Gut, ich als bekennender Fast-Dackel verstehe es nach wie vor nicht so ganz, aber Carolin sieht so aus, als wüsste sie genau, wovon Nina spricht. Herr Beck hingegen scheint sich Mühe zu geben, seine Ohren hängen zu lassen – was ihm als Kater natürlich nicht gelingen kann.
»Irgendwann werden mich die Menschen noch in den Wahnsinn treiben. Zu kompliziert, sie sind einfach zu kompliziert. Kein Wunder, dass ich gestern Abend eingeschlafen bin, bevor diese Sabine aufgekreuzt ist. Das war der reine Selbstschutz. Das hält doch kein Tier auf Dauer aus. Nur gut, dass Nina Single und kinderlos ist. Ich hoffe, das bleibt auf absehbare Zeit so. Ich meine, Luisa ist wirklich ganz zauberhaft – aber dieser ganze Stress? Nä!« Er verdrückt sich wieder unter den Tisch.
»Jetzt verstehe ich auch, warum Marc in letzter Zeit so merkwürdig reagiert hat, wenn ich ihn auf Luisa angesprochen habe. Wahrscheinlich hatte er da schon Ärger mit Sabine. «
»Sabine sagte jedenfalls, dass sie schon versucht hätte, mit Marc darüber zu sprechen«, bestätigt Nina.
»Männer!«, seufzt Carolin. »Im Probleme aussitzen sind sie ganz große Klasse. Sabine einfach nicht von dem Umzug zu erzählen – auf so eine Idee muss man doch erst mal kommen.«
Hm. Ich finde, die Idee liegt ziemlich nahe. Es hätte ja auch gut gehen können, und dann wären es mit Sicherheit mindestens drei Problemgespräche weniger gewesen. Aber ich bin ja auch ein Mann. Kein Wunder, dass ich so denke.
ZWÖLF
Cherie sieht schon wieder deutlich munterer aus. Die Wunde über ihrem rechten Auge ist zwar noch ziemlich geschwollen, aber das macht nichts. Eine schöne Frau entstellt bekanntlich nichts.
Anscheinend hat sie sich mit Luisa angefreundet, während ich mit Carolin in der Werkstatt war. Jedenfalls sitzen die beiden ganz einträchtig nebeneinander in der Küche, als ich mit Carolin wieder nach Hause komme.
Marc steht am Herd und kocht irgendetwas, das definitiv nicht so riecht wie das leckere Geschnetzelte nach dem Rezept von Oma Burgel. Eher wie etwas, das gänzlich ohne Fleisch zustande gekommen ist. Igitt!
Carolin stellt sich neben ihn und gibt ihm einen Kuss auf die Wange, er dreht sich zu ihr und erwidert den Kuss.
»Hallo, Schatz! Ich dachte, ich koche etwas Leckeres für uns. Spaghetti Puttanesca – wie in unserem Urlaub an der Amalfi-Küste, weißt du noch?«
Ob Carolin das noch weiß, weiß wiederum ich nicht. Ich allerdings weiß es noch genau – denn ich durfte nicht mitkommen und habe vier lange Tage bei Nina gefristet, die bei Dauerregen einfach nicht mit mir spazieren gehen wollte. Immer nur kurz an den Baum vor ihrer damaligen Haustür. Richtig ätzend war das. Also hört mir auf mit der Amalfi-Küste! Carolin lächelt hingegen versonnen und küsst Marc schon wieder.
»Ja, Amalfi. Wie könnte ich das vergessen?«
»Bist noch böse auf mich?«
»Nein. Böse bin ich nicht mehr. Aber ein paar Fragen habe ich schon.«
»So?«
»Ja. Aber lass uns später drüber reden.«
Cherie kommt zu mir gelaufen. »Hoppla! Ärger im Paradies?«, will sie wissen.
»Da fragst du jetzt den Falschen. Ich habe echt keine Ahnung, worüber die beiden sich streiten. Hat aber irgendwas mit seiner Exfrau zu tun.«
Cherie schüttelt bedauernd den Kopf. »Ja, ja, Exfrau, Exmann – ein schwieriges Thema. Ist bei meinem Frauchen auch so. Er hat sie mit einem Haufen Schulden sitzen lassen, und sie ist jetzt die Dumme.«
»Was sind denn Schulden?«
»So genau weiß ich das auch nicht, aber es hat mit Geld zu tun, und es verursacht eine Menge Probleme. Mein Frauchen ist deswegen jedenfalls immer ziemlich traurig. Irgendwie bedeutet es, dass man weniger als gar kein Geld hat und nicht mehr so leben kann, wie man eigentlich möchte.«
»Ach so, verstehe.« Das klingt klüger, als es eigentlich ist. Denn ehrlicherweise verstehe ich nicht so recht, was Cherie meint. Ich dachte immer, Menschen leben auf alle Fälle so, wie sie möchten. Sie können es sich selbst aussuchen. Über sie bestimmt doch niemand. Bei uns Haustieren hat letztendlich immer der Mensch das letzte Wort. Wie kann es da sein, dass ein Mensch nicht so lebt, wie er möchte? Wer hat denn dann das letzte Wort? Rätselhaft, das.
»Wie geht es denn unserer Patientin?«, will Carolin von Marc wissen.
»Ich glaube, sie hat alles gut überstanden. Wenn wir in einer Klinik wären, müsste sie in der Überwachungsbox bleiben, und irgendein armer Studierender der Veterinärmedizin würde jede Stunde nach ihr gucken. Aber nachdem ich ja nur eine poplige Kleintierpraxis betreibe – wie meine Exfrau so zutreffend feststellte –, wird Cherie einfach die Nacht mit uns verbringen.«
»Herkules wird es dir danken. Ich habe den Eindruck, dass die beiden gewissermaßen zarte Bande geknüpft haben.«
Marc lacht. »Tja, ein echtes Traumpaar. Schade, dass sie ungefähr doppelt so groß ist wie er.«
Täusche ich mich, oder klingt das abwertend? Warum wird hier eigentlich immer alles an der körperlichen Größe festgemacht? Hat er etwa Cherie beruhigt, als es ihr so schlecht ging? Eben! Ich kann es nur wiederholen: Jemand, der so unsensibel ist, sollte nicht Tierarzt sein. Sondern lieber ein Arzt für Menschen. Die können bestimmt besser damit umgehen.
Anscheinend habe ich geknurrt, denn Cherie stupst mich an. »Hey, alles in Ordnung? Du wirkst auf einmal so übellaunig.«
»Ach nein, es ist nichts.« Hoffentlich hat Cherie Marcs Bemerkung nicht gehört. Das wäre mir irgendwie unangenehm.
»So, Essen ist fertig. Bitte Platz zu nehmen!«
Marc stellt eine große Schüssel mit dampfendem Inhalt auf den Esstisch. Carolin und Luisa setzen sich dazu. Marc füllt den beiden ihre Teller auf.
»Iieh, Papa – was ist denn das für grünes Zeugs an den Nudeln?« Soweit ich das von hier unten beurteilen kann, stochert Luisa wohl wenig begeistert mit ihrem Besteck in den Nudeln herum.
»Das Grüne sind Kapern. Probier doch mal, sehr lecker!«
»Nein, das mag ich nicht. Gibt’s nicht was Vernünftiges?«
»Hey, wie redest du denn über das Essen, das dein Vater dir liebevoll zubereitet hat?« Marc klingt enttäuscht. Aber kann man es Luisa verdenken? Er ist doch selbst schuld, wenn er seiner Familie hier so ungenießbare Dinge vorsetzt. Und apropos: seiner Familie. Was ist eigentlich mit Cherie und mir? Kriegen wir gar nichts? Oder sollen wir etwa auch diese Kapern fressen? Also, über die Versorgungslage im Hause Wagner müssen wir uns nochmal ernsthaft unterhalten. Wenn ich da an Herrn Beck denke, der nun jeden Tag von Nina bekocht wird, bekomme ich glatt noch schlechtere Laune.
»Hast du denn keine Hackfleischsauce, Papa? Mama macht zu Spaghetti immer Hackfleischsauce. Die schmeckt viel, viel besser. Also das hier ess ich nicht. Das ist eklig.«
Luisa schiebt den Teller von sich weg. Marc springt von seinem Platz auf und schiebt den Teller wieder zu ihr hin.
»Verdammt noch mal, Luisa! Du probierst das wenigstens. Ich stell mich doch nicht eine Stunde in die Küche, damit du mir von der tollen Hackfleischsauce deiner Mutter erzählst.« Marc brüllt jetzt richtig, Luisa fängt an zu weinen.
»Marc, nun hör doch auf, das Kind anzuschreien. Du kannst doch niemanden durch Rumgebrüll dazu zwingen, etwas zu essen, was er nicht mag«, schaltet sich Carolin in den Streit ein.
»So, kann ich nicht? Wisst ihr was? Mir ist der Appetit jetzt auch vergangen.« Er dreht sich um und geht aus der Küche. Carolin und Luisa bleiben schweigend zurück.