Caro schüttelt den Kopf.
»Echt, Nina, jetzt komm mal wieder runter. Oder trink schnell noch ein Glas Sekt. So schlimm ist das nun wirklich nicht. Die Renovierung wird ja nicht ewig dauern, und möglicherweise gewinnst du einen netten neuen Nachbarn. Aber nicht, wenn du ihn gleich so verschreckst. Mit dem hast du doch auch ansonsten gar nichts zu tun. Ich meine – sieh mich mal an. Ich treffe nun jeden Abend auf meine Quasi-Schwiegermutter und mache dazu noch ein freundliches Gesicht.«
»Tja, fragt sich nur, wie lange noch. Außerdem bist du auch kein Maßstab. Du bist eh zu gut für diese Welt.«
»Ich will eben mit ihr auskommen. Selbst wenn sie mich ab und zu nervt. Ist schließlich Marcs Mutter.«
»Sag ich doch: zu gut für diese Welt.«
»Wenn du meinst. Aber damit kannst du mich gar nicht aus der Ruhe bringen. Dafür bin ich heute viel zu gut gelaunt.«
Carolins Lächeln wird tatsächlich noch strahlender und überzieht nun ihr gesamtes Gesicht. Mehr Lächeln geht nicht. Das sieht einfach toll aus, ich liebe es, wenn sie so strahlt. Das können einfach nur ganz wenige Menschen: so von den Augen bis zum Mund durchgehend lächeln. Und meine Carolin gehört dazu.
»Dann lass mich mal an deiner Freude teilhaben«, fordert Nina sie auf, »vielleicht bessert sich meine Laune dann wieder. «
»Das kann sogar sein«, gibt Carolin ihr Recht. »Es hat nämlich mit jemandem zu tun, den du auch kennst und magst.«
»Schieß los – ich bin gespannt.«
»Mein Treffen eben. Rate mal, mit wem das war.«
Nina schüttelt den Kopf. »O nö! Nicht solche Spielchen! Nun sag schon!«
»Hast Recht. Kommste sowieso nicht drauf. Ich habe mich eben mit Daniel getroffen.«
Jetzt reißt Nina wirklich die Augen auf. »Echt? Mit Daniel? Seit wann ist der denn wieder in Hamburg? Das ist ja toll!«
»Aurora gibt morgen ein Konzert in der Laeiszhalle, und Daniel begleitet sie.«
»Also ist er immer noch mit dieser Schnepfe zusammen.«
Caro zieht die Augenbrauen hoch. »Aurora ist ganz nett.«
»Unsinn. Ist sie nicht. Du – ich wiederhole mich – bist einfach zu gut für …«
»Also«, unterbricht Caro sie, »willst du nun weiter rumstänkern oder lieber die Geschichte zu Ende hören?«
Nina rollt mit den Augen, sagt aber nichts mehr.
»Ich wusste von Auroras Konzert und habe Daniel angerufen und ihn gefragt, ob er mitkommt. Ich wollte nämlich etwas mit ihm besprechen.«
»Aha. Du hast erkannt, dass du nicht mit Marc zusammenpasst, und willst es doch noch mal mit Daniel versuchen, der selbstverständlich noch immer heimlich in dich verliebt ist? Sehr clever.« Nina kichert. Findet sie das wirklich lustig, oder ist das der Prosecco?
»Ach, Mann, Nina. Bleib doch mal ernst. Ich habe einen Großkunden, der mit einem noch viel größeren Auftrag winkt. Den kann ich aber nicht allein schaffen. Der Kunde wiederum kennt Daniel noch aus alten Zeiten, und ich habe ihm versprochen, mit Daniel zu besprechen, ob er Lust zu einer zeitlich begrenzten Kooperation mit mir hat. Hier in Hamburg. Also habe ich ihn gefragt, ob er sich vorstellen könnte, die nächsten zwei, drei Monate nach Hamburg zu kommen.«
»Und, konnte er?«
Sagte ich eben, mehr Lächeln geht nicht? Es geht doch. Carolin beweist es gerade, und im Violetta wird es mit einem Schlag heller, so sehr strahlt sie nun.
»Ja. Er hat gesagt, dass er sich über mein Angebot freut und es sehr gerne annimmt.«
»Na, da schau her.« Mehr sagt Nina nicht. Aber jetzt lächelt sie auch.
FÜNFZEHN
Hm. Sieht von außen aus wie ein ganz normaler Schuhkarton. Was da wohl drin ist? Neugierig robbe ich mich möglichst nah an Luisa heran, ich will schließlich dabei sein, wenn das Geheimnis gelüftet wird. Carolin und Marc haben Luisa den hübsch verpackten Karton eben feierlich überreicht und von einer Überraschung gesprochen. Daraufhin hat sich Luisa sofort damit auf den Teppich im Wohnzimmer gesetzt und das Geschenkpapier aufgerissen.
Jetzt nimmt sie den Deckel ab, und ich sehe – ja, was sehe ich da eigentlich? Ein Häuschen, gebastelt aus Papier, davor lauter kleine Pferdefiguren. Das Häuschen erinnert mich an irgendetwas. Um es mir mal genauer anzusehen, stecke ich meine Nase in den Karton.
»Herkules, vorsichtig!« Luisa zieht mich sanft am Nacken. »Sonst machst du noch mein Geschenk kaputt!«
Ich ziehe den Kopf wieder zurück, ich habe auch so schon genug gesehen. Das Häuschen sieht aus wie Schloss Eschersbach! Das ist ja ein Ding!
Marc kniet sich neben Luisa. »So, mein Schatz, hier siehst du die lang angekündigte gute Idee, die Carolin hatte.«
Luisa guckt etwas verständnislos. Das ist kaum verwunderlich, denn auch ich habe noch nicht begriffen, was es mit diesem Mini-Schloss im Karton auf sich hat. Ganz zu schweigen von den davor platzierten kleinen Pferdchen.
»Spielzeugpferde?« Luisa klingt enttäuscht.
»Keine Sorge, die sind nicht das Geschenk. Der ganze Karton ist eigentlich nur ein Gutschein. Für ein Pony-Schloss-Wochenende mit deinen Freundinnen. Freitags könnt ihr hinfahren, und dann lebt ihr drei Tage auf einem echten Schloss und könnt so viel reiten, wie ihr wollt«, erklärt Carolin. »Dein Papa wollte sich nur besondere Mühe geben und hat deswegen Schloss Eschersbach und die dazugehörigen Pferde gebastelt.«
Jetzt begreift Luisa, springt auf und fällt Carolin um den Hals. »Danke, Caro! Und danke, Papa! Das ist wirklich eine Superidee! Klasse!«
Auch Oma Wagner ist mittlerweile ins Wohnzimmer gekommen. »Tja, mein Schatz, schön, dass es dir gefällt. Dein Vater war jetzt auch fast zwei Tage durchgehend mit der ganzen Geschichte beschäftigt. Allein dieses Gebastel hat die halbe Sprechstunde gedauert. Dann noch die Visite zum Schloss, um den alten Grafen zu überreden. Na ja. Der Opa hätte so was nie gemacht, dem habe ich immer alles abgenommen. « Sie schaut in Carolins Richtung und lächelt. Ich bin mir nicht sicher, ob das nett gemeint ist.
Falls es das aber nicht war, ignoriert Carolin diese Spitze. »Ja, Marc, du hast wirklich handwerkliches Geschick. Du könntest glatt bei mir anfangen. Vielleicht ist an dir ein Geigenbauer verloren gegangen.«
Marc grinst, und Frau Wagner verabschiedet sich mit einem deutlichen Dann werde ich mal die Küche aufräumen, das macht sich ja auch nicht von alleine in Richtung derselben.
»Komm her, Spatzl«, Marc steht auf, geht zu Carolin und nimmt sie in den Arm, »wenn mir niemand mehr seinen Zwerghamster anvertrauen will, werde ich bei dir vorsprechen. « Er gibt ihr einen Kuss. »Insofern passt es mir eigentlich gar nicht, dass du jetzt wieder mit Daniel zusammenarbeiten willst. Vielleicht wäre ich ein besserer Partner für dich.«
»Na gut, ich werde Daniel klipp und klar sagen, dass es sich nur um ein paar Wochen handelt, weil sich dann eine aufstrebende Nachwuchskraft angekündigt hat.« Sie lächelt.
»Gut. Mach das. Dann weiß er gleich, wo es langgeht. Habe mir sowieso schon ein wenig Sorgen gemacht, dass der hier plötzlich wieder auftaucht.«
Warum macht sich Marc Sorgen? Wenn ich das richtig verstanden habe, kommt Daniel doch, um zu helfen.
»Zu Recht, mein Lieber, man muss die Konkurrenz immer im Auge behalten.«
Ach, Marc will Geigenbauer werden und Daniel dann Tierarzt? Versteh ich nicht.
»Also komme ich heute Abend besser mit?«
»Das hättest du wohl gerne. Nee, nee, wir trinken auf alte Zeiten, du würdest dich nur langweilen. Und ich habe so lange nichts mehr mit Daniel unternommen, ich freue mich schon auf ein Glas Wein mit ihm. Will mal hören, wie es ihm privat geht. Heute Nachmittag haben wir nur übers Geschäft gesprochen, morgen geht er ins Konzert, und übermorgen ist er schon wieder weg, also das passt schon.«