Выбрать главу

Als sie die Tür hinter sich abgeschlossen hatte, nahm sie dieblonde Perücke abund massierte ihre Kopfhaut. DieBaroneß war eine ihrer schönsten Rollen. Aus Debrett's Peerage andBaronetage und aus dem Gotha konnte man sich Hunderte von Adelstiteln aussuchen: Herzoginnen und Prinzessinnen undBaronessen und Gräfinnen aus zwei Dutzend Ländern. DieseBücher waren für Tracy von unschätzbarem Wert, denn sie gaben auch einen Abriß der Familiengeschichte und nannten die Namen der Väter, Mütter und Kinder und die Adressen der Familiensitze. Es war ganz einfach, ein prominentes Adelsgeschlecht auszuwählen und eine Cousine zweiten oder dritten Grades zu werden — vor allem eine wohlhabende Cousine. Von Titeln und Geld ließen sich die Leute immerbeeindrucken.

Tracy dachte an den Fremden, der sie am Nachmittag in der Hotelhalle angerempelt hatte, und lächelte.

Am selben Abend um 20 Uhr saß dieBaroneß Marguerite de Chantilly in derBar des Hotel du Palais, als der Mann, der vor einigen Stunden mit ihr zusammengestoßen war, an ihren Tisch trat.

«Verzeihen Sie«, sagte er schüchtern,»ich muß mich nochmals für meine Ungeschicklichkeit heute nachmittag entschuldigen.«

Tracy lächelte ihn nachsichtig an.»Aberbitte. Es war doch nur ein Versehen.«

«Sie sind zu gütig. «Er zögerte.»Mir wäre wohler, wenn Sie mir erlauben würden, Sie zu einem Drink einzuladen.«

«Bitte. Wenn Sie wollen.«

Er ließ sich in den Sessel gegenüber von ihr sinken.»Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle: Mein Name ist Adolf Zuckerman.«

«Marguerite de Chantilly.«

Zuckerman winkte dem Oberkellner.»Was möchten Sie trinken?«fragte er Tracy.

«Champagner. Das heißt, wenn es Ihnen nicht zu…«

Zuckerman hobbeschwichtigend die Hand.»Ich kann's mir leisten. Und ich werde mirbald alles leisten können, was das Herzbegehrt.«

«Tatsächlich?«Tracy lächelte.»Wie schön für Sie.«

«Ja.«

Zuckermanbestellte Champagner und wandte sich dann wieder Tracy zu.»Etwas höchst Verblüffendes hat sich in meinem Leben ereignet. Ich sollte eigentlich nicht mit einem fremden Menschen darüber sprechen, aber es ist so aufregend, daß ich es einfach nicht für michbehalten kann. «Erbeugte sich ein wenig vor und senkte die Stimme.»Ichbin Gymnasialprofessor — oder vielmehr, ich war esbis vor kurzem. Ich habe Geschichte gelehrt. Das ist ganz nett, aber nicht gerade spannend.«

Tracy lauschte mit höflichem Interesse.

«Das heißt, es war nicht gerade spannend. Bis vor ein paar Monaten.«

«Darf ich fragen, was vor ein paar Monaten passiert ist, Professor Zuckerman?«

«Ich habe über die spanische Armada geforscht, nach Anschauungsmaterial gesucht, das das Thema für meine Schüler interessanter machen könnte. Und dabeibin ich im Museum meiner Heimatstadt auf ein altes Dokument und einige dazugehörige Papiere gestoßen — weiß Gott, wie sie in das dortige Archiv geraten sind. Das Dokument enthielt jedenfalls ausführliche Angaben über eine Geheimexpedition,

die Philipp II. von Spanien im Jahre 1588 auf die Reise schickte. Eines der Schiffe, das ungemünztes Gold geladen hatte, sank angeblichbei einem Sturm und verschwand spurlos.«

Tracyblickte Zuckerman aufmerksam an.»Es sank angeblich?«

«Genau. In Wirklichkeit, so heißt es in den Papieren, wurde es vom Kapitän und derBesatzung mit voller Absicht in einer kleinenBucht versenkt. Sie wollten später wiederkommen und den Schatz heben. Doch das gelang ihnen nicht. Sie wurden von Piraten angegriffen und getötet. Das Dokumentbliebnur erhalten, weil keiner der Piraten lesen und schreiben konnte. Sie wußten nicht, was sie da in der Hand hatten. «Zuckermans Stimme zitterte vor Erregung.»Und jetzt…«, er sprach leiser undblickte in die Runde, um sich zu vergewissern, daß niemand lauschte,»… und jetztbesitze ich das Dokument mitsamt einer detaillierten Anleitung, wie man an den Schatz herankommt.«

«Wie schön für Sie, Professor. «In Tracys Worten schwang eine gewisseBewunderung mit.

«Dieses Gold dürfte fünfzig Millionen Dollar wert sein«, sagte Zuckerman.»Ich muß den Schatz nur noch heben.«

«Was hindert Sie daran?«

Er zuckte verlegen die Achseln.»Die Kosten. Ich muß einBergungsschiff finanzieren.«

«Ich verstehe. Wie teuer wäre das ungefähr?«

«Hunderttausend Dollar. Ich muß gestehen, daß ich etwas völlig Verrücktes getan habe. Ich habe meine gesamten Ersparnisse — zwanzigtausend Dollar — von derBank abgehoben undbin nachBiarritz gegangen, um an der Spielbank soviel zu gewinnen, daß…«Die Stimme versagte ihm.

«Und Sie haben alles verloren.«

Zuckerman nickte. Tracy sah Tränen hinter seinen

Brillengläsern.

Der Champagner wurde serviert, und der Oberkellner entkorkte ihn und ließ ihn in die Gläser schäumen.

Tracy hobihr Glas.»Bonne chance«, lächelte sie.

«Danke.«

Sie tranken den Champagner in nachdenklichem Schweigen.

«Bitte verzeihen Sie, daß ich Sie mit alledembehellige«, sagte Zuckerman.»Ich sollte einer schönen jungen Dame eigentlich nicht von meinen Problemen erzählen.«

«Aber ich finde Ihre Geschichte faszinierend«, entgegnete Tracy.»Sind Sie sicher, daß das Gold noch auf dem Meeresgrund liegt?«

«Absolut. Ich habe das Original des Frachtbriefs und eine vom Kapitän gezeichnete Karte. Ich kenne die genaue Lage des Schatzes.«

Tracybetrachtete den Professor mit forschendemBlick.»Aber Siebrauchen hunderttausend Dollar?«

Zuckermann schluckte verlegen.»Ja. Zur Hebung eines Schatzes, der fünfzig Millionen wert ist.«

«Es wäre möglich…«Tracy hielt inne.

«Was?«

«Haben Sie schon einmal daran gedacht, sich mit einem Partner zusammenzutun?«

Erblickte sie verblüfft an.»Mit einem Partner? Nein. Ich wollte das allein machen. Aber jetzt, wo ich mein ganzes Geld verloren habe…«Wieder versagte ihm die Stimme.

«Professor Zuckerman… angenommen, ich gebe Ihnen die hunderttausend Dollar?«

Er schüttelte den Kopf.»Nein, Baroneß. Vielen Dank, aber das kann ich nicht verantworten. Es wäre möglich, daß Sie Ihr Geld verlieren.«

«Ich dachte, Sie seien sicher, daß der Schatz noch da ist?«

«Das schon. Nur könnten hundert Dinge schiefgehen. Es gibt keine Garantien in diesem Fall.«

«So ist es nun mal im Leben. Ihr Problem interessiert mich sehr. Wenn ich Ihnen helfe, es zu lösen, wäre das eventuell für unsbeide recht lukrativ.«

«Nein, Baroneß. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn Sie durch irgendeinen dummen Zufall Ihr Geld verlören.«

«Ich kann es mir leisten«, versicherte Tracyberuhigend.»Und ichbekäme ja auch etwas für meine Investition, nicht wahr?«

«Gewiß, gewiß«, bestätigte Zuckerman. Er saß da und ließ es sich durch den Kopf gehen, allem Anschein nach von Zweifeln hin und her gerissen. Schließlich sagte er:»Wenn es also Ihr Wunsch ist… Nun, dann machen wir fifty‑fifty.«

Tracy lächelte zufrieden.»Einverstanden.«

Zuckerman fügte hastig hinzu:»Nach Abzug der Kosten, natürlich.«

«Das versteht sich von selbst. Wann können wir anfangen?«

«Sofort. «Der Professor schien mit einem Mal vor Vitalität aus allen Nähten zu platzen.»Ich habebereits einBergungsschiff gefunden. Es ist hochmodern ausgerüstet und hat vier MannBesatzung. Natürlich werden wir die Leute einbißchen am Gewinnbeteiligen müssen.«

«Auch das versteht sich von selbst.«

«Dann sollten wir so schnell wie möglich anfangen.«

«Ich kann Ihnen das Geld in fünf Tagen geben.«

«Wunderbar!«rief Zuckerman.»Dann habe ich genügend Zeit, um alle nötigen Vorbereitungen zu treffen. Was für ein Glück, daß wir unsbegegnet sind, finden Sie nicht?«