat ein großes Hobby: Konkurrenzfirmen aus dem Geschäft zu drücken. Er liebt edle Pferde und rassige Frauen, und vonbeiden hat er eine ganze Menge. Er ist das, was man früher einen Lebemann genannt hätte — wohl der letzte große dieses Schlages.«
«Und Sie wollen ihn um einen Teil seines Reichtumsbringen?«
«Um einen recht erheblichen sogar. «Jeffblickte Tracy forschend an.»Wissen Sie, was Sie und ich tun sollten?«
«Ganz gewiß, Mr. Stevens. Wir sollten uns voneinander verabschieden.«
Und, buchstäblich sitzengelassen, sah er zu, wie Tracy aufstand und den Grillroom verließ.
Sie aß in ihrer Suite und haderte mit ihrem Schicksal. Warum, zum Teufel, mußte sie wieder Jeff Stevensbegegnen?