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»Weißt du, Sabine war damals Knall auf Fall verschwunden. Mit Luisa. Ich kam nach Hause, und die Wohnung war so gut wie leer. Es war der furchtbarste Tag in meinem Leben. Sie war einfach zu diesem Jesko gezogen, ohne vorher auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Und dass diese Frau nun hier aufkreuzt und meint, mir sagen zu können, wie ich sie im Vorfeld hätte informieren müssen – tut mir leid, da platzt mir der Kragen. Es hat mich sehr viel Kraft gekostet, wieder ein halbwegs normales Verhältnis zu ihr aufzubauen. Und ich habe das nur wegen Luisa überhaupt auf mich genommen. Aber zu mehr bin ich nicht bereit.«

Carolin holt Luft, so als ob sie dazu noch etwas sagen wollte, schweigt dann aber. Eine Weile sitzen sie so da, dann nimmt Marc Carolins Hände.

»Vielleicht streichen wir den heutigen Tag einfach, ja? Er war wirklich eine Katastrophe.«

»Ja, tun wir das.« Sie küssen sich. »Ach so – von wegen Katastrophe: Hat sich eigentlich Frau Warnke mal gemeldet? Die kann doch nicht einfach nicht zur Arbeit kommen.«

»Stimmt. Das habe ich dir noch gar nicht erzählt. Dabei passt es zu meiner heutigen Glückssträhne: Ihr Freund hat heute Nachmittag angerufen. Es gibt zwei Neuigkeiten – gewissermaßen eine gute und eine schlechte. Erstens ist Frau Warnke schwanger. Dazu habe ich natürlich gratuliert. Und zweitens geht es ihr so schlecht, dass sie heute Morgen ins Krankenhaus gekommen ist. Ich fürchte, so schnell sehen wir sie nicht wieder.«

»O nein!«

»Genau. O nein. Das habe ich auch gesagt.«

»Aber was machst du denn jetzt ohne Helferin?«

»Dazu habe ich mir schon Gedanken gemacht und eine gute Lösung gefunden.«

»Und die wäre? Ich gebe meine Werkstatt auf und werde ab sofort deine Assistentin?« Carolin kichert.

»Auch ein verlockender Gedanke. Aber ich hatte noch eine andere Idee: Meine Mutter hilft mir. Sie hat es jahrelang bei meinem Vater gemacht, kennt also die Praxis. Und sie könnte sofort anfangen.«

»Deine Mutter?«

»Ja, gute Idee, oder?«

»Ja, toll.«

Ein Blick auf Carolins Gesicht, und ich weiß, dass sie das genaue Gegenteil denkt. Ein Wunder, dass Marc das nicht merkt. Männer und Frauen. Richtig gut passen sie nicht zusammen.

DREIZEHN

Von außen betrachtet wirkt der heutige Tag völlig unspektakulär. Draußen nieselt es, im Wartezimmer der Praxis sitzt nur ein einziger Herr mit seiner Katze, und Marcs Mutter sortiert am Tresen einen Papierstapel von links nach rechts. Sie kommt nun jeden Tag, um Marc zu helfen, und was auch immer Carolin befürchtet hatte – bisher ist noch nichts Schlimmes passiert. Im Gegenteil, meist kocht Oma Wagner nach Ende der Sprechstunde noch etwas Schönes für die ganze Familie und denkt dabei auch an mich. Wenn ich also mit Carolin aus der Werkstatt komme, freue ich mich schon richtig auf das Abendessen.

Heute allerdings bin ich gleich zu Hause geblieben, denn in Wirklichkeit ist dieser Tag doch spektakulär: Ich werde mit Marc Schloss Eschersbach besuchen! Offenbar soll an einem der nächsten Wochenenden die Ponyüberraschungsparty für Luisa steigen. Jedenfalls wenn alles so klappt, wie Carolin sich das vorstellt. Es wird also höchste Zeit, dass Marc sein Versprechen einlöst und den alten von Eschersbach endlich nach seinen Pferden fragt.

Jetzt nur noch der Typ mit der Katze – dann kann es losgehen. Marc schaut aus dem Behandlungszimmer.

»So, Herr Weiler, dann lassen Sie uns mal nachsehen, was Lucy haben könnte. Kommen Sie bitte?«

Und zwar ein bisschen dalli, möchte ich hinzufügen, wenn ich mir ansehe, mit welchem Schneckentempo dieser Herr Weiler in Marcs Richtung schleicht. Wir haben schließlich noch etwas Besseres vor!

Ich lege mich vor die Tür des Behandlungszimmers. Nicht, dass sich hier noch irgendein Notfall reinmogelt. Nach der Katze ist Schluss, basta!

»Na, Herkules, brauchst du auch einen Arzt?« Marcs Mutter hockt sich neben mich und krault mich unter dem Kinn. »Oder willst du noch ein kleines Fresschen, bevor ihr losfahrt?«

»Mutter, hör bitte auf, den Hund zu mästen. Der braucht weder drei Mahlzeiten am Tag noch zwei Kilo mehr auf den Rippen. Und dann bring mir doch bitte mal die Patientenakte von Lucy Weiler, hier liegt leider die falsche.« Marc steckt den Kopf durch die Tür des Behandlungszimmers.

»Ja, mache ich sofort. Aber drei Kilo würden Herkules auf keinen Fall schaden. Und dir übrigens auch nicht, mein Schatz. Deine neue Freundin hält euch ja offensichtlich etwas kurz. Wenn ich die letzten Abende nicht gekocht hätte …« Sie lässt offen, was dann gewesen wäre.

Was sie damit sagen will, verstehe ich nicht. Es klingt aber nicht so, als ob es unbedingt nett gemeint war. Kurz gehalten? Bezieht sich das etwa auf meine Beine? Aber für die kann Carolin ja gar nichts. Und sie sind wegen meines Terrier-Vaters auch eher ein Stück länger als bei Dackeln üblich. Außerdem ist Marc ziemlich groß. Das kann es also auch nicht sein. Aber was meint sie dann?

»Mutter, Carolin ist eine ausgezeichnete Köchin. Aber sie ist gleichzeitig eine berufstätige Frau, sie hat also gar nicht die Zeit, mich ständig zu verpflegen. Das muss sie auch nicht. Ich bin schließlich schon groß und kann mir im Zweifel selbst ein Brot schmieren.«

Frau Wagner schnappt hörbar nach Luft. »Na ja, mein Junge. Man muss wissen, wie man seine Prioritäten setzt. Nicht jede Frau stellt immer den Beruf an erste Stelle.«

Jetzt ist es an Marc, tief einzuatmen. Fast scheint es, als wolle er noch etwas sagen. Dann aber nimmt er nur die Akte, die ihm seine Mutter entgegenhält, und geht wieder ins Behandlungszimmer zurück.

Kurze Zeit später ist Lucys Problem anscheinend gelöst und Marc mit seiner Sprechstunde fertig.

»So, Herkules, dann wollen wir mal in deine alte Heimat starten. Hoffentlich klappt diese Ponygeschichte gleich. Ich könnte einen Erfolg bei Carolin momentan gut gebrauchen. Irgendwie läuft es gerade nicht ganz rund bei uns, mein Freund.«

Es läuft nicht rund? Bei Marc und Carolin? Was denn? Also, laufen tut doch sowieso nie jemand von den beiden. Marc springt in sein Auto, sobald er die Praxis verlässt. Und Carolin fährt eigentlich immer Fahrrad. Wenigstens geht sie noch mit mir spazieren, in letzter Zeit absolviert sie dabei aber auch nur das absolute Pflichtprogramm. Also, dass es mit dem Laufen ein Problem gibt, ist eine Diagnose, die ich schon vor Monaten hätte stellen können.

Wir verlassen das Haus, Marc verfrachtet mich – natürlich! – kurzerhand auf den Beifahrersitz seines Autos und fährt los. Es ist ziemlich viel Verkehr auf den Straßen. Als wir wieder einmal anhalten müssen, fasst Marc mit seiner rechten Hand kurz unter meinen Bauch.

»Also, mein Lieber, es tut mir leid, dir das so sagen zu müssen: Aber du hast eine ganz schöne Wampe bekommen. Meine Mutter kocht jetzt seit zwei Wochen für uns, und du hast schon mindestens ein Kilo zugenommen. Wenn das in dem Tempo weitergeht, können wir dich bald rollen. Ich glaube, ich muss mal dein Fressen rationieren. Übergewicht ist gar nicht gesund, schon gar nicht für Hunde mit so einem langen Rücken.«

Ich starre Marc fassungslos an. Was fällt dem ein? Ich bin doch nicht dick! Und falls ich tatsächlich ein klein wenig zugelegt haben sollte, dann eindeutig nur, weil ich in letzter Zeit zu wenig Auslauf habe. Marc nimmt die Hand zurück und legt sie wieder ans Steuer.

»Aber andererseits: Warum soll es dir besser gehen als mir? Mich mästet sie ja auch. Ist eben meine Mutter. Ich hoffe nur, sie fällt Caro noch nicht auf die Nerven. Vielleicht war meine Idee mit der Krankheitsvertretung doch nicht so gut.«