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Cherie schaut mich erstaunt an.

»Auweia! Geht es hier immer so zur Sache? Da lob ich mir doch das Alleinleben – bei uns zu Hause ist es sehr friedlich.«

»Tja, in dieser Konstellation probieren wir es auch noch nicht so lange. Und ich muss sagen: Ich hatte es mir einfacher vorgestellt.«

Carolin steht auf und geht zu Luisas Platz.

»Komm, sei nicht traurig. Dein Vater hatte heute einfach einen sehr anstrengenden Tag. Ich glaube, ihm sind deswegen ein wenig die Nerven durchgegangen. Wenn du möchtest, schmiere ich dir ein Brot.«

Luisa schüttelt den Kopf.

»Nein, danke. Ich versuche jetzt mal die Spaghetti mit dieser komischen Sauce zu essen. Vielleicht geht es Papi dann wieder besser.«

Carolin streicht ihr über den Kopf.

»Na gut, dann lass uns mal aufessen, und dann spielen wir noch etwas zusammen, okay? Bestimmt macht Marc mit, wenn er sich wieder beruhigt hat.«

»Kannst du ihn das fragen?«, will Luisa wissen.

»Natürlich. Das mach ich.«

Tatsächlich hat sich etwas später die Lage wieder beruhigt: Marc, Luisa und Carolin hocken vor dem kleinen Sofatisch und spielen etwas, das sich Mensch-Ärgere-Dich-Nicht nennt. Es scheint einigermaßen lustig zu sein, jedenfalls lachen die drei viel, was nach dem Streit beim Abendessen ziemlich wohltuend ist.

Entspannt bin ich trotzdem nicht: Cherie und ich liegen nebeneinander auf dem Teppich, was bei mir in regelmäßigen Abständen für Herzrasen sorgt. Bei Cherie ist leider das Gegenteil der Fall, sie ist mittlerweile eingeschlafen. Ich tröste mich damit, dass sie nach diesem langen Tag wahrscheinlich zu erschöpft ist, um in meiner Nähe noch solche Symptome wie Herzrasen zu entwickeln.

Als Luisa im Bett ist, holt Marc eine Flasche und zwei Gläser aus der Küche ins Wohnzimmer. Er schenkt ein, dann reicht er Carolin ein Glas.

»So, bitte schön. Wollen wir mal darüber sprechen, was heute eigentlich passiert ist? Mir wäre allerdings sehr an einem friedlichen Ende des Abends gelegen. Kriegen wir das hin?«

Carolin nickt. »Ich glaube schon. Das muss doch möglich sein – unter erwachsenen Menschen.« Beide lachen. Nach meiner Erfahrung schon mal ein gutes Zeichen.

»Es tut mir leid, dass ich eben so ausgerastet bin. Ich habe mich dafür auch bei Luisa entschuldigt – die allerdings zugibt, dass meine Sauce doch nicht so schlecht war.« Er grinst. »Mann, als sie das mit Sabines Hackfleischsauce sagte, sind bei mir echt die Sicherungen durchgebrannt. War aber auch ein amtlicher Scheißtag heute. Erst taucht die Warnke nicht auf, dafür aber Sabine, dann haust du ab, unser Streit vor der Werkstatt, später das verunglückte Abendessen … na ja.«

»Dass ich dich vor der Werkstatt so angemacht habe, tut mir auch leid. Immerhin steht deine Rose jetzt in einem Glas auf meiner Werkbank.«

Marc rückt näher an Caro heran und küsst sie auf die Wange. »Ich dachte, die hättest du gleich in die Biotonne geschmissen – so böse, wie du mich angestarrt hast.«

»Nein, du hattest einen prominenten Fürsprecher: Herkules hat sie vom Boden aufgeklaubt und mir hinterhergetragen. «

»Danke, Kumpel!«, lobt mich Marc. »Aber ich glaube, Herkules hat momentan auch ein Herz für an der Liebe leidende Männer. Guck mal, wie unser Kleiner an dieser Cherie dranhängt, obwohl er da gar keine Chance hat. Putzig.«

Ha, ha, sehr witzig! Sieh du lieber mal zu, dass du dein eigenes Privatleben auf die Reihe kriegst, mein Lieber. Damit hast du momentan wohl genug zu tun.

»Eine Sache ist mir aber extrem wichtig: Wenn es Ärger mit Sabine gibt, der auch mich betrifft, dann möchte ich, dass du mir davon erzählst.«

Marc nickt.

»Klar, das verstehe ich. Aber ich wusste wirklich nicht, dass sie in Hamburg ist. Ich war von ihrem Auftritt genauso überrascht wie du. Großes Ehrenwort!«

»Ich weiß. Ich hatte in der Zwischenzeit ein sehr aufschlussreiches Gespräch mit Nina. Stell dir vor – Sabine war gestern Abend schon da. Während wir essen waren.«

»Bitte? Aber warum hat Nina denn nichts davon erzählt?«

»Tja, jetzt krieg bitte keinen Tobsuchtsanfall.«

»Nein, versprochen. Nun erzähl schon.«

»Nina hat Sabine gestern in dem Glauben gelassen, dass sie Carolin sei, weil sie hören wollte, was Sabine so erzählt. Und das wollte sie dann erst mal mir erzählen.«

»Unglaublich – was fällt dieser dummen Kuh ein? Die kauf ich mir, die werde ich gleich mal …«

Carolin legt beschwichtigend einen Arm um Marcs Schulter und zieht ihn näher an sich heran. »Hallo, kein Tobsuchtsanfall. Schon vergessen?«

»Ja, hast ja Recht. Aber das ist doch wirklich unmöglich, oder etwa nicht?«

»Klar ist es das. Und ich habe Nina deswegen auch schon ordentlich den Kopf gewaschen. Sie war einsichtig und hat sich entschuldigt.«

»Das ist wohl das Mindeste.«

»Eine Sache hat mir allerdings schon zu denken gegeben.«

»Nämlich?«

»Nina sagt, Sabine habe sich bei ihr beklagt, dass du ihr nicht gesagt hättest, dass ich bei dir einziehe. Sie hätte es von Luisa erfahren.«

Carolin schaut Marc fragend an, der schweigt.

»Wenn das wirklich so war, ist es nicht wirklich verwunderlich, dass Sabine wütend auf dich und nicht besonders gut zu sprechen auf mich ist.«

Marc schweigt immer noch.

»Also hast du es ihr tatsächlich nicht erzählt.« Sie seufzt. »Kannst du nicht mal etwas dazu sagen?«

»Was soll ich noch dazu sagen? Das Tribunal hat mich doch bereits überführt.«

»Hey!« Carolin runzelt die Stirn. »Nicht wieder streiten! Was heißt denn hier Tribunal? Ich möchte nur von dir wissen, was du Sabine gesagt hast – oder auch nicht.«

»Ich habe es ihr nicht gesagt, weil ich der Meinung bin, dass es sie nichts angeht. Punkt.«

»Ja, aber …«, will Carolin darauf erwidern, aber Marc fällt ihr sofort ins Wort.

»Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass ich dich nicht fragen muss, was ich meiner Exfrau wann sage.«

Eins merkt selbst ein kleiner Dackeclass="underline" Dieses Thema ist für Marc ein rotes Tuch. Und dafür, dass er sich so sehr ein friedliches Ende des Abends wünscht, ist er wieder ganz schön unfriedlich. Hoffentlich behält wenigstens Carolin die Nerven, sonst kracht es bestimmt gleich wieder.

»Schatz, ich weiß, dass Sabine dich sehr verletzt hat. Und ich kann verstehen, dass du immer noch wütend auf sie bist. Aber es muss möglich sein, dass wir darüber in Ruhe reden. Und dass ich auch eine eigene Meinung dazu vertreten darf. Sonst haben wir in absehbarer Zeit ein echtes Problem.«

Sehr gut, Carolin. Immer ruhig bleiben. Damit bist du ganz auf Opilis Linie: Bei sehr aufgeregten Hunden hilft nur ein ganz ruhiger Jäger, der den Überblick behält. Sonst verjagt sich das Rudel in kürzester Zeit. Gut, vielleicht ist die Kommunikation zwischen Jäger und Hund nicht eins zu eins auf die zwischen Frau und Mann übertragbar, aber da es sich in beiden Fällen um Paare handelt, kann man vielleicht gewisse Parallelen ziehen.

»Entschuldige, Caro. Du hast Recht. Aber bei dieser Geschichte sitze ich sofort auf der Palme. Ich bemühe mich aber auch redlich, wieder hinunterzuklettern.« Er lächelt. Etwas gequält, aber er lächelt. Faszinierend. Es funktioniert also tatsächlich. Nicht nur zwischen Jäger und Hund.

»Brav, mein Lieber!«, lobt ihn Carolin. Und auch das ist gewissermaßen nach Lehrbuch. Den folgsamen Hund immer loben!, war einer der wichtigsten Grundsätze des alten von Eschersbach. Er hatte zu diesem Thema sogar einmal etwas in der Wild und Hund geschrieben, einer Zeitschrift, die in regelmäßigen Abständen zu uns aufs Schloss flatterte. Alle waren deswegen ganz stolz, Emilia hat uns damals sogar vorgelesen, was der Alte da verzapft hatte, und anschließend bekam das Heft in der Schlossbibliothek einen Ehrenplatz. Ja, von Eschersbach war zwar sonst ein harter Knochen, aber in der Hinsicht sehr verlässlich. Wenn man genau machte, was er wollte, konnte man gut mit ihm auskommen. Vielleicht könnte Carolin ja auch mal in der Wild und Hund … ?