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«Bitten Sie ihn herein«, sagte er zu seiner Sekretärin.

Henri Rendell war ein hochgewachsener, distinguiert aussehender Herr mit schütterem Haar. Als sie einander die Hand gaben, bemerkte Machada, daß seinemBesucher der rechte Zeigefinger fehlte.

Henri Rendell sagte:»Ich danke Ihnen. Ichbin zum ersten Mal in Madrid, und ich freue mich schon darauf, Ihre weltberühmte Sammlung zu sehen.«

Miguel Machada antwortetebescheiden:»Ich glaube, daß Sie nicht enttäuscht sein werden, Senor Rendell. Darf ich Sie nunbitten, mir zu folgen. Ich werde Sie persönlich führen.«

Sie gingen langsam durch die Rotunde, sie schritten durch die Säle mit den spanischen Meistern, und Henri Rendell studierte jedesBild. Dabei fachsimpelten diebeiden Männer, sprachen über stilistische Eigenarten der Künstler, ihre Auffassung von der Perspektive und ihren Farbsinn.

«Und nun«, verkündete Machada,»besichtigen wir Spaniens ganzen Stolz. «Er führte seinenBesucher die Treppe hinunter, zur Goya‑Sammlung.

«Wie herrlich!«rief Rendell überwältigt.»Bitte lassen Sie mich einen Moment nur dastehen und schauen.«

Miguel Machada wartete und freute sich über das ehrfürchtige Staunen des Schweizers.

«So etwas Großartiges habe ich noch nie gesehen«, erklärte Rendell. Er ging langsam durch den Raum undbetrachtete die Gemälde.»Der Hexensabbat«, murmelte Rendell.»Brillant!«

Sie liefen weiter.

«Goyas Selbstporträt — phantastisch!«

Miguel Machada strahlte.

Rendellbliebvor dem Puerto stehen.»Eine nette Fälschung. «Er wollte weitergehen.

Der Direktor packte ihnbeim Arm.»Wiebitte? Was haben Sie da gesagt, Senor?«

«Eine nette Fälschung.«

«Sie irren sich«, sagte Machada entrüstet.

«Das glaube ich kaum.«

«Sie irren sich mit Sicherheit«, entgegnete Machada steif.»Ich kann Ihnen garantieren, daß es echt ist. Die Provenienz diesesBildes ist mir genaubekannt.«

Henri Rendell trat näher an dasBild heran und musterte es mit scharfemBlick.»Dann ist die Provenienz ebenfalls gefälscht. DiesesBild stammt von Goyas Schüler Eugenio Lucas y Padilla. Sie wissen ja, daß Lucas Hunderte von ›Goyas‹ gemalt hat.«

«Natürlich weiß ich das«, sagte Machada unfreundlich.»Aber das hier ist keine von seinen Fälschungen.«

Rendell zuckte die Achseln.»Ichbeuge mich Ihrem Urteil. «Er wollte wieder weitergehen.

«Ich habe dieses Gemälde persönlich erworben. Wir haben einen Spektrograph‑Test durchgeführt, einen Pigment‑Test, und es war alles in Ordnung…«

«Daran zweifle ich nicht. Lucas hat ja zur selben Zeit gemalt wie Goya und das gleiche Material verwendet. «Henri Rendellbückte sich, um die Signatur am unterenBildrand genau zubetrachten.»Sie können sich ganz einfach von der Wahrheit oder Unwahrheit meiner Worte überzeugen — das heißt, wenn Sie wollen. Geben Sie dasBild einem Ihrer Restauratoren und lassen Sie die Signatur überprüfen. «Er lachte leise in sich hinein.»Lucas war so eitel, daß er seineBilder signiert hat, aber er sah sich aus ökonomischen Gründen gezwungen, über seinen Namen den von Goya zu pinseln, weil das den Preis enorm in die Höhe trieb. «Rendell warf einenBlick auf seine Uhr.»Und jetzt müssen Sie michbitte entschuldigen. Ich hatte keine Ahnung, daß es schon so spät ist. Ichbin anderweitig verabredet und kann es mir nicht erlauben, da nicht zu erscheinen. Vielen Dank, daß Sie mir Ihre Kunstschätze gezeigt haben.«

«Bitte. Keine Ursache«, sagte Machada kühl. Der Mann ist ein Ignorant, dachte er.

«Wenn ich Ihnen zu Diensten sein kann — Sie finden mich in der Villa Magna. Und nochmals vielen Dank, Senor. «Henri Rendell entfernte sich.

Miguel Machada sah ihm nach. Wie konnte sich dieser Idiot nur zu derBehauptung versteigen, daß der kostbare Goya eine Fälschung sei?

Er drehte sich um und schaute sich das Gemälde noch einmal an. Es war schön. Ein Meisterwerk. Erbeugte sich vor, um Goyas Signatur zu überprüfen. Einwandfrei. Aber trotzdem — konnte es vielleicht doch sein? Ein leiser Zweifelbliebund ließ sich nicht verscheuchen. Jedermann wußte, daß Eugenio

Lucas y Padilla Hunderte von» Goyas «gemalt und mit den Fälschungen des Meisters Karriere gemacht hatte. Machada hatte für den Puerto dreieinhalbMillionen Dollar gezahlt. Und wenn er tatsächlich hinters Licht geführt worden war… welche Schmach! Er durfte gar nicht daran denken.

Henri Rendell hatte immerhin eins gesagt, das Hand und Fuß hatte: Es gabeine einfache Methode zur Feststellung der Echtheit desBilds. Er würde die Signatur überprüfen lassen und dann mit Rendell telefonieren und ihm in aller Höflichkeit empfehlen, sich einen anderenBeruf zu suchen.

Der Direktor zitierte seinen Assistenten zu sich und ordnete an, daß der Puerto in die Restaurierwerkstatt des Prado gebracht wurde.

Ein Meisterwerk auf Echtheit zu untersuchen, ist eine heikle Sache, denn wenn es achtlos geschieht, kann Unbezahlbares und Unersetzliches zerstört werden. Die Restauratoren des Prado waren Experten. Sie hatten eine Lehre gemacht und viele Jahre in derBerufspraxis gestanden, bevor sie an die Meisterwerke heran durften — natürlich immer unter Aufsicht von erfahreneren Kollegen.

Juan Delgado, der Chefrestaurator des Prado, legte den Puerto auf ein Gestell aus Holz. Miguel Machada sah zu.

«Ich möchte, daß Sie die Signatur überprüfen«, sagte er.

Delgado ließ sich seine Verblüffung nicht anmerken.»Ja, Senor Direktor.«

Er träufelte Isopropylalkohol auf einen Wattebausch und legte ihn auf den Tisch neben dem Gemälde. Dann träufelte er auf einen zweiten Wattebausch Terpentinersatz zum Neutralisieren.

«Ichbin soweit, Senor.«

«Dann fangen Sie an. Aber vorsichtig, bitte!«

Machada mußte entdecken, daß ihm das Atmen plötzlich schwer fiel. Erbeobachtete, wie Delgado mit dem ersten

Wattebauschbehutsam das G der Signaturberührte. Anschließend neutralisierte er die Stelle sofort mit dem zweiten Wattebausch, damit der Alkohol nicht zu tief eindringen konnte. Diebeiden Männerbetrachteten die Leinwand. Das G war ein wenigblasser geworden.

Delgado runzelte die Stirn.»Tut mir leid, ich kann noch nichts Genaues sagen. Ich muß ein stärkeres Lösemittel nehmen.«

«Dann tun Sie das«, befahl der Direktor.

Delgado öffnete eine andere Flasche. Er träufelte Dimethylformamid auf einen neuen Wattebausch, betupfte damit noch einmal den erstenBuchstaben der Signatur und ging sofort wieder mit Terpentinersatz darüber. Die Chemikalien erfüllten den Raum mit einem stechenden Geruch. Miguel Machada starrte das Gemälde an und konnte es nicht fassen, was er sah. Das G war verschwunden, und an seiner Stelle war klar und deutlich ein L zu erkennen.

Delgado wandte sich mitbleichem Gesicht dem Direktor zu.»Soll… soll ich weitermachen?«

«Ja«, sagte Machada heiser.»Machen Sie weiter.«

Buchstabe fürBuchstabe verschwand Goyas Signatur, und darunter kam der Namenszug von Lucas zum Vorschein. Es traf Machada wie eine Reihe von Schlägen in die Magengrube. Er, Direktor einer derbedeutendsten Gemäldesammlungen der Welt, war getäuscht worden. Die Museumsbehörde würde es erfahren, der König würde es erfahren, die ganze Welt würde es erfahren. Er war geliefert.

Machada stolperte in seinBüro zurück und rief Henri Rendell an.

Diebeiden Männer saßen an Machadas Schreibtisch.»Sie hatten recht«, sagte Machadabedrückt.»Es ist ein Lucas. Wenn dasbekannt wird, lachen mich alle aus.«»Lucas hat schon viele Experten getäuscht«, tröstete ihn

Rendell.»Seine Fälschungen sind zufällig ein Hobby von mir.«

«Ich habe dreieinhalbMillionen Dollar für diesesBild gezahlt.«

Rendell hobbedauernd die Achseln.»Können Sie Ihr Geld nicht irgendwie zurückkriegen?«

Der Direktor schüttelte verzweifelt den Kopf.»Ich habe dasBild von einer Witwe gekauft, diebehauptet hat, esbefinde sich seit drei Generationen imBesitz der Familie ihres Mannes. Wenn ich sie verklagen würde, würde sich der Prozeß endlos hinziehen, und wir hätten eine äußerst schlechte Presse. Alles in diesem Museum würde dann mit einem Schlag suspekt.«