Выбрать главу

Was das für Steine waren? Ja sah ich die erst heute? Sie warfen trockne Scheite auf das Feuer, daß ich Licht bekam. Figuren? Ja. Vor undenklichen Zeiten aus dem Stein gehauen. Frauen, wenn ich recht sah. Ja. Eine Göttin in der Mitte, andre, die ihr opfern. Ich erkannte sie jetzt. Blumen lagen vor dem Stein, Wein, Gerstenähren. Killa sagte ehrfürchtig: Kybele. Ich sah Arisbe lächeln.

Abends saß sie bei mir, als die ändern schliefen. Wir sprachen rückhaltlos, freundlich und sachlich. Killa, sagte Arisbe, brauche es, den Stein mit einem Namen zu belegen. Die meisten brauchten es. Artemis, Kybele, Athene, wie auch immer.

Nun, sollten sie es halten, wie sie wollten. Allmählich würden sie vielleicht die Namen, ohne es selbst zu merken, als Gleichnis nehmen. - Du meinst, die Steine stehn für etwas anderes. - Natürlich. Flehst du zum Apoll aus Holz? - Lange schon nicht mehr. Aber wofür stehn die Bilder? - Das fragt sich. Für das, was wir in uns nicht zu erkennen wagen, so scheint es mir. Was ich darüber denke, berede ich mit den wenigsten. Wozu die anderen verletzen. Oder stören. Zeit, wenn wir die hätten.

Auf einmal merkte ich, daß mir mein Herz sehr weh tat. Ich würde wieder aufstehn, morgen schon, mit wiederbelebtem Herzen, das der Schmerz erreichte.

Du meinst, Arisbe, der Mensch kann sich selbst nicht sehen. - So ist es. Er erträgt es nicht. Er braucht das fremde Abbild. - Und darin wird sich nie was ändern? Immer nur die Wiederkehr des Gleichen? Selbstfremdheit, Götzenbilder, Haß? - Ich weiß es nicht. Soviel weiß ich: Es gibt Zeitenlöcher. Dies ist so eines, hier und jetzt. Wir dürfen es nicht ungenutzt vergehen lassen.

Da, endlich, hatte ich mein »Wir«.

Nachts träumte ich, nach so vielen traumlos wüsten Nächten. Farben sah ich. Rot und Schwarz, Leben und Tod. Sie durchdrangen einander, kämpften nicht miteinander, wie ich es, sogar im Traum, erwartet hätte. Andauernd ihre Gestalt verändernd, ergaben sie andauernd neue Muster, die unglaublich schön sein konnten. Sie warn wie Wasser, wie ein Meer. In seiner Mitte sah ich eine helle Insel, der ich, im Traum - ich flog ja; ja, ich flog! - schnell näherkam. Was war dort. Was für ein Wesen. Ein Mensch? Ein Tier? Es leuchtete, wie nur Aineias in den Nächten leuchtet. Welche Freude. Dann Absturz, Windzug, Dunkelheit, Erwachen. Hekabe die Mutter. Mutter, sagte ich. Ich träume wieder. - Steh auf. Komm mit. Du wirst gebraucht. Sie hören nicht auf mich.

Also konnte ich nicht bleiben? Hier, wo mir wohl war. War ich denn gesund! Killa hängte sich an mich, bettelte: Bleib doch! Ich sah Arisbe an, Anchises. Ja, ich mußte gehn.

Hekabe führte mich geraden Weges in den Rat. Nein. Falsch. In jenen Saal, in dem früher Rat gehalten wurde. Wo jetzt, von König Priamos geleitet, Verschwörer beieinanderhockten. Sie wiesen uns zurück. Hekabe erklärte, alle Folgen, die daraus entstünden, daß man uns jetzt nicht einließ, hätten sie selbst zu tragen. Allen voran der König. Der Bote kam zurück: Wir sollten kommen. Aber nur kurz. Man habe keine Zeit. Immer, solange ich denken kann, war im Rat für wichtige Fragen keine Zeit.

Zuerst konnte ich nicht hören, weil ich den Vater sah. Ein verfallner Mann. Kannte er mich? Dämmerte er dahin?

Es ging also um Polyxena. Nein, um Troia. Nein, um Achill das Vieh. Es ging darum, daß Polyxena den Achill in unsern Tempel locken sollte. In den Tempel des thymbraischen Apoll. Unter dem Vorwand, sich ihm zu vermählen. In meinem Kopfe jagten sich Vermutungen. Vermählen? Aber - Keine Sorge. Nur zum Schein. In Wirklichkeit -

Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. In Wirklichkeit würde unser Bruder Paris hinter dem Götterbild, wo er verborgen war, hervorbrechen (hervorbrechen! So sprach Paris selbst!), und er würde Achill da treffen, wo er verletzlich war: an der Ferse. Wieso gerade dort. - Er hatte seinen wunden Punkt der Schwester Polyxena anvertraut. — Und Polyxena? - Spielte mit. Natürlich. Die? sagte Paris frech. Die freut sich drauf.

Das bedeutet, ihr verwendet Polyxena als Lockvogel für Achill.

Breites Grinsen: Du hasts erfaßt. So ist es. Ohne Schuhe, das ist die Bedingung, die sie ihm genannt, wird Achilles in den Tempel kommen.

Rundum Gelächter.

Allein?

Was denkst du denn. Allein. Und wird den Tempel lebend nicht verlassen.

Und Polyxena? Wird ihn dort allein erwarten?

Wenn du von Paris absiehst, sagte Eumelos. Und von uns natürlich. Aber wir stehn draußen.

Und Achill wird also Polyxena dort umarmen.

Zum Schein. Wenn er genügend abgelenkt ist – Lachen -, trifft ihn Paris' Pfeil.

Gelächter.

Und Polyxena ist damit einverstanden.

Einverstanden? Sie ist gierig drauf. Eine wahre Troerin.

Aber warum ist sie nicht hier.

Hier geht es um Einzelheiten. Die sie nichts angehn. Um die kühle Planung. Die sie als Frau nur durcheinanderbrächte.

Ich schloß die Augen, und ich sah die Szene. Mit allen Einzelheiten. Hörte Polyxenas Lachen. Sah den Mord im Tempel - Achill als Leiche, ach! wer lechzte nicht nach diesem Anblick! -, der an Polyxena hängenbliebe.

Ihr benutzt sie.

Wen denn?

Polyxena.

Aber bist du nicht imstande zu begreifen! Um sie geht es nicht. Es geht uns um Achill.

Das ist es, was ich sage.

Da sprach der Vater, der bis jetzt geschwiegen hatte: Schweig, Kassandra. -

Zornig, böse. - Ich sagte: Vater -

Komm mir nicht mehr mit »Vater«. Viel zu lange ließ ich dich gewähren. Gut, dachte ich, sie ist empfindlich. Gut, sie sieht die Welt nicht, wie sie ist. Sie schwebt ein bißchen in den Wolken. Nimmt sich wichtig, das tun Frauen gern. Ist verwöhnt, kann sich nicht fügen. Überspannt. Bildet sich was ein. Worauf denn, Tochter. Kannst du mir das sagen? Immer die Nase hoch? Und mit dem Mundwerk vorneweg? Und die verachten, die für Troia kämpfen? Ja kennst du unsre Lage überhaupt. Und wenn du diesem unsern Plan, Achill, den schlimmsten Feind, zu töten, jetzt nicht zustimmst

- weißt du, wie ich das nenne? Feindbegünstigung.

So eine Stille um mich, in mir. Wie jetzt. Wie hier.

Der Vater sagte noch, sofort solle ich den Plänen, die zur Verhandlung stünden, nicht nur zustimmen; ich solle mich verpflichten, über sie zu schweigen und, wenn sie ausgeführt, sie gegen jedermann ausdrücklich zu verteidigen.

Dies also war, doch unverhofft, der Augenblick, den ich gefürchtet hatte.

Unvorbereitet war ich nicht, warum war es so schwer. Hastig, unheimlich schnell erwog ich, daß sie im Recht sein könnten. Was heißt im Recht. Daß das Recht -

Polyxenas Recht, mein Recht - gar nicht zur Sprache stand, weil eine Pflicht, die, unsern schlimmsten Feind zu töten, das Recht verschlang. Und Polyxena? Sie ging zugrund, daran war nicht zu zweifeln. Sie war schon aufgegeben.

Nun, Kassandra. Nicht wahr, du bist vernünftig.

Ich sagte: Nein.

Du stimmst nicht zu?

Nein.

Aber du wirst schweigen.

Nein, sagte ich. Angstvoll umfaßte Hekabe die Mutter meinen Arm. Sie wußte, was jetzt kam, ich auch. Der König sagte: Nehmt sie fest.

Die Hände wieder, die mich packten, nicht zu hart, nur soviel, um mich abzuführen. Männerhände eben. Keine Erlösung durch Ohnmacht oder durch Gesichte. Im Weggehn drehte ich mich um, mein Blick traf Bruder Paris. Er wollte nicht schuld sein, aber was sollte er denn machen. Hatten sie ihn nicht wegen seines Fehlers mit Helena für immer in der Hand? Schwach, Bruder, schwach. Ein Schwächling. Übereinstimmungssüchtig. Sieh dich bloß im Spiegel an. - Mit diesem letzten Blick durchschaute ich ihn ganz, und er sich auch, doch das ertrug er nicht.