Zunächst mußte er versuchen, Tracys Fieber zu senken. Er legte sie auf das große Doppelbett und kleidete sie aus. Sie fühlte sich heiß an. Jeff ließ kaltes Wasser über ein Handtuch laufen und wusch Tracybehutsam von Kopfbis Fuß. Er deckte sie zu, setzte sich ansBett und lauschte ihren schweren Atemzügen.
Wenn es ihr morgen nichtbesser geht, dachte Jeff, muß ich
einen Arzt rufen.
Am Morgen war dieBettwäsche schweißnaß. Tracy hatte dasBewußtsein immer noch nicht wiedererlangt, doch es schien Jeff, daß sie nun ein wenig freier atmete. Er wollte nicht, daß das Zimmermädchen Tracy sah — es hätte nur zu neugierigen Erkundigungen geführt. Stattdessenbat er die Wirtin um frischeBettwäsche undbrachte sie selbst ins Zimmer. Er wusch Tracy wieder mit einem feuchten Handtuch, wechselte dieBettwäsche, ohne die Patientin zu stören, wie er esbei Schwestern im Krankenhausbeobachtet hatte, und deckte Tracy gut zu.
Dann hängte er ein Schild mit der AufschriftBITTE NICHT STÖREN an die Tür und machte sich auf die Suche nach einer Apotheke. Er kaufte Aspirin, ein Thermometer, einen Schwamm und Franzbranntwein. Als er zurückkehrte, war Tracy immer noch nicht wach. Er maß ihre Temperatur: 40 Grad. Er riebsie mit dem kühlenden Alkohol ab, und ihr Fieber sank.
Eine Stunde später war es wieder gestiegen. Er würde doch einen Arzt rufen müssen. Das Problem war nur, daß der Arzt daraufbestehen würde, Tracy ins Krankenhaus einzuweisen, was unweigerlich Fragen zur Folge hatte. Jeff hatte keine Ahnung, obdie Polizei nach ihnen fahndete. Doch wenn sie es tat, würden siebeide verhaftet werden. Er mußte etwas machen. Er zerdrückte vier Aspirin, schobsie Tracy zwischen die Lippen und flößte ihr mit einem Löffel Wasser ein, bis sie endlich schluckte. Dann wusch er sie wieder von Kopfbis Fuß. Als er sie abgetrocknet hatte, schien ihm, daß ihre Haut nicht mehr ganz so heiß war. Er fühlte ihr den Puls. Offenbar regelmäßiger. Er legte den Kopf an ihreBrust und horchte. Atmete sie jetzt leichter? Er wußte es nicht genau. Er wußte nur eins, und das wiederholte er wie eine Litanei:»Es geht dirbald wieder gut. «Er küßte sie sacht auf die Stirn.
Jeff hatte achtundvierzig Stunden kein Auge zugetan. Er war total erledigt. Ich schlafe später, sagte er sich. Ich mache jetzt nur einen Moment die Augen zu, um mich einbißchen zu entspannen.
Er sank sofort in tiefen Schlaf.
Als Tracy erwachte, hatte sie keine Ahnung, wo sie war. Sie fühlte sich wie gerädert. Alles tat ihr weh, und ihr war, als sei sie von einer langen, erschöpfenden Reise zurückgekehrt. Schlaftrunken schaute sie sich in dem fremden Zimmer um — und das Herzbliebihr fast stehen. In einem Lehnstuhl am Fenster saß Jeff und schlief. Es war unmöglich. Als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er sich die Diamanten geschnappt und war verschwunden. Was machte er hier? Und plötzlich sank Tracy der Mut, und sie wußte es: Sie hatte ihm das falsche Kästchen gegeben, und Jeff hatte geglaubt, sie habe ihnbetrogen. Er mußte sie aus dem sicheren Haus weggeschafft und in dieses Zimmer gebracht haben.
Tracy setzte sich auf. Auch Jeff rührte sich und öffnete die Augen. Und als er sah, daß sie ihn anblickte, erhellte ein glückliches Lächeln sein Gesicht.
«Willkommen, Tracy. «Es klang so erleichtert, daß Tracy ganz verwirrt war.
«Tut mir leid«, sagte sie. Ihre Stimme war ein heiseres Flüstern.»Ich habe Ihnen das falsche Kästchen gegeben.«
«Wiebitte?«
«Ich habe die Kästchen verwechselt.«
Er kam zu ihr und sagte freundlich:»Nein, Tracy. Sie haben mir das richtige Kästchen gegeben. Die Diamanten sind schon auf dem Weg zu Günther.«
Sie schaute ihn verdutzt an.»Aber — warum… warum sind Sie dann hier?«
Jeff setzte sich auf dieBettkante.»Als Sie mir die Diamanten gegeben haben, sahen Sie aus wie der Tod auf Raten. Ich
habe es für das Schlaueste gehalten, zum Flughafen zu fahren und auf Sie zu warten. Ich wollte mich vergewissern, daß Sie Ihre Maschine auch wirklich erwischen. Aber Sie sind nicht aufgetaucht, und da wußte ich, daß Sie Probleme haben. Ichbin zu dem sicheren Haus gefahren und habe Sie gefunden. Ich konnte sie dort nicht einfach sterben lassen«, sagte er leichthin.»Dann hätte die Polizei ja vielleicht Lunte gerochen.«
Tracybetrachtete ihn verwundert.»Jetzt verraten Sie mirbitte den wahren Grund dafür, daß Sie zurückgekommen sind.«
«Zeit zum Fiebermessen«, sagte Jeff munter.
«Nicht übel«, meinte er ein paar Minuten später.»Ihre Temperatur ist jetzt nur noch einbißchen erhöht. Sie sind eine musterhafte Patientin.«
«Jeff…«
«Vertrauen Sie mir«, sagte er.»Haben Sie Hunger?«
Hunger war gar kein Ausdruck. Tracy hätte einen ganzen Wochenmarkt kahlfressen können.»Ja, und wie«, antwortete sie.
«Gut. Dann hole ich was zu essen.«
Jeff kehrte mit einer Einkaufstüte voll Orangensaft, Milch, Obst undBroodjes zurück — Brötchen mit Käse, Fleisch und Fisch.
«Das ist die niederländische Variante der Hühnerbrühe. Die Wirkung dürfte die gleiche sein. Und jetzt essen Sie. Aber schön langsam.«
Er half ihrbeim Aufsetzen und fütterte sie wie ein Kind. Er war zart undbehutsam, und Tracy dachte argwöhnisch: Sauber ist das nicht. Der hat's auf irgendwas abgesehen.
Während Tracy aß, sagte Jeff:»Ich habe unterwegs mit Günther telefoniert. Er hat die Diamantenbekommen und Ihren Anteil am Geld auf Ihr Schweizer Konto eingezahlt.«
«Warum haben Sie sich nicht alles unter den Nagel
gerissen?«Es war eine häßliche Frage, aber Tracy konnte leider nicht anders.
Jeff antwortete ernst:»Weil wir mit diesen albernen Spielchen aufhören sollten, Tracy. Okay?«
Das war natürlich nur wieder einer von seinen Tricks, aber sie war zu müde, um sich Gedanken darüber zu machen.»Okay.«
«Wenn Sie mir Ihre Größe sagen«, fuhr Jeff fort,»gehe ich los und kaufe ein paar Kleider für Sie. Die Niederländer sind sehr liberal, aber ich glaube, wenn Sie so rumlaufen würden, wären sie doch etwas pikiert.«
Tracy zog dieBettdecke enger um sich, weil ihr plötzlichbewußt wurde, daß sie nackt war. Jeff mußte sie ausgezogen und gepflegt haben. Er hatte auf seine eigene Sicherheit gepfiffen. Warum? Sie hatte geglaubt, sie verstünde ihn. Aber ich verstehe ihn nicht im geringsten, dachte Tracy. Überhaupt nicht.
Sie schlief wieder ein.
Am Nachmittag schleppte Jeff zwei volle Koffer an: Morgenmäntel und Nachthemden, Unterwäsche, Kleider und Schuhe, Kosmetikartikel, Kamm und Haarbürste und Fön, Zahnbürste und Zahnpasta. Er hatte auch einige Sachen für sich gekauft und die International Herald Tribüne mitgebracht. Auf der Titelseite stand einBericht über den Diamantenraub. Die Polizei hatte herausgefunden, wie er verübt worden war, aber laut Auskunft der Zeitung hatten die Diebe keine Spuren hinterlassen.
«Alles klar!«sagte Jeff vergnügt.»Jetzt müssen wir Sie nur noch hochpäppeln, und dann können wir uns seelenruhig aus dem Staubmachen.«
Die Anregung, der Presse solle die Information vorenthalten werden, daß man ein Seidentuch mit den Initialen TW gefunden hatte, stammte von Daniel Cooper.»Wir wissen,
wem es gehört«, hatte er zu Inspektor Trignant gesagt,»aber für eine Anklage reicht das nicht aus. Ihre Anwälte würden scharenweise Frauen mit denselben Initialen aufbieten, und Sie hätten sich unsterblichblamiert.«
Nach Coopers Meinung hatte sich die Polizeibereits unsterblichblamiert. Aber dasbehielt er für sich. Gott wird sie mir überantworten.
Er saß im Dunkel einer kleinen Kirche auf einer hartenBank undbetete: O Herr, schenke sie mir. Gib, daß ich sie strafen und mich von meinen Sünden reinwaschen kann. DasBöse soll aus ihrer Seele ausgetrieben werden, und ihr nackter Leibsoll gegeißelt werden… Und er dachte daran, daß Tracys nackter Leibin seiner Macht war, undbekam eine Erektion. In Angst und Schrecken eilte er aus der Kirche, damit Gott es nicht sah und ihn mit weiteren Strafen schlug.