Выбрать главу

Ich sage nichts dazu. Ich lasse mich nicht provozieren. Ich nicht. Er läuft einmal um mich herum und betrachtet mich genau.

»Doch. Mindestens ein Kilo, oder?«

Ich lasse mich nicht provozieren. Ich nicht.

»Tja, was rede ich da. Du weißt wahrscheinlich gar nicht, was ein Kilo ist. Also, es ist ungefähr so viel wie ein halbes Kaninchen.«

Ich tauche meine Schnauze tief in den Napf und versuche, nicht hinzuhören.

»Diese Cherie ist ziemlich schlank, oder? Sind Retriever ja meistens.«

Okay. Gott weiß, ich habe es versucht. »Beck. Du nervst. Und zwar gewaltig. Ich bemühe mich wirklich, deine ständigen Belehrungen nicht persönlich zu nehmen. Aber das fällt mir immer schwerer. Wenn ich deiner Meinung nach alles verkehrt mache, zu sehr an meinem Frauchen und an meinem Opili hänge, mich in die falschen Frauen verliebe und sowieso ein bedauernswerter Schoßhund bin, dann frage ich mich ernsthaft, warum du mein Freund bist. Oder ob du überhaupt mein Freund bist. Oder ob du nur jemanden brauchst, bei dem du schlaumeiern kannst, um dich selbst besser zu fühlen.«

»Oh.« Mehr sagt Beck nicht, stattdessen schaut er mich völlig erstaunt an.

»Ja: oh!«, entgegne ich einigermaßen giftig. Wir schweigen uns eine Weile an.

»So siehst du mich?«

Ich nicke.

Beck schaut zu Boden. Dann schüttelt er sich kurz. »Es tut mir leid. Ich bin wohl mittlerweile etwas zynisch geworden.«

»Mag sein. Ich weiß nicht, was das heißt. Aber du kannst es mir natürlich gerne erklären. Ist ja sowieso deine Lieblingsbeschäftigung. «

»Herkules, ich habe gesagt, dass es mir leidtut. Und ich meine das ernst. Natürlich will ich dein Freund sein, und ich hoffe, ich bin es auch. Zynismus ist nämlich gar nicht gut. Es bedeutet, dass man Sachen, die anderen wichtig sind, lächerlich macht. Und zwar meistens, weil man diese Sachen früher selbst mal für wichtig gehalten hat, aber dann das Gefühl hatte, dass es sie vielleicht gar nicht gibt. Nimm beispielsweise deinen unerschütterlichen Glauben an die Freundschaft zwischen Mensch und Tier. Als ich noch ein junger Kater war, habe ich auch fest daran geglaubt. Aber vielleicht habe ich einfach ein paar Mal zu oft den Besitzer gewechselt und zu unerfreuliche Dinge mit Menschen erlebt, um davon noch überzeugt zu sein. Bei Frau Wiese war es zwar ganz okay, aber sie war natürlich nicht meine Freundin. Eher meine Zimmerwirtin. Offen gestanden, ist Nina der erste Mensch seit langer Zeit, der mir richtig viel bedeutet. Wahrscheinlich war ich immer ein bisschen neidisch auf dein gutes Verhältnis zu Carolin. Verzeih mir, mein Freund!«

Ach, ich habe einfach ein weiches Herz. Wenn mir Beck so eine traurige Geschichte erzählt und mich dabei auch noch so treu anschaut, ist es dahin mit meinem Vorsatz, endlich mal hart zu bleiben. Mist.

»Ausnahmsweise. Aber du musst dich bessern!«

»Großes Ehrenwort! Ich werde mich anstrengen, versprochen!«

Um unsere nun per Schwur erneuerte Freundschaft ein bisschen zu feiern, beschließen wir, uns im Garten zu sonnen. Die letzten Tage war das Wetter für solche Aktionen zu schlecht, aber heute regnet es endlich mal nicht, und der Himmel ist strahlend blau. Nina deutet unser Maunzen und Jaulen gleich richtig und lässt uns raus.

Herrlich, sich so im Gras zu fläzen. Ich fühle mich trotz meines vollen Bäuchleins ganz leicht und unbeschwert. Herr Beck, der nun offenbar bemüht ist, den neuen Superfreund zu geben, legt sich neben mich und signalisiert Interesse an meinem Gefühlsleben.

»Sag mal, Freund Herkules, wie steht es denn nun um dein kleines Dackelherz? Immer noch verliebt in diese Cherie?«

»Ja, leider.«

»Und? Schon irgendwelche Fortschritte gemacht?«

Ich schüttele den Kopf, was im Liegen gar nicht so einfach ist, ohne gleich herumzukugeln.

»Nein. Leider nicht. Also: Sie kennt mich, und seit sie in Marcs Praxis war, findet sie mich wohl auch nett. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass ich für sie nur ein guter Kumpel bin.«

»Immerhin. Das ist doch schon mal etwas.«

»Ja. Aber es ist irgendwie nicht das, was ich gerne für sie wäre. Ein Kumpel. Natürlich bin ich gerne ihr Freund. Aber ich würde einiges dafür geben, wenn sie mich nur einmal so anschauen würde, wie sie damals an der Alster diesen Alonzo angeschaut hat. So … so … bewundernd! Ja, das ist es – sie hat ihn bewundert, sie fand ihn toll. Als Rüde, nicht als Kumpel.«

»Hm. Da hast du in der Tat ein Problem. Und wie willst du das lösen?«

Ich schaue auf meine Pfoten, als gäbe es dort etwas Interessantes zu entdecken. Vielleicht gar die Lösung meines Problems. Aber natürlich sehe ich da nur Gras und zwei bis drei wagemutige Ameisen, die sich an meinen Krallen zu schaffen machen.

»Keine Ahnung, was ich da machen könnte. Hast du vielleicht eine Idee?«

»Einen alten Kater nach den Chancen bei einer jungen Hündin zu fragen ist mit Sicherheit nicht besonders erfolgversprechend. Aber ich werde mir Mühe geben, mir anhand meiner generellen Erkenntnisse über die Liebe etwas Sinnvolles einfallen zu lassen.«

»Ach, Herr Beck, das klingt gut. Denn ich habe nicht einmal generelle Erkenntnisse über die Liebe. Mich trifft es zum ersten Mal. Und manchmal fühlt sich das ganz toll an und manchmal leider ganz furchtbar.«

»Na gut, eine Sache steht damit schon mal fest: Du bist wirklich verliebt.«

Das Wummern aus der Decke über uns ist mittlerweile so laut, dass es sogar den Fernseher überdröhnt. Es ist mal schneller, mal langsamer, aber leider nie leise. Zwischendurch klingt es auch so, als würden Menschen rauf- und runterspringen, wobei ich mir das kaum vorstellen kann, denn eigentlich machen Menschen so was nicht. Wenn ich mal vor Begeisterung rauf- und runterspringe, ernte ich jedenfalls meist tadelnde Blicke von ihnen.

Nina scheint aber wild entschlossen, den Lärm zu ignorieren. Sie geht zum Fernseher und stellt ihn noch ein bisschen lauter. Für Herrn Beck und mich ist das allerdings keine Alternative, denn nun sind wir wie eingeklemmt zwischen dem Lärm des Fernsehers und dem von oben. Ein kurzer Blickkontakt, und wir sind uns einig: Das geht so nicht!

Wir verziehen uns also in den Flur. Hier ist es aber leider auch nicht wesentlich ruhiger, denn offenbar bekommt der Herr Obermieter heute sehr viel Besuch. Auf der Treppe herrscht jedenfalls reger Verkehr, Menschen traben zu seiner Wohnung, und viele von ihnen müssen sehr seltsames Schuhwerk anhaben, denn die Schritte klingen gar nicht wie Schritte, sondern wie ein schnelles Klackern.

Da! Schon wieder! Klack klack, klack klack! Die Klingel schrillt, dann lautes Hallo an der Tür, Musik schwappt in den Hausflur. Nervig. Ob es in Ninas Schlafzimmer ruhiger ist? Und ob Beck und ich da ausnahmsweise reindürfen? Beck schaut mich leidend an.

»Warum sind Menschen bloß so furchtbar laut? Jedes vernünftige Tier kann auch im Stillen seinen Spaß haben. Aber nein, wenn die Zweibeiner eine Party feiern, dann geht das nicht ohne Höllenlärm.«

Aha. Eine Party. Interessant. Ich habe zwar schon davon gehört. Luisa wollte doch eine Pyjamaparty machen, und Marc und Carolin reden in letzter Zeit häufiger davon, dass nun mal eine Einweihungsparty anstünde. Was genau das ist, weiß ich allerdings nicht.

»Was machen Menschen denn bei einer Party?«, will ich von Beck wissen.

»Du hörst es doch selbst. Sie machen Krach.«

»Aber sie werden sicherlich noch irgendetwas anderes machen, oder? Die treffen sich doch nicht nur, um gemeinsam laut zu sein.«

»Na ja, sie hören laute Musik, sie tanzen, sie reden, natürlich trinken sie Alkohol. Manchmal küssen sie sich, auch wenn sie sich vor der Party noch gar nicht kannten. Also, mit Zunge meine ich. Nicht nur das Begrüßungsküsschen. So Zeug eben.«