Er hatte Geschäftsfreunde, die normalerweise erwartet hätten, an dieser Sachebeteiligt zu werden. Aber wenn ich es ihnen nicht auf die Nasebinde, kann's ihnen ja egal sein, dachte Grangier. Er würde die große Presse für seine eigenen Zwecke erwerben und das, was er sich vom Konto des Spielcasinos gepumpt hatte, mit selbstgedrucktem Geld
zurückzahlen. Und dann würde erBruno Vicente sagen, er möge sich um die sogenannteBaroneß kümmern. Sie wollte ja keine Partner. Nun — Armand Grangier auch nicht.
Zwei Stunden später traf das Geld in einem großen Sack ein. Grangier sagte zu Tracy:»Sie ziehen aus dem Hotel aus. Ich habe ein Stück außerhalbder Stadt ein ziemlich abgelegenes Haus. Dableiben Sie, bis wir die Operation in Gang gebracht haben. «Er stellte das Telefon vor Tracy hin.»Und jetzt rufen Sie Ihren Freund in der Schweiz an und sagen ihm, daß Sie die große Presse kaufen.«
«Ich habe seine Nummer im Hotel. Ich rufe ihn von da aus an. Geben Sie mir die Adresse Ihres Hauses, und ich werde ihm mitteilen, daß er die Presse dorthin liefern soll, und…«
«Nein!«blaffte Grangier.»Ich will keine Spuren hinterlassen. Ich sorge dafür, daß die Presse am Flughafen abgeholt wird. Heute abend unterhalten wir uns über alles Weitere. Ich komme um acht zu Ihnen.«
Damit war das Gesprächbeendet. Tracy erhobsich.
Grangier deutete mit einer Kopfbewegung auf den Sack.»Passen Sie gut auf das Geld auf. Ich will nicht, daß dem was passiert — oder Ihnen.«
«Es wird nichts passieren«, versicherte Tracy.
Grangier grinste.»Ich weiß. Professor Zuckermanbringt Sie ins Hotel zurück.«
Diebeiden fuhren schweigend mit der Limousine dahin, den Geldsack zwischen sich, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend. Zuckerman war nicht ganz sicher, was hier geschah, aber er hatte das Gefühl, daß es für ihn sehr erfreulich enden würde. Die Frau war die Schlüsselfigur. Grangier hatte ihmbefohlen, ein wachsames Auge auf sie zu haben, und Zuckerman wollte in dieser Hinsicht nichts zu wünschen übriglassen.
Armand Grangier war an jenem Abend strahlendster Laune. Inzwischen würde die große Druckerpresse geordert sein. Die Whitney hatte gesagt, sie könne fünftausend Dollar in acht Stunden drucken, aber Grangier hatte einenbesseren Plan. Er würde die Maschine in Vierundzwanzigstundenschichten arbeiten lassen. Machte fünfzehntausend Dollar pro Tag, über hunderttausend pro Woche und alle zehn Wochen eine Million. Und das war erst der Anfang. Heute abend würde er aus der Whitney herauskitzeln, wer der Graveur war, und er würde ein Geschäft mit ihm tätigen: noch mehr Druckerpressen. Sie konnten ihm ein grenzenloses Vermögenbringen.
Um Punkt 20 Uhr hielt Grangiers Limousine vor dem Hotel du Palais. Grangier stieg aus. Als er in die Hotelhalle trat, stellte er mit Genugtuung fest, daß Zuckerman in der Nähe des Eingangs saß und alle Türenbeobachtete.
Grangierbegabsich zur Rezeption.»Jules, sagen Sie derBaroneß de Chantilly, daß ich dabin. Sie soll in die Halle kommen.«
Der Conciergeblickte auf und sagte:»DieBaroneß ist abgereist, Monsieur Grangier.«
«Da irren Sie sich. Rufen Sie sie nach unten.«
JulesBergerac war inBedrängnis. Es war gefährlich, Armand Grangier zu widersprechen.»Ich habe sie selbst abgefertigt.«
Unmöglich.»Wann?«
«Kurz nachdem sie ins Hotel zurückgekommen ist. Sie hat mich gebeten, die Rechnung auf ihre Suite zubringen, damit sie gleichbarbezahlen kann…«
Armand Grangiers Gedanken überstürzten sich.»Bar? In Francs?«
«Ja, Monsieur.«
Grangier fragte hektisch:»Hat… hat sie irgendwas aus ihrer Suite mitgenommen? Koffer oder Kisten?«
«Nein. Sie hat gesagt, sie würde ihr Gepäck später abholen lassen.«
Also hatte sie sich mit seinem Geld in die Schweiz abgesetzt, um die große Druckerpresse für sich zu kaufen.
«Führen Sie mich in ihre Suite. Schnell!«
«Ja, Monsieur Grangier.«
JulesBergerac hakte einen Schlüssel vom Schlüsselbrett und raste mit Grangier auf den Lift zu.
Als Grangier an Zuckerman vorbeikam, zischte er:»Was sitzt du hier so dämlich rum, du Kretin? Sie ist weg.«
Zuckermanblickte verständnislos zu ihm auf.»Sie kann nicht weg sein. Sie ist nicht in die Halle gekommen. Ich habe genau aufgepaßt.«
«Genau aufgepaßt«, echote Grangier.»Hast du auch auf eine Krankenschwester aufgepaßt oder auf eine grauhaarige alte Tante oder auf ein Zimmermädchen, das durch den Lieferanteneingang verduftet ist?«
Zuckerman war verwirrt.»Nein… warum sollte ich?«
«Geh ins Casino«, knurrte Grangier.»Ich rede später noch ein Wörtchen mit dir.«
Die Suite sah nicht sehr viel anders aus, als Grangier siebeim letzten Mal vorgefunden hatte. Die Tür zum Zimmer nebenan stand offen. Grangier trat ein, eilte zum Wandschrank und riß ihn auf. Gott sei Dank! Die Druckerpresse war noch da! Die Whitney hatte sich in solcher Hast aus dem Staubgemacht, daß sie die Maschine vergessen hatte. Einböser Schnitzer. Und das ist nicht der einzige, dachte Grangier. Diese Frau hatte ihn um fünfhunderttausend Dollarbetrogen, und er würde es ihr heimzahlen. Er würde die Polizei einschalten und die Whitney hinter Gitterbringen. Da kamen seine Leute ohne weiteres an sie heran. Sie würden den Namen des Graveurs aus ihr herausprügeln und sie dann für alle Zeiten zum Schweigenbringen.
Armand Grangier wählte die Nummer der Polizeidirektion
und ließ sich mit Inspektor Dumont verbinden. Er sprach drei Minuten mit ihm und sagte dann:»Ich warte hier.«
Eine Viertelstunde später traf sein Freund, der Inspektor, ein, begleitet von einem Mann mit Eunuchenfigur und einem der unattraktivsten Gesichter, die Grangier je erblickt hatte. Seine Stirn sah so aus, als würde sie ihm gleich aus dem Gesicht platzen, und seinebraunen Augen hinter den dickenBrillengläsern hatten etwas irrwitzig Fanatisches.
«Das ist Monsieur Daniel Cooper«, erklärte Inspektor Dumont.»Monsieur Grangier. Monsieur Cooper interessiert sich ebenfalls für die Frau, derentwegen Sie mich angerufen haben.«
Cooper ergriff das Wort.»Sie haben Inspektor Dumont mitgeteilt, die Frau sei an einer Falschgeldoperationbeteiligt.«
«Richtig. Im Moment ist sie auf dem Weg in die Schweiz. Sie können sie an der Grenze verhaften lassen. Was Sie anBeweisenbrauchen, habe ich hier.«
Grangier führte diebeiden Männer zum Wandschrank. Daniel Cooper und Inspektor Dumont warfen einenBlick hinein.
«Da steht die Presse, mit der sie das Geld gedruckt hat.«
Daniel Cooper inspizierte die Maschine.»Mit der soll sie Geld gedruckt haben?«
«Das habe ich Ihnen doch eben gesagt«, blaffte Grangier. Er zog einen Geldschein aus der Tasche.»Schauen Sie. Das ist eine von den gefälschten Hundertdollar‑Noten, die sie mir gegeben hat.«
Cooper ging zum Fenster und hielt den Schein gegen das Licht.»Der ist echt.«
«Ja, weil Sie gestohlene Druckplatten verwendet hat. Sie hat sie einem Graveur abgekauft, der früherbei der Münze in Philadelphiabeschäftigt war. Und mit dieser Presse hat sie dieBanknoten gedruckt.«
Cooper sagte rüde:»Das ist eine ganz gewöhnliche
Druckerpresse. Sie sind ein Trottel. Mit der können SieBriefköpfe drucken, sonst nichts.«
«Briefköpfe?«Der Raumbegann sich um Armand Grangier zu drehen.
«Haben Sie diesen Unsinn wirklich geglaubt, daß eine Maschine aus Papier echte Hundertdollar‑Noten machen kann?«
«Ich habe doch mit eigenen Augen gesehen…«Ein paar feuchte, zum Trocknen aufgehängte Hundertdollar‑Noten, einige Stapel unbedrucktes Papier und einen Papierschneider. Langsam dämmerte ihm die Ungeheuerlichkeit dieses Schwindels. Er gabweder eine Falschgeldoperation noch einen Graveur, der in der Schweiz wartete. Tracy Whitney war keineswegs auf das Märchen vom Schatzschiff hereingefallen. Das Luder hatte seine Lügengeschichte als Aufhängerbenutzt, um ihm fünfhunderttausend Dollar aus der Tasche zu ziehen. Wenn dasbekannt wurde…