«Meraviglioso! Sono contenta!«
Zufriedenbist du also, du Miststück, dachte Halston. Na, das kannst du auch sein. Doch er hatte ebenfalls keinen Grund zu
klagen. Er hatte für den Rest seines Lebens ausgesorgt. Er warf einen letztenBlick auf den Smaragd und schobihn in seine Tasche. Dann stellte er einen Scheck der Firma Parker & Parker aus und überreichte ihn der Contessa.
«Grazie, Signore«, sagte sie.
Halston mußte jetzt nur noch dafür sorgen, daß Mrs. Benecke ihm einenBarscheck über die vierhunderttausend Dollar gab. Zweihundertfünfzigtausend würde er aufs Geschäftskonto leiten — mit Peter würde er es so deichseln, daß der Zweihundertfünfzigtausend‑Dollar‑Scheck für die Contessa nicht auf dem Monatsauszug erschien — und die Differenz würde er einstecken. Hundertfünfzigtausend Dollar.
Er spürtebereits die warme Sonne der Côte d'Azur in seinem Gesicht.
Die Taxifahrt zurück zum Geschäft schien nur Sekunden zu dauern. Halston stellte sich Mrs. Beneckes Freude über die gute Nachricht vor. Er hatte nicht nur den Smaragd gefunden, den sie suchte, sondern ihr auch das schauderhafte Leben in einem zugigen, heruntergekommenen Landhaus erspart.
Als Halston ins Geschäft einschwebte, sagte Chilton:»Sir, hier interessiert sich ein Kunde für…«
Halston winkte ihn frohgemutbeiseite.»Später.«
Er hatte keine Zeit für Kunden. Jetzt nicht. Nie wieder. Von nun an würde er sichbedienen lassen.
Halston flatterte in seinBüro, schloß die Tür, legte den Smaragd vor sich auf den Schreibtisch und wählte eine Nummer.
«Dorchester Hotel«, sagte eine Telefonistin.
«Bitte verbinden Sie mich mit der Oliver‑Messel‑Suite.«
«Wen wollen Sie denn sprechen?«
«Mrs. Benecke.«
«Einen Moment, bitte.«
Halston pfiff leise vor sich hin, während er wartete.
Dann meldete sich die Telefonistin wieder.»Tut mir leid, Mrs. Benecke ist abgereist.«
«Aber das… das ist doch unmöglich! Sie muß noch im Hotel sein!«
«Moment. Ich verbinde Sie mit der Rezeption.«
Eine Männerstimme sagte:»Rezeption. Kann ich etwas für Sie tun?«
«Ja. Ich möchte Mrs. Benecke sprechen.«
«Tut mir leid. Mrs. Benecke ist heute morgen abgereist.«
Es mußte eine Erklärung dafür geben. Ein unvorhergesehenes Ereignis oder dergleichen. Vielleicht hatte der alte P. J. einen Herzinfarktbekommen…
«Können Sie mirbitte die Adresse geben, die sie hinterlassen hat? Es ist…«
«Tut mir leid. Sie hat keine hinterlassen.«
«Natürlich hat sie eine hinterlassen!«
«Ich habe Mrs. Benecke persönlich abgefertigt. Sie hat keine Adresse hinterlassen.«
Es war wie ein furchtbarer Schlag in die Magengrube. Halston legte langsam den Hörer auf. Konfus saß er da. Er mußte irgendwie in Verbindung zu Mrs. Benecke treten, er mußte ihr mitteilen, daß er den gewünschten Smaragd endlich gefunden hatte. Außerdem mußte er der Contessa den Zweihundertfünfzigtausend‑Dollar‑Scheck wieder abluchsen.
In fliegender Hast klingelte er das Savoy an.»Suite 26.«
«Wen wollen Sie sprechen?«
«Die Contessa Marissa.«
«Einen Augenblick, bitte.«
Doch noch ehe die Telefonistin sich wieder meldete, sagte ihm eine entsetzliche Vorahnung, welche Schreckensnachricht er gleich hören würde.
«Tut mir leid. Die Contessa ist abgereist.«
Halston legte auf. Seine Hände zitterten dermaßen, daß er kaum die Nummer derBank wählen konnte.»Geben Sie mir
den Hauptbuchhalter! Schnell! Ich will einen Scheck sperren lassen!«
Doch es war natürlich zu spät. Er hatte einen Smaragd für hunderttausend Dollar verkauft und für
zweihundertfünfzigtausend Dollar zurückgekauft. Gregory Halston saß, in sich zusammengesunken, in seinem Sessel und fragte sich, wie er das den Gebrüdern Parker erklären sollte.
22
Für Tracy war es der Anfang eines neuen Lebens. Sie kaufte ein schönes georgianisches Haus am Eaton Square, das hell und freundlich war. Es hatte einen Vorgarten und einen Garten an der rückwärtigen Seite, beide voll herrlicherBlumen. Günther half Tracybeim Einrichten, und nochbevor sie fertig waren, gehörte das Haus zu den Sehenswürdigkeiten von London.
Günther führte Tracy als reiche junge Witwe in die Gesellschaft ein, deren Mann in der Import‑Export‑Branche ein Vermögen gemacht hatte. Sie wurde sofort akzeptiert; sie war schön, intelligent und charmant, undbald konnte sie sich kaum noch retten vor lauter Einladungen.
Hin und wieder unternahm Tracy kurze Reisen nach Frankreich, in die Schweiz, nachBelgien und nach Italien, und jedesmal hatten Günther Hartog und sie einen nicht unerheblichen Vorteil davon.
Unter Günthers Anleitung studierte Tracy den Gotha und Debrett's Peerage undBaronetage, die maßgeblichen genealogischen Handbücher, die Auskunft über die Adelsgeschlechter und — titel Europas gaben. Tracy entwickelte sich zur chamäleonhaften Verwandlungskünstlerin, zur Masken- und Kostümbildnerin, zur Expertin in Akzenten. Sie legte sich ein halbes Dutzend Pässe zu. Sie trat alsbritische Herzogin, französische Stewardeß und südamerikanische Erbin auf. Binnen eines Jahres hatte sie mehr Geld verdient, als sie jebrauchen würde. Sie richtete einen Fonds ein und überwies hohe anonyme Spenden an Organisationen, die ehemaligen Gefängnisinsassinnen halfen, und sie sorgte dafür, daß Otto Schmidt eine stattliche Pension erhielt. Ans
Aussteigen dachte sie jetzt nicht mehr. Sie liebte die Herausforderung. Es machte ihr Spaß, gewitzte und erfolgreiche Leute auszutricksen. Der Nervenkitzel wirkte wie eine Droge, und Tracy mußte entdecken, daß sie ständig neue, größere Herausforderungenbrauchte. Wobei sie sich allerdings immer an einen unverbrüchlichen Grundsatz hielt: Sie achtete darauf, Unschuldigen nicht weh zu tun. Die Leute, denen sie ans Leder ging, waren entweder gierig oder unanständig — oderbeides. Ich werde niemand zum Selbstmord treiben. Das schwor sie sich.
In den ZeitungenbegannenBerichte über die verwegenen Eskapaden zu erscheinen, von denen Europa heimgesucht wurde, und weil sich Tracy verschiedener Verkleidungenbediente, glaubte die Polizei, man habe es hier mit einer Frauenbande zu tun, die auf raffinierte Schwindeleien und Einbruchdiebstähle spezialisiert sei. Interpol solltebald eingeschaltet werden.
In der Hauptgeschäftsstelle der International Insurance Protection Association ließ J. J. Reynolds seinenbesten Mann zu sich rufen: Daniel Cooper.
«Wir haben Probleme«, sagte Reynolds.»Bei unseren europäischen Klienten haben sich in letzter Zeit die Schadensfälle gehäuft — offenbar steckt eine Frauenbande dahinter. Jedenfalls schreien sie Zeter und Mordio. Sie wollen, daß dieseBande endlich dingfest gemacht wird. Interpol hat sichbereit erklärt, mit uns zusammenzuarbeiten. Der Auftrag geht an Sie, Dan. Sie fliegen morgen nach Paris.«
Tracy aß mit Güntherbei Scott's in der Mount Street.»Ist Ihnen Maximilian Pierpont einBegriff, Tracy?«Der Name kam ihrbekannt vor. Wo hatte sie ihn schon einmal gehört? Dann fiel es ihr wieder ein. Jeff Stevens hatte auf der Queen Elizabeth II von diesem Mann gesprochen.
«Er ist sehr reich, nicht?«
«Und äußerst skrupellos. Er kauft sich mit wahrer Wonne in Firmen ein, um sie auszuplündern.«
Als Joe Romano die Firma übernommen hat, hat er allen gekündigt und seine Leute in denBetriebgesetzt. Dann hat er die Firma systematisch ausgeplündert… Und sie haben Ihrer Mutter alles genommen — das Geschäft, dieses Haus, sogar ihr Auto…
Güntherblickte Tracy fragend an.»Ist was?«
«Nein. Nichts. «Manchmal ist das Leben ungerecht, dachte Tracy, und es ist an uns, das auszugleichen.»Erzählen Sie mir mehr von Maximilian Pierpont.«
«Seine dritte Frau hat sich soeben von ihm scheiden lassen, und er ist jetzt allein. Ich glaube, es wäre von Vorteil, wenn Sie mit diesem HerrnBekanntschaft schließen würden. Er reist am Freitag mit dem Orientexpreß von London ab.«