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»Hach, Herkules, du bist echt kein Frauenkenner. Hoffentlich gehst du bei deiner Cherie etwas geschickter vor, sonst wird das nie was. Also: Normalerweise ist das mit dem Kleid ein Kompliment. Da hast du schon Recht. Aber in diesem Fall war die Lage eine andere: Sie hat sich über ihn geärgert und ihn scharf kritisiert. Das hast du noch mitbekommen, oder?«

Ich nicke. Es war schließlich nicht zu überhören.

»So. Jetzt lenkt er nicht etwa ein, sondern sagt ihr, dass sie Unsinn redet. Und das ihr Kleid hübsch ist.«

»Hä?«

»Na, das bedeutet, dass er sie nicht ernst nimmt. Er sagt damit eigentlich: Du hast keine Ahnung, Schnecke, beschränk dich mal aufs Hübschsein. Für eine schlaue Frau wie Nina eine tödliche Beleidigung.«

Mir schwirren die Dackelohren. »Das sagt er ihr damit?«

»Jepp. Das ist der sogenannte Subtext.«

»Aha.« Ich hoffe ganz stark, dass es so etwas wie Subtext in der Kommunikation zwischen Hündin und Rüde nicht gibt. Sonst bin ich geliefert. Aber so was von.

Schweigend trotten wir nebeneinander die Stufen zu Ninas Wohnung wieder hinunter. Sie hat die Tür einen Spalt offen stehen lassen, also können wir problemlos hineinhuschen. Immer noch schweigend legen wir uns wieder unter den Wohnzimmertisch. Hoffentlich kommt Carolin bald wieder, hier drinnen ist die schlechte Stimmung gerade mit Pfoten zu greifen. Immerhin ist es nun ruhiger, vielleicht hat sich der neue Nachbar Ninas Worte doch zu Herzen genommen, auch wenn er unverschämterweise ihr Kleid schön fand.

Kurze Zeit später klingelt es an Ninas Wohnungstür. Endlich, mein Flehen wurde erhört! Das ist bestimmt Carolin, die von ihrem Treffen kommt und mich abholt. Ich sause schnell zur Tür, nichts wie raus hier.

Aber als Nina, die hinter mir hergekommen ist, die Tür öffnet, steht dort: niemand. Stattdessen liegt ein kleines Päckchen mit einem gelben Zettel darauf auf der Fußmatte. Nina bückt sich und hebt es hoch. Sie liest den Zettel, reißt dann das Päckchen auf, um nachzuschauen, was es enthält. Ich bin natürlich auch neugierig, was ihr da wohl vor die Tür gelegt worden ist, kann es aber von hier unten nicht genau erkennen. Es scheinen kleine Kügelchen in einer durchsichtigen Box zu sein. Seltsam, so etwas habe ich noch nie gesehen. Nina dreht die Box hin und her, murmelt eine Unverschämtheit und schließt die Tür wieder.

Ich trabe zurück zu Beck, der immer noch unter dem Wohnzimmertisch liegt.

»Was war denn los?«, erkundigt er sich.

»Irgendjemand hat etwas auf Ninas Fußmatte gelegt. Aber falls es ein Geschenk sein sollte, hat es ihr nicht gefallen.«

Es klingelt nochmal an der Tür, und ich sause zurück in den Flur.

»Also jetzt habe ich die Schnauze aber wirklich voll! Was fällt dem Typen eigentlich ein?« Nina stürzt aus ihrem Büro in Richtung Tür und reißt sie auf. »Sie können sich Ihre Ohrstöpsel gleich sonst wohin … oh, hallo, Carolin! Komm doch rein.«

Tatsächlich. Vor der Tür steht endlich Carolin und schaut sehr erstaunt.

»Grüß dich, Nina. Ist alles in Ordnung bei dir? Ich wollte nur Herkules abholen.«

»Klar, natürlich. Ich dachte nur, du seist mein neuer Obermieter. «

»Und den begrüßt du derart herzlich? Die Geschichte musst du mir mal genauer erzählen.«

»Sehr gerne. Und noch lieber bei einem Kaffee. Ich kann mich heute sowieso nicht mehr konzentrieren und muss mal raus. Also – wenn du nichts dagegen hast, würde ich mit dir mal eben das nächste Café ansteuern.«

»Ja, warum nicht? Lass uns doch ins Violetta gehen, dann kann sich Herkules auf dem Hinweg im Park noch ein bisschen seine krummen Beinchen vertreten.«

Krumme Beinchen? Da frage ich mich: Wenn Komplimente im Subtext manchmal böse gemeint sind, sind Boshaftigkeiten dann in Wirklichkeit ein Liebesbeweis?

Das Herumsitzen im Café gehört eindeutig zur Lieblingsbeschäftigung von Frauen. Jedenfalls von den beiden Frauen, die ich kenne: Carolin und Nina. Interessanterweise bestellen sie sich aber meist nicht das gleichnamige Getränk. Sondern meist viel lieber einen sogenannten Prosecco. Der kommt zwar in einem etwas anderen Glas daher als der Rotwein, den Marc so gerne mit Carolin trinkt, aber er riecht ähnlich und hat auch eine ähnliche Wirkung auf Menschen. Erst reden sie ein bisschen schneller als sonst und lachen häufiger, dann reden sie viel langsamer und dafür lauter. Offenbar schlagen diese beiden Getränke auf die Ohren. Leider nicht auf meine, die sind ganz ausgezeichnet, und für meinen Geschmack wäre es sowieso schön, wenn Menschen insgesamt ein bisschen leiser veranlagt wären.

Lautstärke ist auch das Thema, das Nina nun gerade mit Carolin vertieft. Natürlich bei einem Glas Prosecco. Den brauche sie jetzt für ihre Nerven, hat Nina angemerkt und gleich mal zwei davon bei der Bedienung geordert. War also wieder nichts mit dem Kaffee. Ich habe es mir vor Carolins Füßen bequem gemacht und höre zu, wie Nina von der unerfreulichen Begegnung mit dem neuen Nachbarn berichtet.

»Ich meine – den ganzen Tag hämmert der da in der Bude rum. Das ist doch nicht normal! Ich hatte heute Vormittag zwei Patienten, die hätte ich fast wieder nach Hause geschickt, weil es wirklich ein ohrenbetäubender Lärm war. Gestern auch schon! Und das ohne jede Vorankündigung durch die Hausverwaltung, so dass ich mich hätte darauf einstellen können. Nichts von alledem. Eine Frechheit! Als es dann heute Nachmittag wieder losging, bin ich hoch und habe mal zart nachgefragt, wie lange das denn noch so gehen soll.«

Unter zart nachgefragt stelle ich mir aber etwas anderes vor. Nach meinem Eindruck war Nina schon ganz schön auf Zinne. Vielleicht wäre das Gespräch auch insgesamt besser verlaufen, wenn Nina den Mann nicht gleich so angefahren hätte. Oder ist der Subtext – was für ein tolles neues Wort! – von Anschreien he, ich finde dich nett?

»Und was hat er dazu gesagt?«

»Im Wesentlichen, dass ich mich mal nicht so anstellen soll und er sich schließlich an die Ruhezeiten der Hausordnung hält. Und dass er ja irgendwann renovieren müsse.«

»Hm, klingt aber ehrlich gesagt, als sei es nicht ganz von der Hand zu weisen«, gibt Carolin zu bedenken.

»Das war nun wieder klar, dass man dich mit dieser Hausordnungsnummer sofort kriegt. Du bist eben viel zu defensiv. Ich meine – hallo? Ich verdiene in der Wohnung mein Geld. Ich brauche Ruhe. Der soll sich gefälligst ein paar vernünftige Handwerker nehmen – dann ist die Renovierung ruckzuck fertig, und ich gehe solange ins Hotel. Auf seine Rechnung.«

»Äh, ja. Und was war das mit den Ohrstöpseln?«

»Ohrstöpsel?« Nina guckt verständnislos.

»Du sagtest, ich solle mir meine Ohrstöpsel sonst wohin … Ich meine, als du mir die Tür geöffnet hast.«

»Stimmt. Ich war nach meiner Beschwerde gerade wieder in der Wohnung angekommen, als es an der Tür geklingelt hat. Na, dachte ich mir, da ist wohl jemand zur Vernunft gekommen und will sich entschuldigen. Stand aber niemand vor der Tür. Stattdessen lag ein Päckchen mit einem Post-it davor. Hier.« Sie kramt in ihrer Handtasche und drückt Caro die kleine Box mit dem gelben Zettel in die Hand. Die fängt an zu lächeln und liest laut vor: »Mit den besten Grüßen an Ihre empfindlichen Ohren, Alexander Klein. Wie süß. Ohropax.«

»Süß?! Also ich bitte dich! Das ist nicht süß, das ist unverschämt. Der Typ will mich provozieren. Und dann so ein Bengel – bestimmt zehn Jahre jünger als ich! Süß? Von wegen!«