«Warum stauben Sie die Dinger dann nicht auf dem Weg zum Flughafen ab? Ihr Freund hier ist Fachmann für so was. «Tracy konnte es nicht verhindern, daß ihre Stimmebitter klang.
Sie ist einfach großartig, wenn sie wütend ist, dachte Jeff.
Günther sagte:»Weil die Diamanten zu gutbewacht sind. Wir stauben sie während des Flugs ab.«
Tracyblickte ihn verdutzt an.»Während des Flugs? In einem
Transportflugzeug?«
«Wirbrauchen jemand, der klein genug ist, um sich in einem der Container zu verstecken. Wenn die Maschine in der Luft ist, muß dieser Jemandbloß aus seinem Container schlüpfen, den von DeBeers öffnen, das Päckchen Diamanten an sich nehmen, ein Duplikat an dessen Stelle legen und wieder in seinen Container zurückkriechen.«
«Und ichbin klein genug für einen solchen Container.«
Günther sagte:»Es geht nicht nur darum, Tracy. Wirbrauchen jemand, der intelligent ist und gute Nerven hat.«
Tracy dachte nach.»Der Plan gefällt mir, Günther. Was mir nicht gefällt, ist, daß ich mit ihm zusammenarbeiten muß. Dieser Mann ist ein Ganove.«
Jeff grinste.»Sind wir das nicht alle, mein Herz? Güntherbietet uns eine Million Dollar, wenn wir das Ding drehen können.«
Tracy schaute Günther mit großen Augen an.»Eine Million Dollar?«
Günther nickte.»Eine halbe Million für jeden.«
«Es wird klappen«, erklärte Jeff,»weil ich einenBekannten in der Lagerhalle des Flughafens habe. Er hilft uns, die Geschichte über dieBühne zubringen. Man kann ihm voll und ganz vertrauen.«
«Im Gegensatz zu Ihnen«, erwiderte Tracy.»Auf Wiedersehen, Günther.«
Sie rauschte aus demBüro.
Günther sah ihr nach.»Sie ist Ihnen wirklichböse wegen Madrid, Jeff. Ich fürchte, sie spielt nicht mit.«
«Da sind Sie auf dem Holzweg«, sagte Jeff munter.»Ich kenne Tracy. Sie kann der Versuchungbestimmt nicht widerstehen.«
«Vor der Verladung ins Flugzeug werden die Container verplombt«, erläuterte Ramon Vauban, ein junger Franzose
mit altem Gesicht und dunklen, toten Augen. Er warbei der Air France für das Verladen der Fracht verantwortlich, und ohne ihn konnte der Plan nicht gelingen.
Vauban, Tracy, Jeff und Günther saßen an einem Tisch auf einem der Aussichtsboote, die Rundfahrten auf der Seine machen.
«Wenn die Container verplombt sind«, fragte Tracy,»wie komme ich dann rein?«
«Für das, was in letzter Minute angeliefert wird«, antwortete Vauban,»nehmen wir große Holzkisten. Sie sind an einer Seite offen und nur mit einer Segeltuchplane verhängt, die mit Stricken festgezurrt wird. Aus Sicherheitsgründen treffen wertvolle Frachtgüter wie Diamanten immer erst kurz vor dem Start ein, damit sie als letztes ein- und als erstes ausgeladen werden.«
Tracy sagte:»Und die Diamanten sind in so einer Kiste?«
«Richtig, Mademoiselle. Ich würde dafür sorgen, daß die Kiste mit Ihnen neben die Kiste mit den Diamanten gestellt wird. Dann müssen Sie nur noch die Stricke durchschneiden, wenn die Maschine in der Luft ist, die Kiste mit den Diamanten öffnen, die Kästchen austauschen, in Ihren Container zurückschlüpfen und ihn wieder dicht machen.«
Günther fügte hinzu:»Wenn die Maschine in Amsterdam gelandet ist, werden die Wachleute das falsche Kästchen abholen undbei den Diamantschleifern abliefern. Es wird einige Zeit dauern, bis der Schwindel auffliegt. Und dann sitzen Sie schon längst in einer anderen Maschine und sind außer Landes. Glauben Sie mir — es kann nichts schiefgehen.«
Bei diesen Worten lief Tracy ein Schauer über den Rücken.»Wie ist es«, fragte sie,»friere ich mich da oben nicht tot?«
Vauban lächelte.»Mademoiselle, heutzutage sind auch Transportflugzeuge geheizt. Sie haben oft Vieh und Haustiere anBord. Es ist ganz gemütlich. Einbißchen eng vielleicht, aber man kann es aushalten.«
Tracy hatte sich schließlich doch nochbreitschlagen lassen, sich den Plan wenigstens anzuhören. Eine halbe Million Dollar für ein paar Stunden Unbequemlichkeit. Sie hatte das Projekt unter allen Aspektenbetrachtet. Es kann klappen, dachte Tracy. Wennbloß Jeff Stevens nicht mit von der Partie wäre!
Ihre Gefühle für ihn waren so widersprüchlich, daß es sie verwirrte und erboste. Er hatte sie in Madrid einfach spaßeshalber reingelegt. Er hatte sie verraten undbetrogen, und jetzt kicherte er insgeheim über sie.
Die drei Männer schauten Tracy an und warteten auf ihre Antwort. DasBoot fuhr gerade unter dem Pont Neuf durch. Am Ufer der Seine umarmten sich zwei Verliebte, und Tracy sah den glückseligen Ausdruck im Gesicht der Frau. Die ist schön dumm, dachte Tracy. Und nun traf sie ihre Entscheidung.
Sieblickte Jeff starr in die Augen und sagte:»Okay. Ich mache mit. «Und sie spürte, wie sich die Spannung am Tisch löste.
«Wir haben nicht viel Zeit«, sagte Vauban. Er wandte sich Tracy zu.»MeinBruder arbeitetbei einer Spedition. Er wird Sie im Lagerhaus seiner Firma in einen Container schmuggeln. Hoffentlich leiden Sie nicht an Klaustrophobie, Mademoiselle.«
«Machen Sie sich nur keine Sorgen meinetwegen… Wie lang dauert die Reise?«
«Ein paar Minuten auf der Laderampe und eine Stunde Flug nach Amsterdam.«
«Wie groß ist der Container?«
«Groß genug, daß Sie sich hinsetzen können. Es werden noch ein paar andere Sachen mit drin sein, damit Sie gut versteckt sind — für alle Fälle.«
Es kann nichts passieren, hatte Günther versprochen. Aber für alle Fälle…
«Ich habe hier eine Liste der Dinge, die Siebrauchen«, sagte
Jeff.»Ist schon alles arrangiert.«
Der Mistkerl. Er war von Anfang an sicher gewesen, daß sie mitmachen würde.
DasBoot legte am Kai an.
«Wir können die letzten Einzelheiten noch morgen frühbesprechen«, sagte Ramon Vauban.»Ich muß jetzt wieder zur Arbeit. Au revoir. «Und damit ging er.
Jeff fragte:»Wollen wir gemeinsam zu Abend essen und einbißchen feiern?«
«Tut mir leid«, entschuldigte sich Günther,»ich habe schon eine Verabredung, die ich einhalten muß.«
Jeff wandte sich Tracy zu.»Würden Sie dann…«
«Nein. Ichbin zu müde«, antwortete sie rasch.
Es war eigentlich als Ausrede gedacht, aber dann merkte Tracy, noch während sie es sagte, daß sie tatsächlich müde war. Das lag wohl an der ständigen Anspannung der letzten Zeit. Ihr war schwindlig. Wenn ich das hinter mir habe, dachte sie, gehe ich wieder nach London und spanne eine Weile aus. In ihrem Kopfbegann es zu pochen. Ja, das werde ich tun. Das muß ich tun.
«Ich habe Ihnen ein kleines Geschenk mitgebracht«, sagte Jeff. Er gabTracy einebunt verpackte Schachtel. Drinnen lag ein wunderschönes Seidentuch. In eine der Ecken waren ihre Initialen eingestickt: TW.
«Danke. «Weiß Gott, er kann sich's leisten, dachte Tracy wütend. Für ein Seidentuch reicht meine halbe Million Dollar allemal.
«Sind Sie sicher, daß Sie es sich nicht noch anders überlegen mit dem Essen?«
«Ja. Absolut.«
Tracy logierte im Plaza Athenee in einer hübschen alten Suite mitBlick auf das Gartenrestaurant. Im Hotel selbstbefand sich ein zweites, hochelegantes Restaurant, aber
Tracy war an diesem Abend zu müde, um sich in Schale zu werfen. Sie ging ins Hotelcafe undbestellte eine Suppe. Sie aß ein paar Löffel. Dann schobsie den Teller weg und zog sich in ihre Suite zurück.
Daniel Cooper, der am anderen Ende des Raumes saß, notierte die Uhrzeit.
Daniel Cooper hatte Probleme. Nach Paris zurückgekehrt, hatte er um ein Gespräch mit Inspektor Trignant ersucht. Der Mann von Interpol war nicht gerade die Freundlichkeit in Person gewesen. Er hatte eben eine Stunde lang am Telefon gehangen und sich Polizeichef Ramiros Klagen über den Amerikaner angehört.